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Brandenburg: Warnung vor dem Wildwuchs nach den Ehen

Experte mahnt Brandenburg zu offener Debatte über eine Kommunalreform. Freiwillige Zusammenschlüsse lösten das Problem nicht

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Potsdam - Freiwillige Kooperationen zwischen Kommunen ersetzen auch in Brandenburg keine landesweite Gebiets- und Kreisreform. Mit dieser Expertise hat sich Jörg Bogumil, Professor für öffentliche Verwaltung, Stadt- und Regionalpolitik an der Ruhruniversität Bochum, in die Debatte um trotz knapperer Kassen und Einwohnerschwunds langfristig tragfähige Verwaltungsstrukturen eingebracht. Er wurde am Freitag als Experte von der Enquetekommission des Landtages zu den Kommunalstrukturen im Land gehört. Die Kommission soll Empfehlungen für den Landesumbau erarbeiten und dabei auch eine Kreisreform prüfen.

Zwar warnte Bogumil ausdrücklich davor, vom grünen Tisch eine Kreis- und Gemeindestruktur zu verordnen, etwa Mindestgrößen für Gemeinden vorzugeben. Die könne auch Wissenschaft nicht seriös liefern, sagte er: „Glauben Sie niemandem, der das behauptet!“ Es sei, wie die Praxis in Bundesländern gezeigt habe, eine „politische Frage“ – abhängig von vielen Faktoren. „Und von Zufällen: Wer ist in der Opposition? Wie ist der Ministerpräsident gerade drauf?“, so Bogumil.

Doch zugleich machte Bogumil keinen Hehl daraus, dass er den – etwa von den Linken im Land – verfolgten Ansatzt von freiwilligen Kooperationen bei Kreisen und Kommunen statt Zwangsfusionen für nicht tragfähig hält: „Es ist kein systematischer Weg. So bekommt man keine Strukturen für das ganze Land.“ Es hänge dann zu viel von Befindlichkeiten und lokalen Besonderheiten ab. „Sie kommen um die Debatte um eine Kommunalreform nicht herum.“ Nach seiner Einschätzung ist die aktuelle Struktur von 14 Kreisen, vier kreisfreien Städten, vielen Gemeinden und Ämtern zu kleinteilig. Das habe Auswirkungen auf die ebenfalls diskutierte Übertragung von Landesaufgaben auf die kommunale Ebene: Je stärker Kommunen sind, desto eher könnten sie zusätzliche Aufgaben wahrnehmen.

Bogumil, der die Kommunalisierung in mehreren Bundesländern untersucht hat, zeigte sich skeptisch zu den Möglichkeiten in Brandenburg. Zwar sei die Kommunalisierung punktuell sinnvoll, etwa bei der Zuständigkeit des Landesamtes für Soziales und Versorgung für Schwerbehinderte. Möglich sei es vielleicht auch im Straßenwesen, wo man die Obhut für Landesstraßen abgeben könnte. Strikt sprach sich Bogumil gegen die Kommunalisierung des Technischen Umweltschutzes aus, für den bislang das Landesumweltamt zuständig ist. Dafür brauche man Spezialisten, die Kreise und Kommunen gar nicht vorhalten könnten. In Baden-Württemberg habe man diesen Fehler gemacht und den „Verlust von Spezialwissen“ mit Nachteilen für Investoren und Genehmigungsverfahren später bedauert.

Auch zur laufenden Forstreform, bei der Zuständigkeiten und Forstarbeiter auf die Kommunen übertragen werden könnten, äußerte sich Bogumil zurückhaltend: „Die Zuständigkeit ist nebensächlich: Die wichtigste Frage ist, mit welcher Intensität man den Wald pflegen will.“ Ingesamt, so das Fazit, seien Einsparpotenziale im Land durch Kommunalisierungen „begrenzt“. Denn wesentliche Landesaufgaben seien schon in den 1990er Jahren den Kommunen übertragen worden. Zudem gebe es eine strikte „Konnexitätsregelung“. Gemeint ist das Verfassungsgebot, dass das Land für jede übertragene Aufgabe ohnehin komplett die Finanzierung sicherstellen muss. Zwar gebe es die in Baden-Württemberg auch. Dort allerdings sei die Kommunalisierung dennoch gelungen, weil das Land sich mit den Kommunen einigte. „Wenn niemand klagt, gibt es kein Problem.“

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