Landrätekonferenz Brandenburg: Was verrückt wäre
Kreisreform, Flüchtlinge, Altanschließer: Brandenburgs Regierung lud zur Landrätekonferenz. Ein Härtetest für Innenminister Schröter und Sozialministerin Golze. Was kam heraus?
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Potsdam - Man konnte schon ahnen, was los war, als die Ersten den Tresckow-Saal des Innenministeriums in Potsdam verließen: Wortlos stürmte Oder-Spree-Landrat Manfred Zalenga (parteilos) hinaus. Und der Nächste, Landrat Gernot Schmidt (SPD) aus Märkisch-Oderland schimpfte, es klang wie „Tischtuch“ und „zerschnitten“, ehe er in seinen Wagen stieg. Brandenburgs Regierung hatte wieder mal zur Landrätekonferenz geladen: Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) und Sozialministerin Diana Golze (Linke) berieten mit den vierzehn „Kreisfürsten“, vier Oberbürgermeistern der großen (noch) kreisfreien Städte und den Spitzen der kommunalen Lobbyverbände über die rot-rote Kreisreform, Flüchtlingskosten, Altanschließer – alles sind heiße Eisen. „Wir haben uns nichts geschenkt“, sagte Schröter auf der Pressekonferenz, die verspätet begann. Ein PNN-Überblick, was herauskam – und was nicht.
FLÜCHTLINGSUNTERBRINGUNG
Das Krisenmanagement hatte funktioniert, als 2015 in kürzester Zeit Zehntausende Flüchtlinge untergebracht werden mussten. Um es zu schaffen, hatten Kommunen im gemeinsamen Ringen mit dem Land damals auch private Gebäude angemietet – was teils nur mit mehrjährigen Mietverträgen möglich war. Doch inzwischen kommen weniger Flüchtlinge. Im Sommer gab es landesweit rund 10 000 leere Plätze. In der Stadt Brandenburg an der Havel sind es 770 Plätze, was jeden Monat 53 000 Euro kostet, sagte Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann (CDU). Vom Land kam dafür bislang kein Euro, weshalb die Kommunalfamilie auf die Barrikaden geht. Sie erfuhr nun von Sozialministerin Diana Golze (Linke) die Entscheidung des rot-roten Kabinetts: Die Kommunen erhalten 11,6 Millionen Euro als Lastenausgleich, im nächsten Jahr. Die sind im Haushaltsplan 2017/2018, der vom Kabinett verabschiedet wurde, und im Landtag bearbeitet wird, noch nicht drin. Mit den Chefs der Koalitionsfraktionen sei abgestimmt, dass es einen Änderungsantrag geben werde, sagte Golze.
Das Problem: Allein für 2016 laufen bei den Kommunen für nicht genutzte Flüchtlingsunterkünfte „Leerstandskosten“ von 16 Millionen Euro auf. Golze bestätigte, dass die 11,6 Millionen Euro allein für 2016 gerechnet sind, und die Regierung die Zahlen nicht in Abrede stellt. Das heißt: Für 2017 und 2018, die der neue Haushalt eigentlich umfasst, sind trotz des geplanten Änderungsantrages für die rückwirkende Erstattung für 2016 weiterhin null Euro eingeplant. Die 11,5 Millionen seien ein Signal, „können aber nur ein erster Schritt sein“, sagte Wolfgang Blasig, der SPD-Landrat von Potsdam-Mittelmark und Präsident des Landkreistages. Sein Vorgänger dort, der damalige Oberhavel-Landrat und heutige Innenminister, hätte das drastischer formuliert. Er tat es nun in seiner neuen Funktion: „Das Land hat eine Fürsorgepflicht“, sagte Schröter. „Es wäre geradezu verrückt, wenn bei denjenigen, die schnell gearbeitet haben, die Verhältnisse wie in Berlin am Lageso verhindert haben, am Ende die Leerstandskosten hängen bleiben.“ Noch wäre das der Fall. Und Golze sagte: „Ob es 2017/2018 weitere Schritte geben wird, kann ich nicht sagen.“
ALTANSCHLIESSER UND LANDESHILFE
Das Bundesverfassungsgericht hat im Altanschließer-Urteil entschieden, dass Grundstückseigentümer nicht Jahrzehnte verspätet für Kanalisationsanschlüsse zur Kasse gebeten werden dürfen. Was das bedeutet, wer Geld zurückbekommt, ist umstritten, wie die hochkomplizierte Materie überhaupt. Ein neues Gutachten (PNN berichteten) hat vier Auswege benannt. Schröter teilte der Kommunalfamilie die bisherige Regierungslinie mit: Die Entscheidung müsse vor Ort fallen. Das Land werde in Ausnahmen, nach Einzelfallprüfung, helfen, aber nicht pauschal. Über die Höhe redet das Kabinett kommende Woche. Er warnte Zweckverbände aber davor, unüberlegt auf das „Gebührenmodell“ umzustellen, mit dem alle Verbraucher auch die Kanalisations-Anschlusskosten über die Wasser- und Abwassergebühren mittragen. Wenn Bevölkerung zurückgehe, gehe aber auch der Verbrauch zurück: Die Folge wären höhere Abwasserpreise.
DER WEITERE WEG ZUR KREISREFORM
Trotz konträrer Positionen zwischen Regierung und Kommunen zur rot-roten Kreisreform verständigte man sich darauf, wie es im Verfahren weitergeht, und zwar bei der geplanten Übertragung von Landesaufgaben (samt Personal) in die künftigen Großkreise. Der Teufel steckt in den Details: Die Details sollen nun parallel zu den parlamentarischen Arbeiten an den nötigen Gesetzen neue „möglichst schlanke Arbeitsgruppen“ aus betroffenen Ministerien – mit Kommunalvertretern – ausarbeiten. Klar sei, so Schröter, dass es keine Abrisse bei der Erledigung der Aufgaben geben dürfe.
Neue Konflikte sind programmiert.
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