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Energiestrategie: Vogel: Christoffers spielt „die chinesische Karte“
Brandenburg kann seine Klimaziele nicht einhalten. Der Wirtschaftsminister will deshalb einem Rechentrick die CO2-Bilanz schönen.
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Potsdam - In der rot-roten Regierungskoalition, besonders bei der Linksfraktion sorgte die Nachricht am Dienstag für Unruhe: Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) will – wie PNN berichteten – in der Neuauflage der Energiestrategie von den bisherigen Klimazielen seines CDU-Vorgängers Ulrich Junghanns abrücken. Nun sucht die Linke, die sich vor der Landtagswahl 2009 noch gegen neue Braunkohletagebaue ausgesprochen hatte, nach einer Strategie, um das Abrücken von den Einsparzielen beim Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxid (CO2) zu rechtfertigen – mit einem Rechentrick. Christoffers und Linke-Wirtschaftsexperte Thomas Domres haben intern als Linie ausgegeben, dass Brandenburg Strom exportiere, weshalb das dafür ausgestoßene CO2 nicht Brandenburg, aber der Klimabilanz der Importländer zuzurechnen sei, also dort wo der Strom verbraucht wird – Berlin, Südwestdeutschland, Polen und Tschechien. „Wir brauchen eine ehrliche Debatte, wie wir mit der CO2-Bilanz umgehen in Ländern die Storm aus Lausitzer Braunkohle importieren“, sagte Domres.
Grüne-Fraktionschef Axel Vogel warf Christoffers vor, die „chinesische Karte zu spielen“. Auch China lehne CO2-Einsparungen mit dem Argument ab, wer chinesische Produkte kaufe, müsse die für deren Fertigung anfallenden CO2-Mengen selbst einsparen. „Christoffers legt genau dasselbe nahe“, sagte Vogel.
Wie berichtet, will der Wirtschaftsminister in seiner Energiestrategie, die zum Jahresende vorliegen soll, die bisherige feste Zielmarke für einen reduzierten CO2-Ausstoß im Jahr 2030 streichen und stattdessen einen Zielkorridor festlegen. Denn von den Fachleuten glaubt niemand mehr, dass die noch unter Junghanns festgeschriebene Reduzierung des CO2-Ausstoßes überhaupt zu erreichen ist. Die alte Energiestrategie 2020 der rot-schwarzen Landesregierung sieht eine Senkung gegenüber 1990 um 40 Prozent bis zum Jahr 2020 und um weitere 35 Prozent bis zum Jahr 2030 vor. Der CO2-Ausstoß Brandenburgs müsste dafür auf 54,6 Millionen Tonnen im Jahr 2020 und 22,8 Millionen Tonnen im Jahr 2030 begrenzt werden. Selbst das ist auch ohnen einen möglichen und ab 2025 aus Altersgründen nötigen Neubau des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde des Energiekonzerns Vattenfall nicht haltbar – auch wegen des Baus von Gaskraftwerken, die klimafreundlicher sind und die Braunkohlekraftwerke ablösen könnten. Ohne einen Neubau in Jänschwalde würde Brandenburg bis 2030 zumindest den CO2-Ausstoß um weitere 27 Prozent senken, was der ursprünglichen Marke von 35 Prozent zumindest nahe kommt.
Lob bekam Christoffers ausgerechnet von der CDU-Fraktion. Deren Energieexperte Steeven Bretz sagt: „Es ist richtig, die Klimaschutzziele an die Realitäten in Brandenburg anzupassen.“ Die Kehrtwende von Rot-Rot zeige aber, „wie die Linke zwischen Utopievorstellungen und Realitätszwängen hin und her gerissen ist“. Es fehle eine Energie- und Umweltpolitik aus einem Guss.
Grüne-Umweltexperte Michael Jungclaus dagegen forderte Christoffers auf, an den alten Klimaschutzzielen seines CDU-Vorgängers Junghanns festzuhalten. Die rot-rote Landesregierung dürfe das Scheitern des CCS-Gesetzes zur Abscheidung und unterirdischen Speicherung von CO2 nicht als Vorwand für eine Aufweichung der Klimaschutzziele missbrauchen. Nötig sei ein zügiger Ausstieg aus der Braunkohleverstromung. Die Energiepolitik müsste den Klimaschutzzielen angepasst werden „und nicht anders herum“. Der Umweltverband BUND forderte, das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde bis 2020 abzuschalten. Ansonsten seien die Klimaschutzziele nicht zu erreichen, sagte Landesgeschäftsführer Axel Kruschat. Davon abzuweichen „wäre eine komplette Blamage“ für Rot-Rot. Bei einem Verzicht auf das Kraftwerk Jänschwalde könne der Treibhausgasausstoß um etwa 25 Millionen Tonnen pro Jahr gesenkt werden.
Auch Umweltschützer, führende Kirchenvertreter, Landwirte, Landes- und Bundespolitiker erhöhen den Druck auf das Land zum Ausstieg aus der Braunkohleverstromung. Am Reformationstag am kommenden Montag soll in dem von der Abbaggerung bedrohten Atterwasch bei Guben das Bündnis „Heimat und Zukunft“ gegründet werden, teilte der Bauernbund mit. Die „einseitige Fixierung auf Braunkohle“ habe Brandenburgs Energiepolitik in eine Sackgasse geführt. „Wir nehmen den Schwung der Anti-CCS-Bewegung mit an die Tagebaukante“, hieß es. Alexander Fröhlich
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