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Brandenburg: Ursachenforschung
Brandenburgs Wirtschaft hat sich gut entwickelt. Die Frage ist nur – ob trotz oder wegen des deutschlandweit einzigen Wirtschaftsministers von den Linken?
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Potsdam - Brandenburgs Wirtschaft geht es gut – wegen oder trotz der rot-roten Wirtschaftspolitik. Landeswirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) zog am Montag in Potsdam erwartungsgemäß eine positive Bilanz der auslaufenden Legislaturperiode: „Brandenburgs Wirtschaft steht 25 Jahre nach der Wende so gut da wie nie zuvor. Die Landesregierung hat dabei den richtigen wirtschaftspolitischen Rahmen gesetzt.“ Wirtschaftsexperten bescheinigen den Landesministern dagegen vergleichsweise geringen Gestaltungsspielraum. Die Opposition im brandenburgischen Landtag sieht sogar trotz guter wirtschaftlicher Eckdaten Grund zur Kritik. Die FDP etwa spricht von „fünf verlorenen Jahren“.
Im vergangenen Jahr wuchs Brandenburgs Wirtschaft mit einem Anstieg des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 0,7 Prozent allerdings stärker als der Bundesdurchschnitt (+ 0,4 %). Im Vergleich der ostdeutschen Bundesländer belegte Brandenburg damit sogar den ersten Platz. Erst Ende März bescheinigte das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) zudem, Brandenburg sei das einzige neue Bundesland, dessen Wirtschaftskraft gemessen an den alten Bundesländern noch aufhole. Ansonsten sei die Aufholjagd im Osten eingeschlafen, hieß es. Ebenfalls ein Beleg für die gute Entwicklung sind die Arbeitsmarktdaten. Zum dritten Mal in Folge lag die Arbeitslosenquote Brandenburgs zuletzt unter der von 1990. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze stieg laut Christoffers um 4,5 Prozent.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es trotz vergangener Ansiedlungserfolge in Brandenburg nach wie vor nur wenige Industriebetriebe gibt. Eine der großen Hoffnungen im Bereich der Massenfertigung, die Solarmodulproduktion, brach unter Rot-Rot wegen ihrer veralteten Struktur und der billigeren Konkurrenz aus China zusammen. Die Exportquote hat sich seit 2009 zwar verbessert, liegt aber immer noch deutlich unter der anderer Flächenländer. Während der Anteil des Außenhandels am Bruttoinlandsprodukt 2012 in Niedersachsen zum Beispiel bei 34,3 Prozent lag, betrug er in Brandenburg lediglich 23 Prozent. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums zählen 99,8 Prozent aller Betriebe im Land zum Mittelstand. Dort werden den Angaben zufolge 60 Prozent aller Umsätze erwirtschaftet. Zudem stelle der Mittelstand knapp 80 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Jobs. Gleichzeitig ist das Lohnniveau eines der niedrigsten in ganz Deutschland und viele sind auf zusätzliche Leistungen angewiesen. Bei der wirtschaftlichen Entwicklung wird der Abstand zwischen dem berliner Umland und den berlinfernen Regionen immer größer. Nirgendwo in Deutschland sind die Zukunftschancen schlechter als in der Prignitz, urteilte etwa das Wirtschaftsberatungsunternehmen Prognos aus Basel im vergangenen Jahr. Aber auch in der Uckermark, dem Elbe-Elster- und dem Spree-Neiße-Kreis sieht die Situation laut Prognos nicht viel besser aus.
Christoffers sieht den Verdienst der Landesregierung – und nicht zuletzt seinen eigenen – aber vor allem in der „Reihe von Grundsatzentscheidungen, die seit 2009 getroffen worden“ seien. Unter anderem führt er die gemeinsame Innovationsstrategie mit Berlin an, die zwar bereits unter der Vorgängerregierung angeleiert wurde, in den vergangenen fünf Jahren aber Gestalt angenommen hat. Sie soll die Hauptstadtregion bis 2020 zu einer der führenden europäischen Innovationsregionen machen. Mittlerweile haben alle fünf gemeinsamen Cluster oder Schwerpunktbranchen ihre Arbeit aufgenommen. Zur Habenseite rechnet Christoffers auch die Energiestrategie 2030 des Landes. Vor allem damit, dass Brandenburg die Frage der Akzeptanz als wichtiges politisches Ziel mit in die Strategie aufgenommen habe, sei das Land bundesweit Vorreiter. Allerdings ist die Akzeptanz nicht zuletzt deshalb so wichtig, weil Brandenburg entgegen erheblicher Bedenken von Umweltschützern an der klimaschädlichen Braunkohle festhält.
Während ihm sein Einstehen für die Lausitzer Braunkohle auch in seiner eigenen Partei Symphatien gekostet hat, sind die sogenannten Fördermittel-Skandale um das insolvente Solarunternehmen Odersun in Frankfurt (Oder) und die unter Betrugsverdacht stehende Firma Human Bio-Science (HBS) aus Luckenwalde mehr oder weniger an ihm abgeperlt. Ende März hatte die Staatsanwaltschaft Potsdam mitgeteilt, dass wegen der umstrittenen Millionenförderung von Odersun nicht ermittelt werde.
Nach Meinung von FDP-Fraktionschef Gregor Beyer hat sich Christoffers in der Odersun-Affäre mindestens „wie ein Schuljunge über den Tisch ziehen lassen“ und die Wirtschaft des Landes habe sich trotz und nicht wegen Rot-Rot so gut entwickelt. „Die Frage ist nicht, wo Brandenburg heute steht, sondern wo wir stehen könnten“, erklärte Beyer am Montag.
Das sah auch CDU-Wirtschaftsexperte Dierk Homeyer so: „Es ist nicht der rot-roten Politik zu verdanken, dass sich unsere Wirtschaft so gut entwickelt hat, sondern beruht allein auf der Kraft und dem Engagement der Unternehmer. Die rot-rote Landesregierung hat in den letzten Jahren die Rahmenbedingungen für unsere Unternehmen deutlich verschlechtert.“
Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sieht zudem kaum Grund für Euphorie. „Für die Hauptstadtregion des wirtschaftlich stärksten Landes in Europa ist eine Arbeitslosenquote von fast 10 Prozent allerdings nach wie vor viel zu hoch.“ Auch die Investitionsquote für Forschung und Entwicklung betrage nur etwa 60 Prozent des Bundesdurchschnitts, so Vogel. „Insgesamt bleibt das Land also immer noch weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Die Landesregierung täte also gut daran, sich angesichts momentan rosiger Zahlen nicht über die bekannten brandenburgspezifischen Probleme hinwegzutäuschen.“
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