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Rückkehrer. Wölfe breiten sich wieder in Brandenburg aus.

© Patrick Pleul/dpa

Brandenburg: Vogelsänger will Schutz des Wolfes lockern

Landwirte und Schäfer klagen über gerissene Tiere. Naturschutzverbände wollen weniger Bürokratie

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Potsdam - Im Brandenburgischen geht der Wolf um. Seit Jahren schon, sogar vor den Toren Berlins wurde er gesichtet. Nun eskaliert der Streit, wie mit dem Raubtieren umzugehen ist, wie wild die Mark sein soll. Landwirte und Schäfer klagen über gerissene Jungtiere. Gregor Beyer, Geschäftsführer beim „Forum Natur“, ein Lobbyverband von Bauern und Jägern, bekommt deshalb jeden Tag mindestens einen Anruf aus den Weiten des Landes – wieder ein Tier vom Wolf getötet. Zum Jahreswechsel streifte ein Wolf durch das havelländische Rathenow, durch Vorgärten in der Nähe einer Grundschule. Im Wildpark Johannesmühle in Baruth (Teltow-Fläming) holten sich die Wölfe einen Damhirsch. Und nicht nur dort. Und dann gibt es diese Fotos: nur paar Knochen und Fellfetzen, oder ausgeweidete Lämmer.

Reinhard Jung vom Bauernbund Brandenburg warnt vor einem „absehbaren ökonomischen Niedergang der Weidetierhaltung in Brandenburg“. Schuld tragen für ihn diejenigen, „die mit blindem Eifer die Ausbreitung eines gefährlichen Raubtiers in unserer Kulturlandschaft betreiben“. Tatsächlich ist die Zahl der Wölfe in Brandenburg binnen zehn Jahren rasant gestiegen. Die Weite von ehemaligen Truppenübungsplätzen und märkischem Forst bietet genug Raum. Erstmals seit der Ausrottung im 19. Jahrhundert siedelte sich ein Wolfspaar 2007 im Südosten das Landes an. 2009 wuchsen zum ersten Mal seit mehr als einem Jahrhundert wieder Wolfswelpen in Brandenburg auf. Inzwischen gibt es im Land 21 Rudel mit etwa 200 Tieren. Das ist fast die Hälfte des gesamten Bestandes deutschlandweit.

Den Landwirten wird das zu viel. Am Freitagabend sollte auf neun Höfen im Land Wolfswache gehalten werden. Mit der Fackel in der Hand werde er die ganze Nacht über um die Koppel ziehen, sagte Lobbyist Beyer. Wobei es mehr Demonstration als Wache ist. Die Verbandschefs der Schäfer, Bauern und Jäger kommen. Auch Umwelt- und Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) hat sich angekündigt. Er beklagt, „dass noch nicht bei allen angekommen ist, dass sich die Situation immer weiter zuspitzt und die Kosten für Prävention und Entschädigung aus dem Ruder zu laufen drohen“. Der Minister will nun den Schutzstatus für den Wolf aufweichen und hat einen entsprechenden Antrag in die Agrarministerkonferenz eingebracht. Bislang ist das Tier nach EU-Recht streng geschützt, allerdings unter der Annahme, dass ihre Zahl nicht ausreichend für den Erhalt ist. Vogelsänger findet die Annahmen veraltet. Sie stamme aus einer Zeit, „als es westlich von Oder und Neiße keinen heimischen Wolf gab“.

Die Naturschutzverbände Nabu und Bund werfen Vogelsänger Populismus vor. Sie protestierten am Freitag vor dem Landtag in Potsdam. Die Förderprogramme für Schutzzäune und Herdenschutzhunde seien zu bürokratisch, die Bearbeitung der Entschädigungsanträge dauere mehr als ein Jahr. Zahlreiche Weiden seien noch immer nicht ausreichend geschützt. Erst 45 000 Euro seien für Schadensausgleiche und 211 000 Euro für Präventionsmaßnahmen ausgegeben worden. Und für Problemwölfe hätte das Land längst eine Abschussverordnung erlassen können. Ohnehin sei die Zahl der gerissenen Tiere im Vergleich zu natürlich sterbenden Weidetieren verschwindend gering. Im Hintergrund geht es bei dem Streit um die Zukunft des seit 2012 bestehenden Managementplans zum Wolf. Damals wurde ganz Brandenburg als Wolfserwartungsland eingestuft.

Gregor Beyer hält dagegen. Die Erwartung sei längst erfüllt, die Zahl der Wölfe dürfe nicht weiter steigen. Wer Akzeptanz auf dem Land für den Wolf will, müsse jetzt einschreiten. „Wir leben in einer Kulturlandschaft, nicht in der Wildnis“, sagt Beyer. In Finnland, elfmal größer als Brandenburg, lebten ebenfalls 200 Wölfe. „Doch dort gibt es ein Management der Population. 2016 wurde die Tötung von 37 Wölfen erlaubt.“ Alexander Fröhlich

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