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Brandenburg: Vertrauliche Spurensicherung
In Brandenburg können sich Vergewaltigungsopfer künftig auch direkt an ein Krankenhaus wenden
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Potsdam - Oft bleiben sie mit ihren seelischen und körperlichen Schmerzen allein, scheuen vor lauter Schamgefühl den Gang zur Polizei. Künftig aber bietet sich Opfern einer Vergewaltigung in Brandenburg eine andere, vielleicht leichter zugängliche Alternative: An einigen Brandenburger Krankenhäusern können sie demnächst auf spezielle Hilfsangebote zurückgreifen. An mehreren Kliniken im Land sind dafür Anlaufstellen für medizinische Soforthilfe und vertrauliche Spurensicherung geschaffen worden. Betroffene würden unter starkem psychischen Druck stehen und sich deshalb oft vor Anzeigen scheuen, betont Brandenburgs Sozialministerin Diana Golze (Linke). Diese Angst könne ihnen durch das Programm mit dem Titel „Vergewaltigt – was nun?“ genommen werden.
Opfer könnten sich nun in absolut vertraulicher Atmosphäre an die großen Kliniken in Cottbus, Frankfurt (Oder), Neuruppin und Potsdam wenden und sich dort behandeln lassen. Sie müssten sich nicht groß erklären, sondern in den Notaufnahmen nur den Schlüsselsatz „Ich brauche dringend ein Gespräch mit einer Gynäkologin (Frau) oder mit einem Urologen (Mann)“ sagen.
Beweismaterial, das sonst verloren ginge, werde gerichtsverwertbar und absolut vertraulich gesichert. „Die Polizei erfährt davon erst, wenn sich das Opfer dazu entscheidet, den Täter anzuzeigen. Sie bekommen dadurch ein Stück der Entscheidungsgewalt zurück, die ihnen durch die abscheuliche Tat genommen wurde“, erklärt Golze.
Bislang würden nur acht Prozent sexuell misshandelter Frauen die Taten auch anzeigen, sagt die Psychologin Rosmarie Priet von der Opferhilfe Brandenburg. Die Einrichtung mit Sitz in Potsdam bietet Beratungen für Opfer von akuter körperlicher, häuslicher oder sexualisierter Gewalt an. Die Gespräche finden in allen Sprachen, notfalls mit Dolmetscher, statt, sind kostenlos, streng vertraulich und auf Wunsch anonym.
Die Schwelle, sich bei der Polizei erklären zu müssen, sei hoch, sagt Priet. Wenn Opfer sich in einem sehr frühen Stadium in vertrauensvoller Umgebung untersuchen ließen, würde ihnen dies für einen späteren Prozess mehr Sicherheit geben. „Denn sie wissen, die Spuren sind gesichert und können in einem Gerichtsverfahren verwendet werden. Das gibt ihnen die Gewissheit, dass der Täter auch bestraft wird“, betonte Opferhilfe-Psychologin Priet.
Fast alle Bundesländer haben mittlerweile ein vergleichbares Angebot oder sind dabei, es aufzubauen. In Hessen zum Beispiel gibt es nach Golzes Angaben sieben Krankenhäuser. Dagegen verfügt Berlin nicht über ein solches System. Erfahrungen anderer Bundesländer zeigen nach Ministeriumsangaben, dass 20 bis 50 Prozent des gesicherten Spurenmaterials später für eine Anzeige abgefordert werden.
Laut Kriminalstatistik sind 2011 und 2012 landesweit jeweils mehr als 1350 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung registriert worden. Die Dunkelziffer ist laut Ministerium aber viel höher.
Nach Angaben der Frauenorganisation „Terre des Femmes“ haben 13 Prozent der in Deutschland lebenden Frauen seit dem 16. Lebensjahr strafrechtliche Formen sexueller Gewalt erlebt. (mit mat)
Georg-Stefan Russew
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