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Michael Müller startklar. Die Liste der ungelösten Probleme in Berlin ist lang.

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Brandenburg: Warten auf bewegende Momente

Michael Müller regiert Berlin, doch in seiner Koalition kracht es. SPD und CDU müssen sich bei vielen Themen erst mal einigen

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

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Michael Müller erlebte sein erstes Wochenende als Berlins Regierender Bürgermeister, danach geht die Arbeit richtig los. Eigentlich wollten die Koalitionspartner SPD und CDU noch vor der Wahl strittige Themen aus dem Weg räumen und zeigen, dass Rot-Schwarz handlungsfähig ist. Aber beide Parteien kamen nicht auf einen Nenner. Im Januar, nach den Weihnachtsferien, soll versucht werden, doch noch ein Kompromisspaket zu schnüren. Allerdings ist die Liste der ungelösten Probleme lang.

REKOMMUNALISIERUNG

Nach der gescheiterten Vergabe des Berliner Gasnetzes an das landeseigene Unternehmen „Berlin Energie“ muss sich der Senat eine neue Strategie überlegen. Die SPD neigt dazu, nach der juristischen Niederlage vor dem Landgericht den Rechtsweg weiter zu beschreiten oder mit dem Netzinhaber Gasag über eine Kooperation zu verhandeln. Das Ziel der Rekommunalisierung der Energienetze will die SPD nicht aus dem Auge verlieren. Der CDU wäre es recht, wenn der bisherige Konzessionär Gasag das Netz in den nächsten Jahren weiter betreibt. Das laufende Verfahren zur Neuvergabe des Stromnetzes ist von dem rechtlichen und koalitionspolitischen Streit ebenfalls betroffen.

Das neu gegründete kommunale Stadtwerk darf keinen Strom verkaufen, der nicht aus selbst produzierter, erneuerbarer Energie stammt. Dadurch wird die Handlungsfähigkeit des Unternehmens stark eingeschränkt, der Aufbau eines wirtschaftlich lohnenden Kundenstamms ist nicht möglich. Die SPD drängt, die gesetzlichen Einschränkungen für das Stadtwerk aufzuheben. Die CDU ist nicht strikt dagegen, fordert aber Gegenleistungen.

Bei der öffentlichen Ausschreibung des S-Bahnrings einschließlich der Zubringerstrecken im Südosten der Stadt ist nur noch die S-Bahn Berlin GmbH, eine Tochter der Deutschen Bahn, übrig geblieben. Das verschlechtert die Verhandlungsposition des Senats. Außerdem hat sich die Ausschreibung so verzögert, dass der Ring frühestens 2023 neu vergeben werden kann. Geplant war 2017. Zwar wehren sich SPD und CDU gemeinsam gegen die Forderung der Opposition, den Betrieb des S-Bahnrings neu auszuschreiben. Allerdings wächst in der SPD der Druck, den S-Bahnbetrieb notfalls direkt an ein kommunales Unternehmen (unter dem Dach der BVG) zu vergeben.

WOHNUNGSPOLITIK

Bisher hat sich die CDU dagegen gewehrt, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Berlin zu verbieten. Die Sozialdemokraten, einschließlich des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller, beharren auf einem Umwandlungsverbot. Inzwischen zeigt sich die Union kompromissbereit, will aber nur in bestimmten Stadtregionen ein solches Verbot zulassen. Gegen einen solchen limitierten Milieuschutz sträubt sich aber die SPD. Der Ausgang des Streits ist offen.

Die öffentliche Förderung des Wohnungsbaus mit 320 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt in den nächsten fünf Jahren wird nach Meinung vieler Experten keine große Wirkung zeigen. Der Neubau boomt, aber Wohnungen mit bezahlbaren Mieten werden nur zu einem geringen Teil entstehen. Es gibt zwar noch andere Modelle (kostenlose Vergabe kommunaler Grundstücke, Zusammenarbeit mit den städtischen Wohnungsunternehmen), aber in der Koalition wird die Debatte über eine wirkungsvolle Wohnungsbauförderung spätestens mit der Aufstellung des Haushalts 2016/17 neu entfacht.

