Von Alexander Fröhlich: Verfassungsbruch mit Staatssekretären
Staatsrechtler kritisieren Beschäftigungspraxis der Landesregierung
Stand:
Potsdam - Brandenburgs Landesregierung begeht mit Personalien auf höchster Ebene aus Sicht renommierter Staats- und Verwaltungsrechtler Verfassungsbruch. Mehrere Staatssekretäre in der von Ministerpräsident Matthias Platzeck geführten rot-roten Landesregierung sind Angestellte – obwohl das Grundgesetz das Gegenteil vorschreibt. Die Landesregierung sieht das Beamtenverhältnis für Staatssekretär ausdrücklich nicht als Normalfall an, wie die Staatskanzlei auf eine PNN-Anfrage erklärte. „Fünf der Staatssekretäre sind politische Beamte, die anderen sind in der Funktion als Staatssekretär im Angestelltenverhältnis tätig“, sagte Vize-Regierungssprecherin Gerlinde Krahnert.
„Brandenburgs Landesregierung verstößt damit gegen das Grundgesetz“, sagte der Berliner Staatsrechtler Ulrich Battis. Der Verfassung nach seien „hoheitliche Tätigkeiten in der Regel und in der Mehrzahl dauerhaft Beamten zu übertragen. Eine hoheitlichere Aufgabe als die Führung eines Ministeriums gibt es überhaupt nicht.“ Der Verwaltungsrechtler Klaus Herrmann aus der Potsdamer Kanzlei des früheren brandenburgischen Verfassungsrichters Matthias Dombert sagte: „Das Land Brandenburg lässt die Staatssekretär ohne Bindung an Recht und Gesetz tätig sein. Die Landesregierung geht allzu locker damit um.“ Bei Angestellten sei ein enge Bindung an die Gesetze weniger gewährleistet als bei Beamten, die persönlich verantwortlich für die „Rechtmäßigkeit ihrer Handlungen“ seien, sagte Herrmann. „In anderen Bundesländer sind Staatssekretäre nur im Ausnahmefall Angestellte.“ Tatsächlich sind es im Nachbarland Berlin nach Angaben des Senats politische Beamte, dort wird dieses Beschäftigungsverhältnis wegen der besonderen Bedeutung des Postens als Regelfall angesehen.
Anders in Brandenburg. Das die Landesregierung an dieser Praxis etwas ändern, erwartet Herrmann nicht. „Erst wenn es einen Schadensfall gibt, wird dann gefragt, warum für den verantwortlichen Staatssekretär eine lockeres Angestelltenverhältnis mit lockerer Pflichtbindung gewählt wurde.“ Dabei ginge es um konkrete Haftungsfragen.
Wer konkret in der Landesregierung betroffen ist, will die Staatskanzlei nicht preis geben – „aus datenschutzrechtlichen Gründen“, sagte Vize-Regierungssprecherin Krahnert. Keine politischen Beamten sondern Angestellte sind nach PNN-Recherchen Staatskanzlei-Chef Albrecht Gerbert, Daniela Trochowski (Finanzen), Daniel Rühmkorf (Gesundheit/Umwelt) und Martin Gorholt (Wissenschaft/Kultur). Selbst Justizstaatssekretärin Sabine Stachwitz, ehemals Direktorin des Amtsgerichts Oranienburg, ist Angestellte, womit selbst im Justizministerium – neben dem Innenressort ein Verfassungsministerium – gegen die Verfassung verstoßen wird.
Für die Landesregierung ist das Beschäftigungsverhältnis eine Frage das Geldes, denn politische Beamte erhalten, wenn sie entlassen und in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden, weiter Versorgungsbezüge. Seit 1990 sind insgesamt 45 politische Beamte mit Anspruch auf Versorgungsbezüge ausgeschieden, davon waren 34 Staatssekretäre, 7 Polizeipräsidenten, 3 Leiter des Verfassungsschutzes und ein Generalstaatsanwalt. Allein im Jahr 2005 zahlte das Land mehr als zwei Millionen Euro an Versorgungsbezügen, 2006 waren es etwas mehr als 1,8 Millionen Euro. Damals bekamen 19 frühere politische Beamte unter 65 Jahren im November 2006 zusammen knapp 77 000 Euro, für 16 über 65 Jahre waren es 85000 Euro.
Einige der aktuellen Staatssekretäre lehnen eine Beamtenverhältnis für sich sogar entschieden ab – weil sie ihre persönliche Freiheit bewahren und als Beamter nicht abhängig vom Dienstherrn sein wollen. Martin Gorholt sprach sogar von einem veralteten Staatsverständnis. Zudem hatte einige prominente Versorgungsfälle heftige Kritik ausgelöst, weshalb die Landesregierung – seit 2002 – unter Platzeck vorsichtiger agiert. Darunter der Cottbuser Oberbürgermeister Frank Szymanski (SPD), den Platzeck Ende 2006 für einen Tag zum Staatssekretär und gleich wieder in den Ruhestand schicken wollte, um dessen Pensionsansprüche trotz Weggangs nach Cottbus zu sichern – was Platzeck aber nicht durchsetzen konnte.
Nun vertritt die Staatskanzlei eine klare Linie: „Nur die Staatssekretäre, die vor der Ernennung zum Staatssekretär bereits als Beamte tätig waren, wurden im Beamtenverhältnis zum Staatssekretär ernannt.“ Tatsächlich wird die Entscheidung im Regierungsapparat nicht einhellig geteilt. Nach PNN-Information hatten Juristen dies im Herbst 2009 geprüft. Es sei eine politische Entscheidung getroffen worden, hieß es. Offiziell teilte die Staatskanzlei mit: „Die Entscheidung musste nicht juristisch geprüft werden, da die Übertragung der Funktion eines Staatssekretärs im Angestelltenverhältnis keine Besonderheit darstellt.“
Verwaltungsrechtler Herrmann sieht aber auch ein Probleme für die Qualität der Regierungsarbeit. Staatssekretäre könnten „mehrere Regierungen begleiten und für Kontinuität in der Hausleitung“ sorgen. „Sie heißen nicht umsonst Staatssekretäre und eben nicht Ministersekretäre, weil sie die Pflicht haben, das Recht einzuhalten und dem Staat dienen – und nicht dem Minister die Stange zu halten.“
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: