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Brandenburg: Verfassungsschutz schwärzt Bericht

Einigung vor Gericht mit angeblich linksextremen Neuruppiner Club

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Potsdam/Neuruppin - Der brandenburgische Verfassungsschutz will den alternativen Jugendclub „Mittendrin“ in Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin) aus dem Verfassungsschutzbericht streichen. Es geht um nicht einmal zwei Seiten. Der Verein, der Träger der freien Jugendhilfe ist, habe zugesagt, künftig bei der Zusammenarbeit mit Personen und Gruppierungen „sorgfältig darauf zu achten, ob dadurch Aktivitäten oder Bestrebungen unterstützt werden, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind“. Das teilte das Innenministerium am Donnerstag mit. Der Verfassungsschutz habe sich bereit erklärt, „im aktuellen Verfassungsschutzbericht entsprechende Stellen mit Bezug zu dem Verein unkenntlich zu machen“. Die Auseinandersetzung darüber vor dem Verwaltungsgericht Potsdam sei „im beiderseitigen Einvernehmen gütlich beigelegt“.

Im Verfassungsschutzbericht 2010 wird der Jugendclub als Beispiel für „linksextremistische Aktivitäten in Jugendtreffs und Vereinen“ genannt. Als Anhaltspunkte werden etwa Verlinkungen auf der Homepage des Vereins sowie ein Konzert der Hausband „Krachakne“ genannt, gegen die selbst ermittelt wird und die in einem Lied mit dem Titel „Schieß doch, Bulle“ zu Gewalt gegen Polizisten aufgerufen habe. Staatsanwaltschaft und Sicherheitsbehörden in Brandenburg rechnen verstärkt Hassmusik nicht mehr nur Neonazis zu und eröffnen Verfahren gegen linke Bands. Im Juni wurde auf Initiative des Landeskriminalamtes eine CD der Punk-Band „Slime“ auf den Index gesetzt, weil diese Polizisten als „Bullenschweine“ beleidige und zu Gewalt aufrufe.

Der Verfassungsschutz führte daneben auf den nun geschwärzten Seiten seines Berichts zum Neuruppiner Jugendclub Links auf der Homepage im Zusammenhang mit dem Nato-Gipfel und dem Wohnprojekt „Horte“ in Strausberg (Märkisch-Oderland) an. Dabei ging es um Organisationshinweise und Mobilisierungsaufrufe „auch militanter NATO-Gegner“. Ebenso seien dort Straftaten aufgelistet worden, „die gegen verschiedene Einrichtungen“, etwa Brandanschläge gegen den Postdienstleister DHL, verübt worden waren und die „als Teil des legitimen Protests gegen Bundeswehr und NATO“ gesehen würden. „Der antifaschistische Kampf nimmt eine wichtige Sonderrolle im Linksextremismus ein“, heißt es im Verfassungsschutzbericht. Über Mitarbeit in Bündnissen und Projekten solle Akzeptanz im zivilgesellschaftlichen Umfeld hergestellt und finanzielle Unterstützung „seitens des ansonsten bekämpften Repressionssystems“ gesichert werden. Über das Engagement „gegen Rechts“ in „autonomen“ oder „sozialen Zentren“ wie dem „Mittendrin“ oder der „Horte“ in Strausberg würden Linksextremisten versuchen, junge Menschen für ihre Positionen und „Militanz“ zu gewinnen. Dazu gehöre, die Polizei und den angeblichen repressiven Staat als Feind zu bekämpfen, der nicht „gegen Rechts“ handle. Dies sei eine besondere Gefahr.

Tatsächlich sind derlei Jugendzentren jene Orte, die in den 1990er Jahren auf die Gefahren durch den Rechtsextremismus und brutale Überfälle von Neonazis aufmerksam gemacht hatten. Brandenburgs Landesregierung hatte erst Ende der 1990er Jahre mit neuen Konzepten und härterem Vorgehen der Sicherheitsbehörden darauf reagiert.Alexander Fröhlich

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