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Traditionsreiches Unternehmen. Die 82-jährige Dorothea Pieper (r.) mit Werkstattleiter Otto Wagner.

© Patrick Pleul/dpa

Brandenburg: Von Dogcarts zu Eigenheim-Türen

Seit 43 Jahren führt die 82-jährige Dorothea Pieper in der Uckermark eine traditionsreiche Tischlerei. Kutschen aus Templin gab es einst auch in Amerika

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Templin - Kreischend frisst sich das Sägeblatt ins trockene Holz. Über den Lärm hinweg ruft die zierliche Frau: „So einen Betrieb über Wasser zu halten ist nicht einfach heutzutage. Aber solange Arbeit da ist, geht's auch irgendwie weiter.“ Seit 43 Jahren führt Dorothea Pieper das traditionsreiche Familienunternehmen in Templin (Uckermark). In der kleinen Tischlerwerkstatt beschäftigt die 82-jährige Chefin drei Gesellen. Doch die Arbeit ist knapp.

„Jetzt, wo der Winter da ist, wer lässt da noch was bauen? Da muss ich wohl Kurzarbeit anmelden“, sorgt sie sich. Die Unternehmenschronik gleicht einem Geschichtsbuch. 1851 ließ sich Urgroßvater Wilhelm als Meister des Kutschenbaus in Templin nieder. Seither redeten die Piepers ein gewichtiges Wort in der uckermärkischen Stadt mit: als Ratsherr zu Kaisers Zeiten und als Obermeister der Stellmacher-Innung in der Weimarer Republik. Der Name der heutigen Inhaberin findet sich im Goldenen Buch der Handwerkerschaft des einstigen Bezirks Neubrandenburg oder auch auf Urkunden zur Ehrennadel der Handwerkerschaft.

„Kaum zu fassen, was diese Frau mit ihren 82 Jahren leistet. Wenn es sein muss, steht sie selbst noch an der Werkbank“, meint Rüdiger Fink, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Uckermark. „Und ihren Betrieb hat sie voll im Griff. Da kann manch Jüngerer noch was lernen. Für mich ist das wirkliche Liebe zum Beruf.“ Dies war es wohl auch, was die Gründer des Familienunternehmens so erfolgreich machte. Wie einen Schatz hütet Dorothea Pieper längst vergilbte Frachtbriefe der Woermann-Hamburg-Amerika-Linie und der Hamburg-Bremen-Afrika AG, die an Glanzzeiten der Pieperschen Werkstatt erinnern. Um die Jahrhundertwende hatten die Piepers Vertretungen im namibischen Windhuk, in Syrien und Palästina. In Hamburg verschifft, gingen Piepersche Kutschen hinaus in die Welt.

Noch heute ist Dorothea Pieper stolz darauf, dass die Windhuker Niederlassung ihres Vaters 1914 auf einer Ausstellung im südlichen Afrika eine Silbermedaille erhielt. „Durch den Krieg sind die Verbindungen abgerissen. Vielleicht wären wir sonst gar nicht in Deutschland geblieben“, sinniert die Frau mit den raspelkurz geschnittenen grauen Haaren. „Meine Eltern wollten gern nach Afrika und sogenannte Dogcarts bauen. Von diesen leichten Jagdwagen, die sich für die Savanne bestens eigneten, konnten sie gar nicht genug liefern.“

Doch mit dem Ersten Weltkrieg kam alles anders. „In den Nachkriegsjahren hatte Vater Mühe, die Werkstatt über Wasser zu halten“, blickt die betagte Templinerin in die Familiengeschichte zurück. Als es wieder Arbeit und zahlende Kunden für die uckermärkische Werkstatt gab, kündigte sich am Horizont bereits der nächste Krieg an. Männer zogen fort, Frauen nahmen ihren Platz an der Werkbank ein.

So kam es, dass die junge Dorothea, geboren in den letzten Jahren der Weimarer Republik und ausgebildet an der Handelsschule, den Schreibtisch mit Hobelbank und Abrichte tauschte. Als jüngstes der sechs Kinder des Stellmachermeisters Gustav Pieper übernahm sie Jahrzehnte später das erfolgreiche Familienunternehmen, das sie bis heute führt. Nur in einem will sich die engagierte Frau, die längst ihre Rente genießen könnte, nicht dem Trend anpassen. „Computer? Brauch ich nicht. Ich schreib auf meiner alten Schreibmaschine. Mein Kopf ist mein Computer.“ Franziska Hofer

Franziska Hofer

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