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Und weg damit. In Ketzin (Potsdam-Mittelmark) erproben Forscher und Industrie bereits, wie man CO2 unter die Erde bringt. Wie lange es auch dort bleibt weiß niemand.

© dpa

Brandenburg: Vattenfall sucht Endlager

Energieriese will in Ostbrandenburg CO2 aus Kohlekraftwerken verklappen – auch um Kosten zu sparen

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Potsdam - Der Energiekonzern Vattenfall sucht jetzt auch in den Tiefen Brandenburgs nach einem Endlager für das klimaschädliche Kohlendioxid (CO2) aus seinen brandenburgischen und sächsischen Braunkohlekraftwerken. Wie der Konzern gestern in Potsdam mitteilte, sollten Lagerstätten in Ostbrandenburg erkundet werden. Der Energiekonzern bezifferte die Kosten für die Erkundung und Erschließung der potenziellen Speicherstätten auf etwa 55 Millionen Euro. Vattenfall ist in Brandenburg auf die Entsorgung seiner klimaschädlichen Abgase angewiesen: Die Landesregierung räumt der Braunkohle als Energieträger zwar eine langfristige Perspektive in ihrer Energiestrategie ein – aber Vattenfall darf die Lausitz nur für Kohle abbaggern, wenn der Klimakiller CO2 aus den Kraftwerksabgasen abgetrennt und entsorgt wird. Außerdem lohnt sich die CO2-Verklappung: Für entsorgte Emissionen müssen die Energiekonzerne in Deutschland keine Verschmutzungsrechte kaufen (siehe Kasten).

Bisher läuft im brandenburgischen Ketzin ein Pilotversuch, bei dem Wissenschaftler des Potsdamer Geoforschungszentrums (GFZ) unter Beteiligung der Industrie testen, wie in Hohlräume CO2 gepresst werden kann und wie sicher sich diese Lagerstätten dann verschließen lassen. Welche chemischen Reaktionen und daraus folgenden physikalischen Prozesse dabei langfristig auftreten, ist nach Angaben des GFZ noch weitgehend unerforscht. Während in Ketzin mit industrie-reinem CO2 geforscht wird, käme aus den Kraftwerken stark mit anderen Chemikalien verunreinigtes CO2.

Als erste echte CO2-Deponie, in der das giftige Gas in größeren Mengen verklappt werden soll, hat der schwedische Staatskonzern Vattenfall bisher ein Erdgasfeld der französischen Gas de France in der sachsen-anhaltinischen Altmark im Visier. Dort soll das CO2 auch genutzt werden, um auch die letzten Reste an Erdgas zu nutzen: Mit dem Einpressen des CO2 wird die Erdgasneige nach oben befördert. Der Haken für Vattenfall: Das Land Sachsen-Anhalt will Gebühren dafür kassieren, dass es zur CO2-Deponie und damit auch zum Versuchsfeld der Nation für die langfristige, industrielle Verklappung von CO2 wird. Und: Um das CO2 in großem Stil von den Braunkohlekraftwerken Schwarze Pumpe und Jänschwalde in die Altmark transportieren zu können, müsste ein Pipeline-System von der südbrandenburgischen Lausitz bis in die Altmark mit samt Verteil- und Druckstationen geplant, genehmigt und gebaut werden.

Der Weg nach Ostbrandenburg, wo sich Vattenfall nun nach einem CO2-Endlager umschauen will, ist da wesentlich kürzer – und Vattenfall muss nur mit den Behörden und Ämtern eines Bundeslandes verhandeln. Auch andere Probleme wäre Vattenfall langfristig mit einer Brandenburg-Pipeline los: Wegen der fehlenden Gefahrgut-Genehmigung verzögert sich bislang der von Vattenfall für das erste Quartal 2009 geplante Transport des CO2 per Lastwagen in die Altmark. Dieses Vorhaben werde weiterverfolgt, während parallel die Erkundung in Brandenburg laufe, der Vorstandsvorsitzende von Vattenfall Europe Mining & Generation, Reinhardt Hassa, gestern in Potsdam.

Die Erkundungsanträge für die ostbrandenburgischen CO2-Endlager seien beim Landesamt für Bergbau und Geologie in Cottbus eingereicht worden, so Hassa. Erkundet werden sollen die Tiefen unter den Regionen um Beeskow (Landkreis Oder-Spree) und Neutrebbin (Märkisch-Oderland). In beiden Fällen handle es sich um Salzwasser führende Gesteinsschichten die bis zu 1600 Meter unter der Erdoberfläche liegen. Der Präsident des Landesbergbauamtes, Klaus Freytag, stellte in Aussicht, dass der Antrag zur Erkundung im Frühsommer genehmigt wird. Erste Daten über den Untergrund liegen bereits aus DDR-Zeiten vor, als in den 1960er, 70er und 80er Jahren nach Erdgas gesucht wurde. Im Anschluss an das anstehende Genehmigungsverfahren könnte die seismische Untersuchung in den beiden Erkundungsgebieten beginnen, so Vattenfall-Chef Hassa. Die Dauer der Voruntersuchungen wird den Angaben zufolge bis in das Jahr 2011 hineinreichen.

Vattenfall hatte im September 2008 eine Pilotanlage für ein „CO2-armes“ Kohlekraftwerk in Schwarze Pumpe in Betrieb genommen. In dieser Anlage werden mehr als 90 Prozent des bei der Verbrennung von Braunkohle anfallenden CO2 aus der Abluft getrennt. Am Standort Jänschwalde soll bis 2015 ein weiteres Demonstrations-Kraftwerk entstehen. Vattenfall selbst rechnet damit, dass allein in Jänschwalde einmal rund 2,7 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr anfallen werden; die Speicherkapazität der beiden möglichen ostbrandenburgischen Lagerstätten wird mit jeweils rund 100 Millionen Tonnen angegeben.

Von 2012 bis 2015 sollen die Leitungen für den CO2-Transport zu den unterirdischen Speichern gebaut werden. Partner von Vattenfall für das Projekt sind die Verbundnetz Gas AG und der französische Erkundungsspezialist Schlumberger Carbon Services. P. Tiede (mit ddp und dpa)

P. Tiede (mit ddp, dpa)

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