Brandenburg: Von wegen Funkstille
RBB-Aktionstag: Berliner stürmen Sender Multikulti
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„Völlig unverständlich, dass der RBB Radio Multikulti abschalten will, das ist doch die Brücke zwischen den Kulturen“, schimpft Bernd Krause, 59. „Wir müssen alle Protestmails an die Intendanz schreiben“, ruft eine andere Hörerin in die Runde. So was hörte man oft während der Führungen durch die Redaktionsräume des deutschlandweit einzigartigen Senders, bei dem ab Jahresende Funkstille herrscht. Für die Multikulti-Touren gab es am Tag der offenen Tür zum fünfjährigen RBB-Bestehen sogar Wartelisten. Viele deutschtürkische Musiker und Politiker protestierten vorm Haus, Vertreter der SPD kündigten weitere Aktionen an.
Die Straßen rund um das Haus des Rundfunks an der Masurenallee in Charlottenburg waren weiträumig gesperrt, rund 80 000 Menschen schoben sich von der Bühne mit Abendschau-Anchorman Raiko Thal zum Kindertheater, holten sich in den TV-Studios Autogramme, lauschten Hörspielgeräuschemachern. Heike und Gernut Franke aus dem brandenburgischen Schulzendorf mussten sich dreimal an der Multikulti-Warteschlange anstellen, um mitzukommen. „Ich finde, dieser integrative Sender muss bleiben“, sagte Franke. Wie viele Anwesende lobte er die Reportagen und die außergewöhnliche Musik des Senders.
Die ersten Multikulti-Studios befanden sich vor fast 14 Jahren noch in zwei Containern am Haus der Kulturen der Welt, erinnerte Redakteurin und Besucherführerin Nilgün Banu Baturay. Derzeit gehören knapp 30 feste und 200 freie Mitarbeiter zum Team. Von ihnen hörte man keine Schimpftiraden, obwohl ihnen wenig zum Feiern zumute ist. Nouri Ben Redjeb, der in seiner Musikwunschsendung „A la Carte“ gute Laune verbreitet, scherzte mit den Gästen. „Wir wollen weiter senden und beweisen, wie gut unser Programm ist“, sagte eine Frau. Baturay meinte, Multikulti sei eine „Institution“: Der Sender organisiere weltweit vernetzte Aktionen, Wettbewerbe, Konzerte. In anderen Programmen fänden die internationalen, deutschsprachigen Journalisten nicht die gleiche Bühne, „soweit ist die deutsche Mehrheitsgesellschaft noch nicht.“ Hörerin Petra Wällstedt aus Kleinmachnow hat sich etwas vorgenommen: „Ich gründe eine Rettungsinitiative.“ Annette Kögel
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Annette Kögel
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