
© Matthias Matern
Brandenburg: Von Barcelona nach Perleberg
Die IHK Potsdam will junge Spanier für das Gastgewerbe gewinnen. Die Branche leidet an einem Azubi- und Fachkräftemangel
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Potsdam - Noch ist für Inma Cabrera-Montilla alles neu und aufregend. „Gefällt mir wirklich sehr gut hier, vor allem die schöne grüne Landschaft und die sauberen Straßen“, schwärmt die 35-Jährige aus Barcelona. Gerade ist sie zusammen mit 26 anderen jungen Spaniern bei bestem Wetter drei Stunden über die Gewässer rund um Potsdam geschippert, hat die vielen Schlösser und Parks bestaunt und auch einen ihrer künftigen Vorgesetzten kennengelernt. Wie ihre gleichaltrigen Landsleute nimmt auch Cabrera-Montilla am Pilotprojekt „Gewinnung Spanischer Fachkräfte für das Hotel- und Gaststättengewerbe im Kammerbezirk Potsdam“ der Industrie- und Handelskammer Potsdam (IHK) teil. Schon bald beginnt für die junge Catalanin der Dienst: In Perleberg (Prignitz) wird sie zunächst ein Praktikum absolvieren und sich dann zur Köchin oder Restaurantfachfrau ausbilden lassen.
Sollte sich Cabrera-Montilla aus der Millionenmetropole Barcelona tatsächlich in der Kleinstadtkulisse von Perleberg einleben, wäre das für beide Seiten ein Gewinn. Während die Jugendarbeitslosigkeit im wirtschaftlich angeschlagenen Spanien derzeit bei mehr als 50 Prozent liegt, gehen dem brandenburgischen Hotel- und dem Gaststättengewerbe die Fachkräfte aus. Von zuletzt insgesamt rund 700 freien Lehrstellen im Kammerbezirk Potsdam, der im Wesentlichen alle westlich von Berlin gelegenen Landkreise umfasst, stammten alleine 400 aus der Hotellerie und Gaststättenbereich. Die Zahl der unbesetzten Arbeitsplätze landesweit lag im März nach Angaben der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit bei 772. Ein überdurchschnittlicher Wert, heißt es aus der Behörde. Verschärfend kommt hinzu, dass viele Azubis vor dem Ziel das Handtuch werfen. Laut des Bundesinstitutes für Berufsbildung (BIBB) in Bonn brechen allein bei den Köchen mehr als die Hälfte der Lehrlinge ihre Ausbildung vorzeitig ab, bei den Hotelfachleuten sind es immerhin noch mehr als 40 Prozent.
Olaf Lücke, Hauptgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes Brandenburg (Dehoga), sieht den Hauptgrund für den Azubi- und Fachkräftemangel vor allem in den rückläufigen Schulabgängerzahlen. Lücke räumt aber auch ein Imageproblem ein. Schuld sei der gestiegene Stellenwert der Freizeit. „Im Gastgewerbe wird gearbeitet, wenn andere die Füße hochlegen.“ Sprich: auch am Abend und am Wochenende. Jobs im Gastgewerbe seien zwar abwechslungsreich, aber eben auch hart, so Lücke.
Von den Betrieben fordert der Dehoga-Chef, stärker auf Messen für ihren Berufsstand zu werben und enger mit Schulen zu kooperieren. Da sieht Lücke noch Nachholbedarf: „Unsere Unternehmer müssen das erstmal lernen. Sie sind jahrelang von einem Überangebot an Bewerbern verwöhnt worden. Doch die Situation hat sich grundlegend geändert.“
Wolfgang Spieß, Ausbildungsexperte bei der IHK Potsdam, fordert aber auch mehr Engagement der Schulen bei der Berufsorientierung. Beim Thema Berufsorientierung seien einige Schulen sehr bemüht, bei anderen gebe es noch Potenzial. Lediglich 75 von landesweit 330 Schulen in Brandenburg hätten im vergangenen Jahr am Wettbewerb „Schule mit hervorragender Berufs- und Studienorientierung“ der Kammern teilgenommen. „Wir hätten mehr erwartet“, gesteht Spieß.
Cabrera-Montillas künftiger Chef, Christian Langer, Direktor vom Hotel Neuer Hennings Hof in Perleberg, ist zwar selbst noch nicht vom Fachkräftemangel betroffen, spielt den Ball aber trotzdem dem Dehoga zurück. Dass die zahl der Lehrstellenbewerber in den vergangenen zehn Jahren um rund zwei Drittel zurückgegangen ist, sei auch die Schuld des Verbandes. „Schlechte Bezahlung, Nacht- und Wochenendarbeit. Die Branche hat schon seit Anfang der 90er-Jahre ein großes Imageproblem. Damals hätte der Bundesverband bereits entgegenwirken müssen. Es ist aber nichts passiert und dafür bezahlt heute die gesamte Branche“, meint Hotelchef Langer.
Für die junge Spanierin ist erst mal wichtig, überhaupt eine Perspektive zu haben. Einen Job zu finden, sei in ihrer Heimat momentan sehr schwer, sagt sie. „Irgendwann möchte ich schon nach Spanien zurück. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, hier einige Zeit zu Arbeiten.“
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