Brandenburg: Von Magdeburg nach Schwerin: Die A 14 Reklamationen aus Rumänien
Aus für Steilmann-Textilwerk in Cottbus: Gestern war letzter Arbeitstag für 60 Näherinnen
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Aus für Steilmann-Textilwerk in Cottbus: Gestern war letzter Arbeitstag für 60 Näherinnen Die Autobahn 14 soll von Magdeburg über Stendal, Osterburg, Seehausen, Wittenberge und Ludwigslust nach Schwerin führen. Sie würde dann die Autobahnen 2 (Berlin-Hannover) und 24 (Berlin-Hamburg) miteinander verbinden. Die Baukosten liegen bei rund 600 Millionen Euro. Die Trasse ist insgesamt 140 Kilometer lang. Davon verlaufen knapp 100 Kilometer durch Sachsen-Anhalt und 30 Kilometer durch Brandenburg. Die A 14 ist Teil eines Gesamtkonzepts, das die Autobahn-Infrastruktur im Norden verbessern soll. Dazu gehört neben der A 14 auch die A 39, die von Wolfsburg nach Lüneburg verlängert werden soll. Verbunden werden sollen die beiden Autobahnen durch die Bundesstraße 190n. Für die A 14 werden die drei betroffenen Länder nun zunächst das Raumordnungsverfahren eröffnen, das nach sechs Monaten beendet sein muss. Untersucht wird, ob die Autobahnplanung mit den Zielen und Grundsätzen der Raumordnung übereinstimmt und ob umweltrelevante Aspekte berücksichtigt werden müssen. Ist das Raumordnungsverfahren beendet, folgt das Planfeststellungsverfahren. Dabei werden unter anderem Unterlagen öffentlich ausgelegt und Stellungnahmen von Behörden und Verbänden eingeholt. Gegen den Planfeststellungsbeschluss, der alle notwendigen Genehmigungen für den Bau enthält, kann geklagt werden. ddp Von Bernd-Volker Brahms Cottbus. Mit flinken Fingern trennt Barbara Müller den Saum des Rockes auf und näht ihn neu. „Das ist eine Reklamation aus Rumänien“, erzählt die 56-jährige Näherin des Steilmann-Textilwerkes in Cottbus. Insgesamt 7500 Röcke müssen unter hohem Zeitdruck umgenäht werden. Eigentlich kein Problem für die zuletzt 161 Cottbuser Näherinnen. Sie waren es immer gewohnt, als „Feuerwehr“ einzuspringen, wie Betriebsleiterin Sylvia Töpper sagt. Doch dieses Mal ist alles anders. Am gestrigen Montag hatten die verbliebenen 60 Näherinnen ihren letzten Arbeitstag. Die Produktion war bereits in der vorigen Woche ausgelaufen, rund 100 Kolleginnen wurden entlassen. Bis Montag musste die Reklamation fertig sein. Folgeaufträge gibt es nicht. Hoffnungen auf den Erhalt des Textilwerks hegen nur wenige, auch wenn die IG Metall für Dienstag einen möglichen Investor zu Gesprächen mit der Betriebsleitung und dem Verband der norddeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie an einen Runden Tisch holen wollen. „Es gibt drei Interessenten“, sagt der Cottbuser IG-Metall- Bevollmächtigte Willi Eisele. Das Cottbuser Steilmann-Werk ist das letzte von einstmals 47 Werken bundesweit und das einzige in Ostdeutschland. Die gute Qualität und die Ost-Löhne hatten dieser Filiale bis zuletzt das Überleben gesichert. An mehr als 150 Firmen der Textilbranche habe man sich gewandt und die Dienste angeboten, sagt Töpper. Das Resultat sei „fast null“ gewesen. Für 900 Euro netto hätten die Frauen hier monatlich gearbeitet, erläutert Betriebsrätin Petra Klos. Da aber in Rumänien lediglich 150 Euro und in Moldawien sogar nur 80 Euro gezahlt würden, habe der Wattenscheider Konzern seine Produktionsbetriebe ab Mitte der 90er Jahre nach Osteuropa verlagert, nunmehr komplett. „Ich hoffe, Steilmann merkt irgendwann einmal, was er an uns hatte“, meint Barbara Müller. Dass sie jetzt ausgerechnet noch Reklamationen aus Rumänien umarbeiten müssen, empfänden viele als Hohn. Sie könne das Handeln des Unternehmens zwar betriebswirtschaftlich nachvollziehen, meint Müller. Doch wer solle denn die Waren kaufen, wenn keiner mehr Arbeit habe? „Wir sind doch alle potenzielle Kunden.“ Die Mitarbeiterinnen hätten sich immer sehr flexibel gezeigt, sagt die Näherin, die vor elf Jahren schon einmal arbeitslos war und als gelernte Herrenschneiderin zu Steilmann ans Band kam. Man habe in Stoßzeiten weit über acht Stunden gearbeitet und im Herbst und Frühjahr, wenn die neuen Kollektionen fertig waren, geschlossen Urlaub genommen. „Eigentlich sind wir verrückt, dass wir hier noch solch eine Arbeit leisten", sagt Eva-Maria Scheffler, die seit fast 30 Jahren in Cottbus als Bandleiterin arbeitete. Aber kaum eine Kollegin habe sich seit November, als die Nachricht vom Aus des Werkes kam, hängen lassen. „Das zeigt die gute Moral, die in diesem Betrieb geherrscht hat.“ Eine neue Anstellung zu finden, sei für die meisten schwierig. „Mit 52 Jahren wäre das ja schon ein Glücksfall“, sagt Scheffler. Eine Beschäftigung in der Bekleidungsindustrie könnten die meisten von ihnen wohl ohnehin abschreiben. Eine Kollegin habe eine Ich-AG als Änderungsschneiderin gegründet – „aber das war es auch schon“. Bis Ende Juni bekomme sie noch weiter ihr Geld, erzählt die 52- jährige Elfriede Ziegler. Als Webereifacharbeiterin habe sie vor 37 Jahren beim damaligen Textilkombinat Cottbus begonnen. Im größten Textilwerk der DDR hätten zu Spitzenzeiten 4000 Menschen gearbeitet. Als Steilmann das Werk 1992 übernahm, wurden 230 Näherinnen weiter beschäftigt. Sie selbst werde wohl demnächst putzen gehen, sagt Ziegler.
Bernd-Volker Brahms
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