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Brandenburg: Vom Acker gemacht
Hochkonjunktur für Biomärkte, aber die Region liefert zu wenig Ware. Der Öko-Anbau geht leicht zurück
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Berlin/Potsdam - Die Nachfrage boomt – aber das Angebot aus der Region ist viel zu gering: Für Burkhard Paschke, Verkaufsleiter des größten Berliner Bio-Großhändlers „Terra Naturkost“, ist das ein „bedauerliche Missverhältnis“. Es gehört zu seinem Alltag. Gerne würde er viel mehr ökologisch erzeugtes Obst, Gemüse, Fleisch und andere Bioware aus Brandenburg in die Naturkostläden und -Märkte in Berlin und Potsdam bringen, aber nur maximal 60 Prozent des Bedarfs kann er im Umland auftreiben. Zur Zeit hat Paschke auch kaum Hoffnung, dass sich dies rasch ändern wird. Der Öko-Landbau in Brandenburg geht seit 2013 sogar leicht zurück – erstmals seit Mitte der 90er-Jahre.
Obwohl die rot-rote Landesregierung im Koalitionsvertrag das Gegenteil verspricht. Mitte April beschloss das Kabinett zudem, den Anteil des Ökolandbaues an den Agrarflächen auf 20 Prozent zu erhöhen. Das Ziel gehört zu einem Maßnahmenbündel, mit dem der Rückgang von Tier- und Pflanzenarten gestoppt und die biologische Vielfalt gesichert werden soll.
Derzeit beträgt der Flächenanteil der rund 700 märkischen Ökobauern nach Angaben der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Brandenburg 10,5 Prozent. Das sind zwei Prozent weniger als im vergangenen Jahr. Schon 2012 gaben sieben Biobetriebe mehr auf, als hinzukamen. Damit hat Brandenburg seinen zwanzig Jahre lang behaupteten bundesweiten Spitzenplatz in der Öko-Landwirtschaft verloren. Hessen und Saarland haben es knapp überholt, andere Bundesländer setzen nach. Sie lagen bisher bei durchschnittlich fünf bis sechs Prozent Anteil.
Großhändler wie „Terra Naturkost“ müssen folglich verstärkt Bioware aus anderen Gegenden Deutschlands oder sogar aus europäischen Nachbarländern meist über die Autobahn herbeischaffen, was die Ökobilanz dieser Lebensmittel erheblich verschlechtert. Zugleich aber wächst die Nachfrage nach Bio aus der Region derzeit jährlich um bis zu zehn Prozent, allein im Mai und Juni eröffnen zwei neue Biomärkte in Potsdam und Kleinmachnow.
Warum verlieren dennoch die Erzeuger in Brandenburg an Schwung? Wieso stellen immer weniger konventionelle Betriebe auf Ökoanbau und Tierzucht um? Michael Wimmer von der Fördergemeinschaft Ökolandanbau nennt als Hauptgrund, dass sich Bio-Landwirtschaft in der Region heute weniger als bisher rechnet. Schwindende Gewinnaussichten verringerten die Lust, das Risiko einer Umstellung überhaupt zu erwägen. Oder einen Ökobetrieb weiterzuführen. Bislang verdienten konventionelle Landwirte und ihre Öko-Kollegen in Brandenburg etwa gleich viel, 2013 erwirtschafteten die ökologischen Höfe laut Wimmer aber erstmals sechs Prozent weniger Einkommen, während es bei den anderen Agrarbetrieben „finanziell gut aufwärts ging“.
Bei der „Demeter Arbeitsgemeinschaft für biologisch-dynamischen Landbau Berlin-Brandenburg“ führt man dies vor allem auf die „extrem gestiegenen Pacht- und Kaufpreise“ für Acker- und Weideflächen zurück. „Seit 2005 hat sich die Pacht verdoppelt“, sagt Demeter-Landwirt Jürgen Templin vom „Bauerngut“ im Oderbruch. Kartoffeln sowie Getreide für die Märkische Landbrot-Bäckerei liefert er nach Berlin. Doch um ihn herum wächst wie fast überall in Brandenburg immer mehr Mais auf riesigen Monokulturen, mit denen konventionelle Großbetriebe ihr Land versilbern, so dass ihnen die höhere Pacht weniger zusetzt. Mais befeuert Biogas-Anlagen, als sogenannter nachwachsender Rohstoff. Und gemäß dem Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien bekommen Bauern auf diese Weise mindestens ein Drittel mehr Geld in die Kasse als mit der Erzeugung von Lebensmitteln. Also werden Äcker zunehmend umgewidmet, dadurch rar und teurer. Ausreichend gegengesteuert wird noch nicht, obwohl die Monokulturen auch die Vielfalt der natürlichen Lebensräume zerstören. Im Gegenteil. Sogar die bundeseigene Bodenverwertungsgesellschaft BVVG, die auch in Brandenburg große staatseigene Agrarflächen vergibt, profitiert vom Preisanstieg. Sie verlangt bei Neuverträgen den jeweils „aktuellen ortsüblichen Pachtzins“, bestätigt eine BVVG-Sprecherin. Dass auch die Bundesregierung den Ökoanbau voranbringen will und einen Anteil von 20 Prozent anstrebt, bleibt unberücksichtigt.
Um ihre Mehrkosten aufzufangen, brauchen Ökobauern gute Agrarberater, die ihre Arbeit effizienter machen. Und öffentliche Zuschüsse. Die finanzielle Unterstützung für Fachberater wurde in Brandenburg aber schon 2002 für die gesamte Landwirtschaft gestrichen. Und die Förderprämien für Ökoanbau (siehe Kasten) sind in der Mark laut Jakob Ganten vom Demeter-Verband so niedrig wie in keinem anderen Bundesland. „Wir haben das Gefühl, eher geduldet als gewollt zu sein.“
Jens-Uwe Schade vom Potsdamer Agrarministerium kontert entschieden. Die angespannte Haushaltslage erlaube nun mal keine allzu großen Zuschüsse. „Wir werben aber engagiert auf Messen für die Öko-Landwirtschaft.“ Dass diese stagniere, hänge auch „mit der verbesserten Preisentwicklung im konventionellen Landbau“ zusammen. Zum Beispiel für Getreide, dessen Preis sich seit 2003 weltweit mehr als verdoppelt hat. Konventionelle Landwirtschaft, sagt Schade, werde dadurch wieder attraktiver. „Ökoanbau betreiben dann eher nur noch jene, die davon wirklich überzeugt sind.“
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