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ORTSTERMIN: Vorwärts und nicht vergessen!

Das Problem war bekannt, eine leichte, schnelle Lösung nicht in Sicht. Immerhin: Auf Einladung des SPD-Ortsvereins Potsdam-Babelsberg fand sich am Donnerstagabend wieder einmal eine Expertenrunde zusammen, um darüber zu reden.

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Das Problem war bekannt, eine leichte, schnelle Lösung nicht in Sicht. Immerhin: Auf Einladung des SPD-Ortsvereins Potsdam-Babelsberg fand sich am Donnerstagabend wieder einmal eine Expertenrunde zusammen, um darüber zu reden. "Gehört es zum staatlichen Bildungsauftrag, das Wissen um die SED-Diktatur der jüngeren Generation zu vermitteln", und unter welchen Bedingungen können/sollen/müssen die Schulen diesen Bildungsauftrag umsetzen?

Dass in Umfragen über 30 Prozent der Schüler Brandenburgs eine Demokratie nicht von einer Diktatur unterscheiden können: Natürlich beängstigend. Auch, dass schon seit Jahren darüber debattiert wird, ob und wie diese Wissenslücken geschlossen werden können. Und anscheinend sei nicht viel passiert. Warum das so ist, kann niemand so richtig schlüssig und allgemeingültig erklären. Die Schüler seien ja interessiert und aufgeschlossen, es gäbe hochwertiges Unterrichtsmaterial in Hülle und Fülle, und der Rahmenplan für das Fach Geschichte lasse den Lehrern genug Freiraum, sich des Themas anzunehmen. Eine dringende Aufforderung zu Lehrerfortbildungen, Tage für Exkursionen zu so genannten außerunterrichtlichen Lernorten, Netzwerke, engagierte Gedenkstättenpädagogen und Fachberater auf der einen Seite; die Freiheit, Lehrerfortbildung auch zu Hause mit dem privaten Studium von Fachzeitschriften abzudecken, ein überalterter Lehrkörper sowie Abwanderung junger Lehrer, Ostalgie oder gar eine nie aufgearbeitete Nazizeit im Elternhaus sowie ostdeutscher Habitus in Plattenbauschulen (von "Sport Frei!" bis Muttiheft) jenseits der Ballungsgebiete auf der anderen. Die Liste war schnell zusammengetragen von den Teilnehmern im Podium, Ulrike Poppe, Brandenburgs Beauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur, Ingo Müller vom Bildungsministerium, dem Historiker Matthias Heyl sowie Anton Winklhofer, Schülersprecher an der Waldorfschule und seiner Lehrerin Sibylla Hesse.

Das Grundübel liegt aber dann doch woanders. Zumindest kristallisierte sich im Laufe dieses Abends, auch mit Hilfe des Publikums, heraus: Ob und wie sehr sich ein Lehrer bzw. eine Schule dieses Themas annimmt, hängt stets oder zumindest in hohem Maße vom persönlichen Engagement des Lehrers ab. Und dieser wird sich erst dann charismatisch und überzeugend um eine adäquate Aufarbeitung der DDR-Geschichte bemühen, wenn er mit sich selbst im Reinen ist.

Der Umgang mit der eigenen Vergangenheit fällt allerdings manchem Abgänger einer Pädagogischen Hochschule schwer, vor allem wenn man bedenkt, dass ohnehin nur Lehrer werden durfte, von dem keine ideologische Gefahr ausging. So bleibt das Thema zu häufig einer Minderheit und den Westimporten im Kollegium überlassen, so geschehen in der Potsdamer Waldorfschule: Dort wurde im Rahmen von Projektarbeit ein Film produziert, in dem Zeitzeugen von Schülern interviewt werden und der Verlauf der Mauer aufgespürt wird. Noch viel zu häufig allerdings begegnen den Lehrern, die sich mit dem Osten auseinandersetzen, Verdrängung oder gar eine gewisse Abstinenz, was die Beschäftigung mit der jüngsten deutschen Vergangenheit betrifft. Und wenn schon die Lehrer meinen, dass früher alles besser war und wir heute (auch) nicht in einer Demokratie leben, wie sollen es die Kinder begreifen?

Vielleicht hat der Elftklässler Anton Winklhofer am Donnerstag im Haus der Jugend und unserem Deutschland, in dem sich der Türkische Ministerpräsident und der Papst schon mal die Klinke in die Hand geben, ein weitsichtiges und dabei so nahe liegendes Schlusswort gefunden: "Wir müssen in unserer globalisierten Welt den fairen Umgang mit unterschiedlichen Positionen lernen". Gut gemacht. Setzen. Eins.

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