EIN ZWEITER FALL: Von der Zelle in die Klinik Gericht in Cottbus lehnt nachträgliche Sicherungsverwahrung ab
Sexualstraftäter Uwe K. bleibt vorerst hinter Gittern – diesmal im Maßregelvollzug Bund will Gesetzeslücke bei Sicherungsverwahrung bald schließen
Stand:
Potsdam/Brandenburg/Havel - Kinderschänder Uwe K. bleibt zunächst hinter Gittern. Nachdem ihn das Land Brandenburg am 25. Januar freigelassen hatte, hat ihn die Stadt Brandenburg gestern in den Maßregelvollzug der Landesklinik Brandenburg eingewiesenin. Das teilte Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann (CDU) mit. Der 42-Jährige hatte sich seit seit Freitag wieder in Polizeigewahrsam befunden. Wie Tiemann betonte, hat die Stadt als Ordnungsbehörde die Einweisung zur Gefahrenabwehr angeordnet. Sie sei von der Potsdamer Staatsanwaltschaft am Montagmorgen in einem Fax gebeten worden, „in eigener Zuständigkeit“ die Unterbringung des als gefährlich geltenden Sexualtäters nach dem Psychisch-Kranken-Gesetz zu prüfen.
Damit erreicht das Durcheinander in der Brandenburger Justiz im Fall Uwe K. einen neuen Höhepunkt. Denn die gleiche Potsdamer Staatsanwaltschaft hatte am 22. Januar die vorzeitige Entlassung des Sexualstraftäters beantragt, der zwischen 1992 und 1995 in Falkensee neun Mädchen im Alter von zehn bis 15 Jahren gequält, misshandelt und vergewaltigt hatte und danach eine elfjährige Haftstrafe verbüßt hat. Sie ist auch verantwortlich dafür, dass Justizministerin Beate Blechinger (CDU) und Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg noch am vergangenen Freitag nicht wussten, dass sich Uwe K. bereits seit mehr als einer Woche auf freiem Fuß befand. Dabei hatte Rautenberg Mitte Januar öffentlich selbst vor einer „menschlichen Zeitbombe“ gewarnt.
Uwe K.s fortbestehende Gefährlichkeit erlaubt auch dessen Einweisung in den Maßregelvollzug, die nach einer Untersuchung durch den Amtsarzt der Stadt Brandenburg Uwe Peters erfolgte. Er habe sich bei seiner Entscheidung auch auf in der Haft gefertigte Gutachten über Uwe K. gestützt, sagte Peters. In diesen Gutachten heißt es über K., dass dessen „Gefährlichkeit unvermindert fortbesteht“ und er „mit großer Wahrscheinlichkeit erneut einschlägige Delikte begehen wird“. Im Schreiben der Staatsanwaltschaft an den Amtsarzt wird festgestellt, die Gutachten bescheinigten Uwe K. „eine andauernde Verantwortungslosigkeit und Missachtung sozialer Normen, Regeln und Verpflichtungen sowie eine mangelnde Fähigkeit zum Erleben von Schuldbewusstsein und eine sexuelle Verwahrlosung“. Auch sei er zu einer Behandlung und therapeutischen Beeinflussung in der Haft nicht bereit gewesen.
Die Einweisung von Uwe K. in den Maßregelvollzug der Landesklinik sei jedoch „nur eine vorübergehende Lösung“, sagte Peters. Sie müsse vom Amtsgericht bestätigt werden und gelte in der Regel sechs Wochen – könne aber bei besonderer Notwendigkeit auch verlängert werden.
