
© Ingo Wagner/dpa
Brandenburg: Volksentscheid abgewendet
Mit einem Kompromiss zur Massentierhaltung sollen Bauern zu Zugeständnissen bewegt werden
Stand:
Potsdam - Brandenburgs rot-rote Koalition und die Initiatoren des Volksbegehrens gegen Massentierhaltung haben einen Kompromiss ausgehandelt. Damit kann ein Volksentscheid, der für Anfang Juli vor den Sommerferien vorgesehen war, abgewendet werden. Nach wochenlangen zähen Verhandlungen, bei denen vor allem die SPD auf die Bremse trat und Störfeuer aus der Staatskanzlei von Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) kamen, verkündeten Vertreter der Koalitionsfraktionen von SPD und Linke sowie der Initiativen gegen Megaställe am Dienstagmittag ihren Kompromissvorschlag.
Das Klagerecht für Umweltverbände beim Neubau von Megaställen – eigentliche eine Kernforderung des Volksbegehrens – ist zunächst vom Tisch. Stattdessen ist neben wenigen Festlegungen zu Verbesserungen des Tierwohls und Umweltstandards vor allem ein weiteres Dialogverfahren verabredet worden. Im Zuge dessen wollen die Gegner der Massentierhaltung vor allem die Landwirte und Bauern zu Zugeständnissen bewegen und Überzeugungsarbeit leisten.
Komplett zufrieden sind alle Seiten mit dem Kompromiss nicht. Die Koalitionsfraktionen haben aber schon zugestimmt: Bei der SPD gab es nur drei Enthaltungen, wobei auch der Agrarminister den Kompromiss abnickte. Die Linke steht geschlossen hinter dem Vorschlag. Bei den Initiatoren des Volksbegehrens herrscht noch Skepsis. Denn mit dem Kompromiss, der am 19. April im Landtag beschlossen werden soll – wenn die Initiatoren nicht widersprechen – wird es keinen Volksentscheid geben. Auch wenn sie in dem weiteren Verfahren etwa beim Tierschutzplan unzufrieden mit der Umsetzung sind, können sie nicht mehr zurück zum Volksentscheid, sondern müssten im Zweifelsfall ganz von vorn mit einer Volksinitiative starten. Axel Kruschat, Landesgeschäftsführer des Umweltverbandes BUND, sagte: „Wenn es nicht klappt, stehen wir 2017 wieder auf der Straße.“
Zudem gibt es bei den Gegnern der Massentierhaltung nicht wenige, die davor warnen, dass insbesondere die Bauernlobby und die SPD in den Verhandlungen über die weitere Ausgestaltung auf die Bremse treten oder die Gespräche ins Leere laufen lassen. Andererseits hieß es, die eigentliche inhaltliche Arbeit für mehr Tierwohl beginne jetzt erst.
Michael Wimmer vom Bündnis Agrarwende sagte, Rot-Rot genieße nun einen Vertrauensvorschuss. SPD-Fraktionschef Mike Bischoff erklärte, das Kompromisspapier sei so konkret wie möglich formuliert worden. Damit sei klar, „dass es abrechenbare Ergebnisse geben muss“. Linke-Fraktionschef Ralf Christoffers fand, wenn sich alle Seiten nicht einig geworden wären, hätte dies den Konflikt weiter verschärft, hin zu einem Klima, „in dem alle verloren hätten“. Laut Wimmer sei in einer Pendeldiplomatie auch ein von der CDU vorgelegter Kompromissvorschlag in das Papier eingeflossen.
SPD-Fraktionschef Bischoff nannte den Kompromiss einen Brückenschlag. Invesititionen in die Tierhaltung würden nicht verhindert, aber mit dem Tierschutzplan ein breiter gesellschaftliche Konsens bei der Tierhaltung angestrebt. Wimmer sagte, der Kompromiss sei ein kleiner Durchbruch für einen nachhaltigen Kurswechsel in der Agrarpolitik. Der Verzicht auf das Verbandsklagerecht sei eine „bittere Pille“. Allerdings werde die Zeit für ein Verbandsklagerecht als „verfassungsgemäß geregeltes Grundrecht“ kommen, man werde das Thema weiter vorantreiben. Man habe sich jetzt aber nicht verkämpfen wollen. Den nun kommenden, langen Dialog habe man einer kurzen Kampagne für einen Volksentscheid vorgezogen. Auch das Kupierverbot sei ein indirekter Hebel gegen Megaställe – die seien mit einen Verbot kaum mehr möglich. Bis 2017 sollen deshalb alle Instrumente für mehr Tierwohl definiert sein und 2019 greifen. Neue Demonstrationsbetriebe sollen zeigen, was der „Berufsstand jetzt tun muss, um die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte aufzuholen“. Man wolle aber den Bauern und der Forschung Zeit geben. „2019 ist Deadline“, sagte Wimmer. Die Gesellschaft wolle eine andere Nutztierhaltung, wer nicht akzeptiere, dass es nicht mehr so weiter geht, „hat den Schuss nicht gehört“. Nötig sei ein Paradigmenwechsel, mit dem Tierwohl nicht mehr ein Störfaktor sei, sondern für Qualitätsführerschaft stehe. „Der Berufsstand hat jetzt die Chance, sein Haupt zu erheben und seinen Stolz zurückzugewinnen.“
Ob das mit dem breiten Dialog mit den Bauern über neue Grundsätze klappt, ist jedoch mehr als fraglich. Heike Terno, Vize-Präsident des Landesbauernverbands, ätzte zunächst bei Facebook: SPD und Linke hätten das Ende der Tierhaltung in Brandenburg beschlossen. Wie beim Schach hätte die Koalition die Bauern geopfert, „um die Lügner und Betrüger vom Volksbegehren“ ruhig zu stellen. „Jetzt wird es uns in Brandenburg so gehen, wie unseren Landespolitikern, wir werden keine Eier mehr haben.“ Später löschte Terno den Eintrag aber wieder.
Offiziell sprach der Bauernverband von einem faulen Kompromiss, der die Entwicklung der Landwirtschaft, Modernisierung und Investitionen ins Tierwohl blockiere. Zu befürchten sei ein dauerhafter und massiver Imageschaden. Besser wäre ein Volksentscheid gewesen. Der kleinere Bauernbund beklagte, dass der Staat nun den „normalen Bauern künftig noch mehr in die Produktion reinreden kann“.
nbsp;Alexander Fröhlich
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: