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Brandenburg: „Völlig überdimensioniert“

Gaskraftswerksgegner in Wustermark legen neue Analyse vor. Christoffers: Projekt ist sehr wichtig

Von Matthias Matern

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Wustermark - Nachdem sich jüngst das Land Brandenburg für das umstrittene Gaskraftwerk in Wustermark (Havelland) ausgesprochen hatte, machten am Donnerstag die Gegner des Projekts nochmals mobil. Ein eigens angeworbener Wissenschaftler hatte im Auftrag der Bürgerinitiative gegen das geplante Gas- und Dampfkraftwerk die Pläne der Anlage analysiert. Gestern wurden die Ergebnisse vorgestellt. Das Projekt sei ein „Bremsklotz für die weitere Entwicklung erneuerbarer Energien und deren Industrie in Brandenburg“, resümierte der Energie- und Umweltexperte Jürgen Rochlitz. Auf Bitten der Bürgerinitiative Wustermark habe er das Vorhaben bewertet und dabei „entscheidende Schwachpunkte“ analysiert.

Jürgen Rochlitz ist Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands der Bürgerinitiativen für Umweltschutz sowie Mitglied der Kommission für Anlagentechnik, die in diesen Fragen auch die Bundesregierung berät. Nach seiner Meinung sei das Kraftwerk „zu groß und unflexibel, zu laut und zu ineffizient“. Zudem sei der Abstand der Anlage zu angrenzenden Siedlungsbereichen zu gering. Die angekündigte Bruttostromerzeugung des Gaswerks von jährlich elf Megawattstunden sei „völlig überdimensioniert“, sagte Rochlitz. Damit könne fast der gesamte Stromverbrauch des Landes von 14 Megawattstunden gedeckt werden. Inzwischen gebe es aber so viele Solaranlagen, dass gar kein Bedarf bestünde.

Ginge das Gaskraftwerk ans Netz, bräuchte das Land außerdem kein einziges Braunkohlekraftwerk mehr, sagte der Experte. Rochlitz monierte zudem eine unzureichende Risiko- und Störfallbewertung der Anlage sowie negative Folgen für benachbarte natürliche Lebensräume. „Größter Knackpunkt“ sei jedoch die geringe Effizienz des 1200-Megawatt-Kraftwerks. Der von den Planern diagnostizierte Netto-Wirkungsgrad von 59 Prozent sei im Vergleich mit anderen Kraftwerken zwar ein Spitzenwert. Allerdings würden in Wustermark allein 800 Megawatt über Ventilatoren „in die Luft geblasen“, kritisierte Rochlitz. „Dass die Landesplanung das Vorhaben trotz dieses Defizits gutheißt, ist ein Trauerspiel.“

Rund 640 Millionen Euro will die Wustermark Energie GKW GmbH & Co.KG nahe des sogenannten B5 Outlet-Centers am Berliner Ring investieren. Eigentümer sind die Schweizer Entwicklungsgesellschaft Advanced Power und die Siemens Project Ventures GmbH. Laut Planung soll 2012 mit dem Bau begonnen werden. 2015 soll die Anlage in Betrieb gehen. Wie berichtet hatte erst kürzlich das brandenburgische Infrastrukturministerium bekanntgegeben, dass das Raumordnungsverfahren für die Anlage abgeschlossen worden sei. Aus Sicht der Gemeinsamen Landesplanung (GL) Berlin-Brandenburg stünde dem Bau nichts im Weg. Die Investoren müssten allerdings Vorsorge gegen mögliche Störfälle treffen, hieß es. Zudem müssten Lebensräume geschützter Tierarten berücksichtigt werden. Die Gegner des Kraftwerks haben bereits Klagen angekündigt. Der Bürgerinitiative gehören eigenen Angaben zufolge mehr als 1500 Mitglieder an. Das Kraftwerk sei nicht vereinbar mit der Energiestrategie der rot-roten Landesregierung, so Sprecherin Michaela Belter.

Brandenburgs Wirtschaftsminister Christoffers (Linke) ist von der Notwendigkeit des Vorhabens jedoch überzeugt. Landesregierung und der Landkreis Havelland erhoffen sich durch das Projekt jedoch jährliche Steuereinnahmen von rund 160 Millionen Euro. „Das Projekt ist sehr wichtig. Damit wären wir technologisch komplett“, sagte der Minister gestern am Rande der Energie-Konferenz 2011 der Industrie- und Handelskammer Potsdam den PNN. Zwar habe der Energieträger Gas in der Energiestrategie 2020 des Landes bisher nur eine eingeschränkte Bedeutung besessen, werde aber in der überarbeiteten Version eine größere Rolle spielen, versicherte Christoffers. P. Könnicke/M. Matern

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