Von Johann Legner, Thorsten Metzner und Peter Tiede: Versöhnung abgesagt
Platzeck wollte einen neuen Umgang mit den Linken. Doch die Reihen seiner Unterstützer bei der SPD haben sich gelichtet
Stand:
Potsdam - Die Versöhnung muss nun ausfallen. Angesichts der vielen neuen Stasifälle bei ihrem neuen Bündnispartner sieht sich die SPD außer Stande, das von ihrem Landeschef ausgerufene Motto – Versöhnung mit Ex-SED-Kadern – beizubehalten. Nach außen gab sich die Parteispitze auch am Montag zwar noch gelassen. Doch intern ist man schockiert angesichts der neuesten Meldungen. Intern steht nun fest: Die ursprüngliche Strategie, das Thema „Versöhnung“, das Regierungschef Matthias Platzeck erst Anfang November im Nachrichtenmagazin Der Spiegel auf die Tagesordnung brachte (siehe Kasten rechts), offensiv zum Markenzeichen der Partei werden zu lassen und so im Osten zu punkten und gegen die Linke bestehen zu können, soll jetzt fallen gelassen werden. „Das ist nicht mehr vermittelbar – wer will sich schon mit Lügnern und Vertuschern versöhnen“, sagte ein Landesvorstandsmitglied am Montag: „Die Linke zieht uns in den Sumpf.“ Entsprechend werde der in Kürze stattfindende Parteitag des Landesverbandes auch neu ausgerichtet, hieß es aus der Umgebung von SPD-Generalsekretär Klaus Ness. Man werde den Parteitag auf das Nötigste, die Wahlen der Parteiposten, beschränken.
Ansonsten wurde gestern nach außen die Parole ausgegeben, dass die laufenden Enthüllungen über die versteckten Stasi-Spitzel in der Linke-Fraktion nicht den Bestand der Koalition gefährden können. Entsprechend war gestern auch der Internetauftritt der Landes-SPD: Dort widmete man sich der CDU, die in Teltow-Fläming der Linken angeboten habe, eine der ihren zur Landrätin zu wählen (siehe Beitrag unten). Von den Enthüllungen über den Koaltionspartner kein Wort.
Auch das Verbleiben von seit gestern Ex-Vize-Landtagspräsidentin Gerlinde Stobrawa in der Linke-Fraktion soll von Seiten der SPD nicht kritisiert werden, da bei ihr trotz der Berichte ihrer Spitzelopfer noch nicht einwandfrei feststehe, dass sie tatsächlich der Stasi zugearbeitet habe. Aus der Landtagsfraktion der SPD hieß es dazu allerdings am Montag, die Parteispitze stehe damit allein. Im Fall Stobrawa habe kaum noch jemand Zweifel an deren Spitzeltätigkeit. Öffentlich äußern mag sich aus der SPD derzeit niemand. Nur die Partei- und Fraktionsführung verschickte gestern eine schriftliche Erklärung. Heute Vormittag kommt die Landtagsfraktion zu ihrer planmäßigen Sitzung zusammen. Ob Partei- und Regierungschef Platzeck kommt, war gestern noch unklar. Ein Fraktionsmitglied zu den PNN: „Wenn der kneift, ist das Maß voll: Das lassen auch wir uns dann nicht mehr bieten.“
Andere haben schon jetzt genug: Der Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, hat sich nach den jüngsten Stasi-Verstrickungen für ein Ende der rot-roten Koalition ausgesprochen. Die SPD sollte die Zusammenarbeit mit der Linken beenden, heißt es in einer Mitteilung des Direktors vom Montag in Potsdam. „Es wird Zeit, dass die SPD diesem Trauerspiel in immer neuen Akten ein Ende setzt. Die Linke in Brandenburg ist als Regierungspartner ungeeignet, weil sie sich niemals von ihren Stasi-Kadern getrennt hat“, meinte Knabe.
Die Opposition im Landtag einigte sich am Montagnachmittag darauf, den Landtag zu einer Sondersitzung zusammenzutrommeln und Platzeck zu einer Regierungserklärung zum Zustand seiner rot-roten Koaltion und die Auswirkungen der immer neuen Stasi-Enthüllungen zu zwingen. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel attestierte Platzeck: „Es wird derzeit nicht mehr regiert.“ CDU-Fraktionschefin Wanka: „Das Land steht am Abgrund und Platzeck tut nichts.“ FDP-Fraktionschef Hans-Peter Goetz: „Die Linksfraktion hat ihre Wähler betrogen.“
Für Grünen-Chef Vogel ist angesicht der Masse an Stasi-belastetem Linke-Personal das Maß des Erträglichen voll: „In der gesamten DDR war nichteinmal ein Prozent der Bevölkerung IM der Stasi – in der Linke-Fraktion sind es jetzt sechs von 26 – also fast ein Viertel der Fraktion!“ Wanka sagte: „Da kann einem fast nur noch schlecht werden.“
Am Nachmittag schaltete sich dann noch der frühere Landesvorsitzende, jetzige Bundesvorsitzende der Linkspartei, Lothar Bisky in die Debatte ein und erklärte, man habe beim Thema Stasi „in Brandenburg zu Beginn der neunziger Jahre einen transparenten Umgang gehabt“. Günter Nooke, heute Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung und CDU-Mitglied, im ersten Landtag Fraktionschef von Bündnis90, erinnert sich anders. Über die Verdachtsfälle, zu denen schon 1991 auch Gerlinde Stobrawa gehörte, sei nie wirklich debattiert worden und im Zuge der Kontroverse um Regierungs- und SPD-Chef Manfred Stolpe, alias IM „Sekretär“, seien dann auch die damaligen offenen Fragen in den Hintergrund gerückt. Nooke war damals der Fraktionschef von Matthias Platzeck. „Der hat damals diese Debatten sehr genau mitverfolgt“, sagte Nooke gestern den PNN. Bei der Wahl von Stobrawa zur Parlamentsvizepräsidentin seien dem heutigen Regierungschef aber dann offenbar die seit 18 Jahren unbeantworteten Fragen in dem Fall nicht mehr präsent gewesen.
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