Von Alexander Fröhlich: Vorerst keine Seen im Sortiment
Bundesunternehmen stoppt nach Protesten Privatisierung von Ost-Gewässern
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Berlin/Potsdam - Heftige Proteste von Naturschützern, Seeanrainern und aus der Landespolitik gegen die Privatisierung von Seen in Brandenburg haben gewirkt. Bis Jahresende will die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) keine Gewässer mehr zum Verkauf ausschreiben. „Das steht nicht auf der Agenda der BVVG in den nächsten Monaten“, erklärte am Dienstag der Geschäftsführer des bundeseigenen Unternehmens, Wolfgang Horstmann. Er begründete dies mit begrenzten Kapazitäten, weil bis Jahresende der begünstigte Verkauf von Agrarflächen an Pächter abgeschlossen sein muss. „Diese Zeit sollte genutzt werden, um die Diskussion über den Seenverkauf zu versachlichen und zu einer vernünftigen Absicherung der berechtigten Interessen der Allgemeinheit zu kommen.“
Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) begrüßte die Ankündigung. „Land und Bund haben ein gemeinsames Interesse daran, den allgemeinen Zugang zu den Gewässern zu sichern“, sagte Platzeck den PNN. „Seen und Gewässer sind Allgemeingut und müssen unabhängig vom jeweiligen Eigentümer für die Menschen zugänglich sein und bleiben.“ Die Umweltschützer vom BUND sprachen von einem ersten Schritt in die richtige Richtung. Der Landesvorsitzende Burkhard Voß sagte: „Seen sollten aber beim Bund bleiben oder an Naturschutzprojekte und Kommunen für die Naherholung gehen.“
Der Ausschreibungsstopp ist laut Horstmann mit dem zuständigen Bundesfinanzministerium abgestimmt, aber nicht angewiesen worden. Für eine Änderung der Gesetzeslage sei allein der Bundestag zuständig. Inoffiziell hieß es aber, dass ein Moratorium zur Privatisierung von Gewässern erwartet wird. Darauf gedrungen hatten in den vergangenen Wochen Bundesumweltminister Sigmar Gabriel, Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee und Ministerpräsident Platzeck (alle SPD). Ihre Forderung: enge Grenzen für die Privatisierung und eine Debatte über den gesetzlichen Auftrag der BVVG. Seen unter wirtschaftlichen Maßgaben zu verkaufen, greife zu kurz. Seen seien für Tourismus und Naherholung unerlässlich.
Nach gesetzlichem Auftrag aus dem Einigungsvertrag von 1990 privatisiert die BVVG Flächen für Landwirtschaft, Forst und Fischerei, die in der DDR Volkseigentum waren. Diese Praxis wollen Umweltverbände und eine Bürgerinitiative gegen die Seenprivatisierung ändern. Sie befürchten, dass Badestellen, Stege und Uferwege bei privaten Gewässern nicht mehr nutzbar sind, Angeln und Baden verboten oder kostenpflichtig werden. Eine Online-Petition beim Bundestags war im Juli gescheitert. Dennoch werden weiterhin Unterschriften gesammelt.
BVVG-Geschäftsführer Horstmann sieht keinen Grund für derlei Befürchtungen. Dass es ein „besonderes öffentliches Interesse gibt“, hat er aber registriert. Ein weiteren Fall wie am Wandlitzsee soll es bei der Privatisierung jedenfalls nicht geben. „Wir wollen sicherstellen, dass so etwas nicht erneut passiert“, sagte Horstmann. Der 2003 verkaufte Wandlitzsee gilt landesweit als Negativbeispiel. Eine Immobiliengesellschaft bat die Kommune für die Nutzung des Strandbades und mehr als hundert Anrainer für die Stege zur Kasse. „Das entspricht nicht dem, was wir uns damals vorgestellt haben“, erklärte Horstmann. „Wir haben nicht gewusst, dass wir es mit so einer Rechtslage tun haben.“ Seither gelte die Vorgabe, dass erst der Kommune und dann dem Inhaber von Fischereirechten Seen zum Marktwert angeboten werden. Erst nach deren Verzicht komme es zur Ausschreibung. „Selbst nach einem Verkauf ist die Nutzung von Seen möglich.“ Dies sähen Bundes- und Landesrecht für Baden und Freizeit so vor.
Wie es Horstmann darstellt, ist die Angst vor einem Ausverkauf Brandenburger Seen völlig unangebracht. Von den 3000 Seen befänden sich nur 246 ganz oder teilweise im Bestand der BVVG. Bei einem Gewässer sei es gar nur ein Quadratmeter, oft sind es einfach nur Tümpel oder Gräben. Bislang seien 14 000 Hektar Gewässerflächen für rund 15 Millionen Euro privatisiert worden. Mehr als die Hälfte davon ging an Naturschutzprojekte und Fischer, ein weiterer Teil an Agrarbetriebe, der geringste an Privateigentümer.
Weitere 15 000 Hektar stehen zum Verkauf. Mit mehr als 9 000 Hektar liegt das meiste davon in Brandenburg. Allein ein Fünftel soll Nationales Naturerbe werden. Jüngst ging der 660 Hektar große Gülper See im Westhavelland an die Stiftung des Naturschutzbundes (NABU). Vor dem Verwaltungsgericht Berlin liegt die BVVG noch mit dem Land Brandenburg über Kreuz. Es geht um den Mellensee (Teltow-Fläming), der Bund hatte diesen dem Land Brandenburg zugeschlagen.
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