Oberbürgermeisterin Tiemann beklagte gestern „das Durcheinander in der Justiz“ im Fall K. Sie kritisierte, dass dieser trotz seiner Gefährlichkeit entlassen und die Polizei nicht informiert worden sei. Sie erwarte von Justizministerin Blechinger eine Klarstellung, wie es dazu kommen konnte. Blechinger, die heute im Kabinett einen Bericht geben will und Pannen bereits einräumte, gerät unterdessen weiter unter Druck. Der PDS-Rechtsexperte Stefan Sarrach nannte sie „überfordert“. Sie moderiere, aber leite nicht. „Das wird immer wieder zu Konflikten führen.“ Er warf Blechinger vor, den Rechtsausschuss des Landtages nicht darüber informiert zu haben, dass Uwe K. und andere gefährliche Täter aufgrund einer Gesetzeslücke vor der Freilassung stünden. „Man hätte rechtzeitig, nicht erst nach der Freilassung handeln müssen.“
Uwe K. musste trotz bekannter Gefährlichkeit nach Verbüßung seiner Strafe freigelassen werden, weil die sogenannte nachträgliche Sicherungsverwahrung für Delikte, die bis 1995 auf dem Gebiet der früheren DDR begangen wurden, bislang nicht verhängt werden kann. Deshalb war in den letzten Tagen auch das Bundesjustizministerium hart kritisiert worden. Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) hat jetzt allerdings kurzfristig eine gesetzliche Regelung angekündigt. In einem den PNN vorliegenden Brief an Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) schreibt Zypries, dass die Bundesregierung angesichts der Dringlichkeit des Problems „schnellstmöglich die Lösung der Altfälle vorziehen und bei nächster Gelegenheit einen Regelungsvorschlag unterbreiten“ werde. Dies soll dem Vernehmen nach bis Ostern geschehen.
Zugleich weist Zypries Kritik aus Brandenburg an ihrem Haus zurück. Seit Mai 2006 werde an einem Gesetz gearbeitet, das die nachträgliche Sicherungsverwahrung generell neu regeln soll. Angesichts der Dringlichkeit einiger Fälle im Osten wäre eine separate und schnelle Lösung für diese „Altfälle“ sinnvoll gewesen. „Umso mehr verwundert es mich, erst wenige Wochen vor der Haftentlassung von diesem Fall zu erfahren“, schreibt Zypries mit Blick auf Uwe K. „Ich halte die Frage für erlaubt, weshalb vor diesem Hintergrund nicht schon bei den Erörterungen im Bundesrat im Mai 2006 auf eine spezielle Lösung für die neuen Länder hingearbeitet wurde.“ Zypries wies auch die Ansicht von Brandenburgs Generalstaatsanwalt Rautenberg zurück, die Staatsanwaltschaft habe wegen Chancenlosigkeit keinen Antrag auf nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung stellen können. Nach ihrem Verständnis, so Zypries, habe sich der Bundesgerichtshof noch nicht abschließend mit den Altfällen in Ost-Gefängnissen befasst. Im Übrigen hätten auch andere Maßnahmen zur Sicherheit der Allgemeinheit ergriffen werden können, schreibt Zypries, etwa eine „konzentrierte Führungsaufsicht“, bei der die Entlassenen unter ständiger Kontrolle stehen. Die Botschaft von Zypries: Brandenburg hat seine Möglichkeiten nicht ausgeschöpft. Diese Ansicht vertritt auch der PDS-Experte Sarrach.
Das Landgericht Cottbus hat am Montag die nachträgliche Sicherungsverwahrung eines anderen, 40 Jahre alten Vergewaltigers abgelehnt. „Die gesetzlichen Voraussetzungen reichen dafür nicht aus, weil es keine bedeutsamen neuen Tatsachen seit seiner letzten Verurteilung gab“, sagte der Vorsitzende Richter Stefan Fiedler.
Im Cottbuser Fall war der Mann wegen mehrerer Sexualstraftaten zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden, die er bis Ende 2004 verbüßte. Seit April 2006 ist er auf freiem Fuß. Damals hob der Bundesgerichtshof den Beschluss einer anderen Kammer des Cottbuser Landgerichtes zur nachträglichen Sicherungsverwahrung für den Mann wieder auf. Mit dem neuen Beschluss vom Montag entsprachen die Richter dem Antrag der Verteidigung.
Die Cottbuser Staatsanwaltschaft berücksichtigte in ihrem Plädoyer die neue Faktenlage. „Die Beweisaufnahme hat aber eindeutig ergeben, dass der Mann ein gefährlicher Sexualstraftäter ist und für die Öffentlichkeit gefährlich bleibt“, warnte die Staatsanwältin Martina Eberhart. Der Vorsitzende Richter sagte: „Ob der Verurteilte wirklich ein gefährlicher Sexualstraftäter ist, hat mit unserer Beurteilung nichts zu tun. Nur wenn es neue Tatsachen gegeben hätte, könnten wir über eine Gefährlichlichkeitsprognose entscheiden.“ dpa
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: