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Warten auf Kundschaft. Eine Prostituierte an der B 5 bei Müncheberg.

© ddp

Von Michael Klug: Von Michendorf nach Müncheberg

Brandenburgs einziger Straßenstrich ist ostwärts gewandert / Polizei sieht keinen Anlass zum Einschreiten

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Müncheberg - Es ist ein guter Sonntag im August für die vier Prostituierten an der Bundesstraße 5 kurz nach Müncheberg. Die Sonne scheint großzügig über dem Osten Brandenburgs und in regelmäßigen Abständen biegen Freier von der vielbefahrenen Landstraße zu den wartenden Damen ab. Für ein Gespräch haben die Frauen daher nur wenig Zeit.

„Täglich ab zehn“, teilt eine der Frauen nur knapp auf Russisch ihre Arbeitszeiten mit. Dann verrät sie noch, dass sie aus Aserbaidschan im Kaukasus stammt. Das Gespräch ist beendet, als bei einer anderen Liebesdienerin ein Freier hält. „Mein Geld, mein Geld“, ruft die Befragte und zeigt wütend in Richtung der Kollegin, die gerade in einem Mittelklassewagen mit örtlichem Nummernschild verschwindet.

Der Straßenstrich an der Bundesstraße 5 in Richtung Polen boomt. Offenbar auch deshalb, weil er derzeit konkurrenzlos ist. „Nach unseren Kenntnissen gibt es keinen Zweiten in Brandenburg. Der Straßenstrich an der B 5 ist derzeit der Einzige“, sagt Waczlawa Haake vom Verein Belladonna in Frankfurt (Oder), der Prostituierte in Gesundheitsfragen betreut.

Was die Nachfrage nach den Liebesdiensten der bis zu acht aus Bulgarien, Polen und Russland stammenden Frauen betrifft, schätzen die Streetworker des Vereins, dass die Frauen durchschnittlich zehn Freier am Tag bedienen. „Das ist deutlich mehr als das, was sich mit der sonst üblichen Hausprostitution oder in polnischen Bordellen verdienen lässt“, sagt eine der Streetworkerin.

Von Polizei und Ordnungsamt haben die Frauen dabei nichts zu befürchten. „Die Frauen werden sporadisch kontrolliert und gegebenenfalls aufgefordert, ihren Müll wegzuräumen“, sagt Polizeisprecherin Bärbel Cotte-Weiß vom Schutzbereich Märkisch-Oderland. Mehr könne die Polizei auch nicht tun, fügt die Sprecherin unter Verweis auf die Rechtslage an. „Prostitution ist nicht illegal, und solange die Frauen nicht den Straßenverkehr oder sich selbst gefährden, gibt es keinen Anlass zum Einschreiten“, sagt Cotte-Weiß.

Anders sahen das vor einem halben Jahr die Polizisten im Schutzbereich Potsdam-Mittelmark. Als an der B 2 bei Michendorf im Sommer 2008 ebenfalls ein Straßenstrich mit acht Frauen entstand, machten Polizei und nicht zuletzt der Brandenburger CDU-Vizechef Sven Petke Druck dagegen. Während Petke einen Sperrbezirk forderte, verstärkte die Polizei damals ihre Kontrollen. Als Anfang Dezember der Straßenstrich schließlich verschwunden war, führten die Beamten das unter anderem auf ihre intensivierte Arbeit zurück. Nun jedoch stehen dieselben Frauen knapp 120 Kilometer weiter ostwärts an der B 5. „Uns sind zwei der Frauen bereits aus Michendorf bekannt“, bestätigt die Streetworkerin von Belladonna den Ausweicheffekt, der nach Aussagen der Prostituierten jedoch nichts mit den damaligen Kontrollen zu tun habe. „Die Frauen sagen, dass die B 5 die bessere Straße ist“, erzählt die Streetworkerin.

Ob die Frauen indes freiwillig in Brandenburg ihre Dienste anbieten oder zu einer organisierten Gruppe gehören, können die Mitarbeiter von Belladonna nicht mit Sicherheit sagen. Lediglich Indizien sprächen dafür, dass ein Teil der Frauen nicht auf eigene Rechnung arbeitet. „Sie erzählen zwar alle, dass sie unabhängig sind und von Polen mit Taxis nach Deutschland fahren“, sagt Haake. Weil die Frauen die Streetworker jedoch häufig bitten, ihnen Kaffee mitzubringen, bezweifelt Haake den Wahrheitsgehalt der Aussagen. „Die Frauen könnten auch mit dem Taxi zur Tankstelle fahren. Komischerweise machen sie das aber nicht“, sagt Haake. Allerdings muss sie einschränken, dass das ebenso gut am Verdienstinteresse der Prostituierten liegen könnte. „Denkbar ist natürlich auch, dass sie sich keinen Freier durch die Lappen gehen lassen wollen“, sagt Haake. Für Gewissheit könnte letztlich nur die örtliche Polizei sorgen. Doch dort fehlt es an ausreichend Personal und Zeit. „Das zu überprüfen, schaffen wir schlichtweg nicht“, sagt Polizeisprecherin Cotte-Weiß.

Michael Klug

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