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Brandenburg: Virtuell regierte Welt

Behörden verlegen ihre Amtszimmer zunehmend ins Internet. Das nennt man E-Government. In Berlin gibt es besonders viele Firmen, die davon profitieren – sie entwickeln die Software

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Berlin - Der Kronprinz von Abu Dhabi hatte da so eine Idee: Unternehmer aus aller Welt sollten sich in seinem arabischen Emirat ansiedeln können, ohne ihren heimischen Computerarbeitsplatz verlassen zu müssen. Verwirklicht hat den Gedanken die Berliner Internetagentur Init. Sie hat einen virtuellen Wegweiser für Investoren am Persischen Golf entwickelt. Gründer können hier für ihr Geschäft passende Standorte und Rechtsformen finden.

Init ist eine der Firmen in der Stadt, die sich auf E-Government spezialisiert hat. Das heißt: Sie will Bürger und Verwaltung über das Internet zusammenbringen. Im Zeitalter des weltweiten Netzes können sowohl die Kunden als auch die Firmen für eine Digitalisierung der Verwaltung theoretisch überall auf der Welt sitzen. Dennoch hat Berlin als Standort entscheidende Vorteile. Wenn es um Informationstechnologien geht, werde die Hauptstadtregion oft unterschätzt, meint der Gründer von Init, Dirk Stocksmeier. „Dabei ist Berlin zusammen mit Brandenburg die zweitwichtigste IT-Region Deutschlands.“ Es gebe fast 4000 IT-Unternehmen und zahlreiche Forschungseinrichtungen, mit denen man gemeinsam Lösungen entwickeln könne.

1999 gestaltete Init den Internetauftritt des Bundespresseamtes, heute gehören 10 der 18 obersten Bundesbehörden zu den Kunden der Agentur. „Die Fachreferate in den Ministerien machen die Gesetze, sind aber nicht darauf spezialisiert, über das Internet die Bürger zu informieren“, sagt Stocksmeier. Die Koalitionspartner waren noch uneins darüber, wie lange das Elterngeld gezahlt werden soll, da entwickelte Init für das Bundesfamilienministerium schon den Elterngeldrechner: Werdende Eltern können im Internet ermitteln, wie viel Geld ihnen zusteht.

Auf dem regionalen Fachportal Amt24.de finden sich mehr als 60 Dienstleister, die sich auf E-Government spezialisiert haben. Der Softwareverband für Berlin und Brandenburg (SIBB) schätzt, dass in der Region rund zehn Prozent des Umsatzes im IT-Bereich mit öffentlichen Aufträgen gemacht werden. Auch die Entwicklung von Softwareprogrammen, um die Verwaltung effizienter zu machen, gehört zum E-Government. Zum Beispiel ist Berlin eine von vier Modellregionen in Deutschland, in denen im Laufe des kommenden Jahres die zentrale Behördenrufnummer 115 eingeführt werden soll. Zusammen mit Berliner Unternehmen arbeitet das Berliner IT Dienstleistungszentrum (ITDZ) an der Datenbank für die Mitarbeiter der Telefonzentrale. Von der Müllabfuhr bis zur Kfz-Anmeldung soll sich damit für möglichst alle Fragen die passende Antwort finden.

„Berlin ist vor allem dann als Standort ideal, wenn bei Projekten Bund, Land und Kommune einbezogen werden müssen“, sagt Ortwin Wohlrab, Geschäftsführer des Softwareberaters Eitco. Ein solches Projekt sei zum Beispiel die Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie, die alle EU-Länder bis 2009 vollziehen müssen. „Ein Barbier aus Sevilla muss dann auch hier in Berlin ein Friseurgewerbe beantragen können, und zwar auf elektronischem Wege“, sagt Wohlrab. Bei der Anmeldung eines Gewerbes dürfen Bund, Land und Kommune mitreden, in Berlin finden sich alle drei Verwaltungsebenen an einem Ort. Eitco bemüht sich derzeit darum, an der Umsetzung beteiligt zu werden. In den nächsten fünf Jahren will Geschäftsführer Wohlrab den Umsatz von derzeit sechs auf 20 bis 25 Millionen pro Jahr steigern.

Bisher kann sich allerdings weder der Investor in Abu Dhabi noch der Friseur aus Spanien den Behördengang gänzlich sparen, denn nur mit Unterschrift und Ausweis kann er seine Identität nachweisen. Doch Stephan Hauber, Geschäftsführer des Softwareanbieters HSH, ist zuversichtlich, dass sich auch das bald ändern wird. Die Lösung heißt „digitale Signatur“. Haubers Firma hat für Einwohnermeldeämter von Nürnberg bis Berlin die interne Software entwickelt. Neuerdings bauen seine Programmierer einen „zweiten Eingang“ in das Meldeprogramm ein. Wenn 2009 der digitale Personalausweis kommt, so Haubers Hoffnung, wird man sich nach einem Umzug mithilfe eines persönlichen Strichcodes vom heimischen Computer aus ummelden können: Die digitale Signatur wird eingescannt, mit einer Pin bestätigt und das Anmeldeformular online ausgefüllt.

„Wenn in Zukunft Anträge auch online gestellt werden können, dann dürfen nicht die alten schlechten Formulare übernommen werden“, sagt Peter Scholz. Der Berliner Designer gestaltet Formulare, Anträge und Fragebögen. Neulich war es mal wieder so weit, lange suchte er auf einem Behördenformular das Unterschriftsfeld. „Ganz klein, ganz rechts unten fand ich es schließlich.“ Bisher gehören nur Wirtschaftsunternehmen zu seinen Kunden, die Senatsverwaltung habe er aber schon angesprochen.

Ute Zauft

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