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Der Angeklagte gestern im Potsdamer Gerichtssaal.

© dpa

Brandenburg: Vater gesteht: Töchter im Auto verbrannt

40-jähriger Däne schildert die Tat vor Gericht Gutachter bescheinigt ihm narzisstische Störung

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Potsdam - Ein halbes Jahr ist es her, dass Line Sofie (9) und Marlene Marie (10) in dem Feuer starben, das ihr Vater gelegt hatte. Am Donnerstag äußerte sich Peter-Thue R. (40) vor dem Landgericht Potsdam erstmals ausführlich und gestand die Tat. Das Gericht wird in dem Fall, der in den dänischen Medien hohe Wellen schlägt, entscheiden müssen, ob es ein erweiterter Suizid war, der schließlich schief ging, wie es der Anklagte versuchte darzustellen. Oder ob R. seine Kinder schlicht umbringen wollte, weil seine Ex-Frau das Sorgerecht zugesprochen bekam und er ihr die Kinder nicht gönnte. Am Donnerstag verstrickte sich R. in Widersprüche.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm in der Anklage zweifachen Mord aus niedrigen Beweggründen vor. Wie Staatsanwalt Peter Petersen sagte, soll R. die beiden Mädchen im August 2011 in einem Wald bei Börnicke am Autobahndreieck Havelland erst mit einem Schlafmittel betäubt, dann den Wagen mit Benzin übergossen und angezündet haben. Die Mädchen saßen angeschnallt auf der Rückbank und starben an den Folgen einer Rauchgasvergiftung und Verbrennungen vierten Grades.

Über mehrere Stunden schildert R., der derzeit mit Antidepressiva behandelt wird, emotionslos und sachlich kühl wie es dazu kam, eine Dolmetscherin übersetzte. Seine von ihm seit 2009 geschiedene Ex-Frau habe versucht, ihm Kinder wegzunehmen, Absprachen seien nicht eingehalten worden, sie hätte ihn mit spöttischen Bemerkungen erniedrig. Schließlich sollte sein Bauernhof im dänischen Badeort Öster Hurup gepfändet werden, er habe seinen Arbeitsplatz verloren und für einen neuen Job umziehen müssen. Obendrein habe das Jugendamt entschieden, dass die Kinder ihren Wohnsitz nicht mehr bei ihm, sondern bei der Ex-Frau haben sollten.

Mit den Kindern habe er dann Mitte August 2011 einen „fantastisch guten Tag“ im Snow-Dome bei Hamburg verbracht, sei am Abend Richtung Berlin gefahren, um den Kindern die Reste der Mauer zu zeigen. Als eine der beiden Töchter über Unwohlsein geklagt habe, hätte er ihr eine Schlaftablette gegeben, die ihm in Dänemark von seiner Hausärztin vorschrieben worden sei – weil er wegen des Streits um die Kinder kaum noch Schlaf gefunden habe. Auch das andere Kind habe eine Tablette haben wollen.

An Selbstmord hätte er schon längere Zeit gedacht, habe aber seinen Kinder nicht antun wollen, ohne ihn aufzuwachsen. „Dann kam mir die Idee: Wir könnten ja alle sterben“, sagte R. Er habe seinen Wagen in ein Waldstück gefahren, zwei Benzinkanister auf dem Beifahrersitz und den Boden des Wagens entleert. „Ich habe gedacht, es macht bumm, es ist vorbei.“ Stattdessen aber sei er, als der Wagen in Flammen stand, aus Instinkt aus dem Wagen gesprungen, hätte sich auf dem Waldboden gewälzt, um das Feuer an seiner Kleidung zu ersticken. Dann will er noch versucht haben die Kinder zu retten, aber das Feuer und die Hitze seien zu stark gewesen. Schließlich sei er im Wald umhergeirrt und habe es nicht geschafft, sich umzubringen. Der Vorsitzende Richter Frank Tiemann ließ Zweifel durchblicken, fragte nach den Gründen für die Idee, die Kinder und sich selbst anzustecken: „Ich kann nicht ohne meine Töchter leben und die Kinder nicht ohne mich.“

Staatsanwalt Petersen, aber auch Matthias Schöneburg, der die Mutter der Mädchen als Nebenkläger vertritt, bezweifeln die Darstellung und gehen von einer geplanten Tat aus. Petersen sagte: „Er hat eine Feuerwehrausbildung“. Gegenüber der Polizei habe er von einem Unfall gesprochen, bei dem die Mädchen in den Flammen vor Schmerzen geschrien hätten, so Schöneburg. Im Prozess blieb R. in der Frage, ob die Kinder noch schliefen, unklar. „Ich glaube, dass die Kinder nicht geschlafen haben, sondern laut geschrien haben“, sagte Schöneburg. R. stelle sich nur als „getriebenes Opfer“ dar.

Tatsächlich schilderte R. sein Leben als gescheiterte Existenz: Schon in früheren Jahren heftiger Streit mit den Eltern, Selbstmordgedanken, mehrere abgebrochene Ausbildungen, verschiedene Jobs, als Gärtner, Glöckner, Totengräber, Biobauer, am Ende Pädagoge. Oft verlor er den Ehrgeiz, sobald es Probleme gab. Auch in psychiatrischer Behandlung war er schon. Einmal wurde ihm gesagt, es solle sich zusammenreißen. Das vorläufige Gutachten der Gerichtspsychologin bescheinigt ihm jetzt eine narzisstische Störung. „Der interessiert sich nur für sich“, sagte Schöneburg. Die Ex-Frau hatte den Behörden in Dänemark wegen des Sorgerechtsstreit gesagt, dass er ihr mit Gewalt gedroht hätte. Und: „Er will nicht verstehen, dass es nicht um ihn geht. sondern nur um meine Mädchen.“

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