Vor eineinhalb Jahren versprach der Senat 5000 zusätzliche bezahlbare Wohnplätze für Studierende. Viel passiert ist bisher nicht. Das vom Abgeordnetenhaus geforderte Konzept wird wohl erst im Februar 2015 vorgelegt. Oder noch später.

FLÜCHTLINGE

Die Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge, die zu Tausenden auch nach Berlin kommen, ist seit Monaten ein strittiges Thema zwischen SPD und CDU. Dabei geht es weniger um die zusätzlichen Kosten, sondern um die Zuständigkeiten: Wer ist für was verantwortlich in den Bezirken und Senatsverwaltungen? Der Versuch des Sozialsenators Mario Czaja (CDU), partei- und ressortübergreifend an das Problem heranzugehen, wird von der SPD skeptisch gesehen. Die SPD-Fraktion will sich auf ihrer Jahresklausur Ende Januar in Leipzig schwerpunktmäßig mit dem Thema befassen.

ÖFFENTLICHES PERSONAL

In Berlins Bürgerämtern, den Sozial- und Jugendbehörden, bei Polizei, Feuerwehr und Justiz, aber auch anderswo fehlt öffentliches Personal. Oder die Mitarbeiter werden falsch eingesetzt, der Krankenstand ist hoch, die Arbeitsmotivation teilweise niedrig und der Altersdurchschnitt in der Berliner Verwaltung liegt bei 50 Jahren. Das ist seit Langem bekannt, aber die Ankündigungen des Senats und der Regierungsfraktionen SPD und CDU, die Personalentwicklung und -ausbildung voranzubringen, gibt es bisher nur auf dem Papier. Die Bezirke fordern 1200 neue Stellen. Der Senat will erst für den Etat 2016/17 „wachstumsrelevante Personalbereiche identifizieren“. Koalitionsinterner Streit, wo neue Stellen am dringendsten gebraucht werden, ist programmiert.

OLYMPIA

Über die Bewerbungen Berlins und Hamburgs für die Spiele 2024 entscheidet der Deutsche Olympische Sportbund im März 2015. Der Senat hat aber keine Ahnung, wie und wann die Bürger an der Bewerbung beteiligt werden und ihre Meinung sagen können. Die Idee, eine Volksabstimmung über teure Großprojekte wie Olympia und Paralympia in der Landesverfassung zu verankern, ist nach aktuellem Stand nicht mehrheitsfähig.

INVESTITIONEN UND HAUSHALT

Ein Trauerspiel! Diese Klage gilt nicht nur dem Großflughafen BER. Die Sanierung des Internationalen Congress Centrums (ICC) mit privater Hilfe, ein neuer Standort für eine Zentral- und Landesbibliothek, der weitere Umgang mit der größten Immobilie Berlins, dem Flughafengebäude in Tempelhof und die Weiterentwicklung und bauliche Sanierung der Charité sind weitere Großvorhaben, für die öffentliche Gelder und Konzepte fehlen. Viele Fragezeichen stehen auch hinter der Sanierung und dem Neubau öffentlicher Schwimmbäder, der weiteren Herrichtung des Olympiaparks oder dem Bau der Tangentialen Verbindung Ost (TVO).

Es dürfte also kein Zufall sein, dass der Senat noch keine neue Investitionsplanung vorgelegt hat. Im Frühjahr 2015 soll der neue Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen die Eckdaten für den Doppelhaushalt 2016/17 vorlegen, kurz vor der Sommerpause den gesamten Etat. Verwaltungsintern wird über die Verteilung der knappen Gelder schon verhandelt.

DIES UND DAS

Die CDU will die verbindliche Früheinschulung rückgängig machen. Die SPD ist nicht mehr strikt dagegen, verweist aber auf Zusatzkosten für die Kita-Betreuung, wenn die meisten Kinder erst später in die Schule gehen. Die Union schlägt zudem vor, dass die Ausbildung für Pflegeberufe kostenlos ist, um den Mangel an Pflegern zu beheben. Und das Vergabegesetz solle aus wirtschaftspolitischen Gründen gelockert werden, fordern die Christdemokraten. Ohne Gegenleistung ist dies alles aus Sicht der SPD aber nicht zu haben. Ulrich Zawatka-Gerlach

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