Brandenburg: Volles Rohr gegen die Pipeline
Naturschützer und Anwohner protestieren gegen eine geplante Erdgasleitung zur Ostsee
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Groß Köris - „Es ist wunderschön hier – nur schade, dass das jetzt alles durch die Schröder-Putin-Trasse zerstört wird.“ Dieser Satz eines Urlaubers traf Wolfgang Georgsdorf im vergangenen August völlig unvermittelt. Der aus Österreich stammende Künstler war vor einigen Jahren mit Kollegen aus Berlin ins 50 Kilometer südlich gelegene Groß Köris gezogen. Die Künstler hatten ein altes Bahnhofsgebäude ausgebaut. „Der Naturpark Dahme-Heideseen liegt gleich nebenan, man kann hier ungestört arbeiten und ist schnell in Berlin“, schwärmt Georgsdorf.
Doch die Idylle ist ebenso bedroht wie der Tourismus in der Region. Das fürchten jedenfalls die Mitglieder zweier Bürgerinitiativen, die 2007 entstanden sind. Eine davon hat Wolfgang Georgsdorf mitgegründet. Schließlich erfuhr er auf seine erstaunte Frage, was mit der „Schröder- Putin-Trasse“ gemeint sei, dass die Ostseepipeline-Anbindungsleitung, kurz Opal, direkt durch Größ Köris führen soll.
Die Opal soll die Ostseepipeline, über die der russische Gasriese Gasprom und die deutschen Konzerne Eon und BASF sibirisches Gas durch die Ostsee nach Westeuropa pumpen wollen, mit den bestehenden Erdgasleitungen weiter im Süden verbinden. Gebaut werden soll die 480 Kilometer lange Pipeline bis 2011 von der Wingas, einer Tochter von BASF und Gasprom, sowie von der Eon Ruhrgas AG.
Die Groß Köriser waren empört und fürchteten um ihre Sicherheit, weil die Trasse mitten durch den Ort führen soll. Aber nicht nur das. „In einem nahen Waldstück soll auch eine Gasverdichtungsanlage zur Druckregulierung der Leitung entstehen“, sagt Georgsdorf. „Die Behörden und Wingas sprechen immer beschönigend von einer Verdichtungsstation – doch es handelt sich um eine riesige Anlage mit 22 Meter hohen Schornsteinen auf einer Fläche von 13 Fußballfeldern.“
In einem Offenen Brief haben die Groß Köriser kürzlich ihre Ängste formuliert. Die Verdichtungsanlage sei hinsichtlich des zu erwartenden Lärms, der Abgase, und des Betriebsverkehrs ein massiver, bleibender Eingriff in die Lebensbedingungen der hier lebenden Menschen, Pflanzen, Tiere, heißt es darin. Sie zerstöre den Charakter des entstehenden Naherholungs-, Natur- und Fremdenverkehrsgebiets. „Die diesem Ort zugemuteten Belastungen und Entwertungen gehen zu weit!“ appellieren die mehr als 500 Unterzeichner an die Behörden.
Die reagieren bisher zurückhaltend. In einer Antwort auf den Brief wird darauf verwiesen, dass momentan das Raumordnungsverfahren mit integrierter Umweltverträglichkeitsprüfung für Opal laufe. Zuständig dafür sei die Gemeinsame Landesplanungsabteilung der Länder Berlin und Brandenburg. „Dabei prüft man auch die Einwände der Bürger“, sagt der Sprecher des Potsdamer Infrastrukturministeriums, Lothar Wiegand. Klagen könnten diese aber erst beim anschließenden Planfeststellungsverfahren.
Die Mitglieder der Groß Köriser Bürgerinitiativen befürchten, dass dann bereits vollendete Tatsachen geschaffen sind. „Vertreter von Wingas versuchen jetzt schon, Grundstücksbesitzer zum Verkauf zu bewegen, weil sie später angeblich auch enteignet werden könnten“, berichtet Wolfgang Georgsdorf. „Obwohl die Opal noch gar nicht genehmigt ist.“ Wingas-Sprecher Nicholas Neu sagt: „Im Zuge der Planung von Leitungsprojekten sind wegerechtliche Verhandlungen mit Eigentümern selbstverständlich. Es hat hier vereinzelte Vorgespräche gegeben.“
Nicholas Neu zufolge haben Mecklenburg und Sachsen bereits die raumordnerische Zustimmung zu Opal gegeben, in Brandenburg erwarte man die Entscheidung im Frühjahr. Sollte sie positiv ausfallen, dürfte es im anschließenden Planfeststellungsverfahren zu Klagen kommen. „Dabei hätten die Bürger gute Chancen“, sagt der Berliner Wirtschaftsprüfer Wolfgang Janka. „Schließlich gibt es bereits eine genehmigte Leitung, über die das Ostseegas ins westeuropäische Netz abgeführt werden kann. Es ist nicht einzusehen, warum für eine Leitung, die nicht notwendig ist, Naturlandschaften zerstört oder Menschen enteignet werden sollen.“
Tatsächlich hat die Hamburger Firma Concord Power bereits die Genehmigungen für den Bau einer Pipeline namens Nordal erhalten. Die sollte ursprünglich ein Gaskraftwerk in Lubmin an die nächstgelegene Hochdruck-Gasleitung bei Berlin anschließen. „Wir sind der Meinung, dass unsere Leitung für den Abtransport des russischen Gases ausreicht“, sagt Concord-Sprecher Christian Appel. Wingas sieht das natürlich anders – einigen konnten sich die beiden Unternehmen im Vorfeld nicht. Dass wegen des „Monopoly-Spiels“ auf dem Energiemarkt nun Natur und Menschen die Dummen sein sollen, findet Arndt Müller, Referent beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) grotesk: „Dass zwei parallel verlaufende Leitungen durch Naturschutzgebiete genehmigt werden, ist inakzeptabel.“ Auch der BUND kündigt deshalb Klagen gegen Opal an.
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