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Brandenburg: Weites Land, Riesenställe

Die Volksinitiative gegen Massentierhaltung war offenbar erfolgreich. Nun ist der Landtag am Zuge. Am Ende könnten die Vorschriften verschärft werden. Schon jetzt haben die Behörden die Zügel angezogen

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Potsdam - Während die Volksinitiative gegen Massentierhaltung am Donnerstag Brandenburgs Landtagspräsidentin Britta Stark (SPD) eine Liste mit rund 34 000 Unterschriften von Gegnern der Massentierhaltung übergeben hat, will die neue rot-rote Landesregierung die Förderung von Ställen noch aufstocken. Statt der Maximalförderung von bisher 35 Prozent sollen Tierhalter demnach künftig sogar mit bis zu 40 Prozent der Investitionssumme vom Land bezuschusst werden, wenn sie entsprechende zusätzliche Auflagen erfüllen. Anders als von der Landesregierung behauptet, ändere sich durch die neuen Kriterien der sogenannten Premiumförderung allerdings nichts an der zum Teil qualvollen Enge in vielen Megaställen, kritisieren die Grünen-Fraktion im Landtag und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). „Damit sind keine höheren Tierschutzauflagen oder eine Begrenzung der Tierzahlen verbunden. Diese Art der Förderpolitik muss dringend beendet werden“, fordert der Grünen-Agrarexperte im Landtag Benjamin Raschke.

Ohnehin muss sich der Landtag bis Ende März erneut mit dem Thema beschäftigen. Aller Voraussicht nach haben die Organisatoren der Volksinitiative gegen Massentierhaltung die dafür erforderliche Hürde von mindestens 20 000 Unterschriften locker genommen. Allerdings muss der Landeswahlleiter die Gültigkeit aller abgegebenen Stimmen noch prüfen. Dafür braucht er einen Monat. Lehnt der Landtag die Forderungen dann ab, können die Initiatoren ein Volksbegehren starten.

Ziel der Initiative, hinter der das Aktionsbündnis Agrarwende Berlin-Brandenburg steht, ist es unter anderem, dass in der Region künftig nur noch artgerechte Tierhaltung staatlich gefördert wird. Außerdem soll Brandenburg das sogenannte Kupieren, also das Abschneiden von Schwänzen und Schnäbeln, verbieten und einen Landestierschutzbeauftragten berufen. Zudem fordern sie eine Klagerecht für Tierschutzverbände, ein stärkeres Mitspracherechte für Kommunen, schärfere Emissionsvorschriften für Ställe und schärfere Vorschriften für den Einsatz von Antibiotika.

Axel Kruscht, der Landeschef des BUND, der ebenfalls zum Aktionsbündnis gehört, sieht sich in seiner Haltung durch die Zahl der gesammelten Unterschriften bestätigt. „Das zeigt, dass die Zeit für das Thema reif ist. Die Menschen wollen einfach eine andere Art der Tierhaltung.“ Es gehe nicht nur um den Tierschutz, sondern auch um den Schutz der Verbraucher. „Wir mussten kaum aktiv für die Volksinitiative werben, die Menschen bewegt das Thema.“

Wie berichtet hat die Zahl der großen Zucht- und Mastanlagen in Brandenburg in jüngster Zeit deutlich genommen. Hintergrund ist, dass Anlagenbetreiber in Hochburgen der Massentierhaltung, etwa in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und den Niederlanden, kaum noch neue Anlagen genehmigt bekommen. Zuletzt hat Niedersachsen die Vorschriften sogar verschärft. Umstritten ist die Massentierhaltung wegen ihrer negativen Folgen für die Umwelt und für die menschliche Gesundheit. Unter anderem wird die Tierhaltung im industriellen Maßstab verantwortlich dafür gemacht, dass sich sogenannte antibiotikaresistente Keime immer stärker ausbreiten. Sie sind vor allem für immungeschwächte Personen gefährlich. Außerdem führt das Ausbringen der Gülle auf den Feldern zu einer Belastung des Grundwassers mit Stickstoff. Grüne und Naturschützer werfen der rot-roten Landesregierung vor, den Bau großer Ställe allein in der vergangenen Legislaturperiode mit 70 Millionen Euro gefördert zu haben.

Jens-Uwe Schade, Sprecher im Agrarministerium, wirft Grünen und BUND dagegen Stimmungsmache vor. „Es gibt keine Förderung für Anlagen zur intensiven Tierhaltung. Es handelt sich um eine Investitionsförderung“, sagt Schade. Gefördert werden könnten zum Beispiel auch Beregnungsanlagen oder neue Silos. Die Kriterien für die 40-prozentige Premiumförderung seien zudem „sehr streng“, unter anderem müsste bestimmtes Einstreu genutzt und Beschäftigungsmöglichkeiten für die Nutztiere geschaffen werden. Gerade um eine Förderung von Megaställen auszuschließen, sei zudem eine Maximalfördersumme eingeführt worden, würden flächenlose Zucht- und Mastbetriebe künftig gar kein Geld mehr erhalten. „Wir wollen den schwarzen Schafen das Handwerk legen und über gewisse Stellschrauben lässt sich auch noch reden“, so Schade.

Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) setzt angesichts der Kritik am rot-roten Kurs nun auf Dialog. Ab Dezember wolle er an einem Runden Tisch mit den Gegnern der Massentierhaltung über die „Problemlagen“, aber auch „Investitionen ins Tierwohl“ ins Gespräch kommen. Den Begriff Massentierhaltung wollte Vogelsänger dennoch nicht verwenden und betonte auch, dass die Zahl der Beschäftigten in der Landwirtschaft seit 2010 um acht Prozent gestiegen sei.

BUND-Geschäftsführer Kruschat allerdings hält nichts von Debatten am Runden Tisch, sondern fordert klare Regeln vom Landtag, um die Massentierhaltung einzuschränken. Zumindest stellt sich die SPD, bislang eifrig Verfechter der bestehenden Agrarstrukturen mit Großbetrieben und industrieller Produktion, nicht komplett quer. SPD-Fraktionsvize Jutta Liese sagte, ihre Fraktion und der Landtag werden sich intensiv mit dem Thema beschäftigen. Allerdings schränkte sie zugleich ein: „Im Vordergrund steht das Tierwohl und nicht die Zahl der Tiere, die gehalten werden.“

Zumindest haben die Sozialdemokraten nach dem erfolgreiche Volksbegehren für ein Nachtflugverbot am Hauptstadtflughafen BER und dem Einzug der Freien Wähler in den Landtag, die die Interessen von rund hundert Bürgerinitiativen im Land vertreten, dazugelernt. Rundweg ablehnen können sie die Volksinitiative gegen Massentierhaltung nicht.

Der Koalitionspartner, die Linke, ist schon weiter. Auf ihrer Fraktionsklausur legte die Linke kürzlich als ein Schwerpunkt „die Klärung drängender Fragen in der brandenburgischen Landwirtschaft“ fest und nannte ausdrücklich Massentierhaltung. Die Linksfraktion will eine „parlamentarische Initiative zur Festlegung von Normen der tierartgerechten Haltung an allen Standorten“ vorbereiten. Schon in ihrem Wahlprogramm kam die Linke den Forderungen der Volksinitiative deutlich entgegen.

Unterdessen haben die Gegner der Massentierhaltung in der Prignitz einen Sieg errungen. Die äußerst umstrittene Hähnchenmastanlage, die der niederländische Investor Bert Groenstege bei Gumtow geplant hat, darf nicht gebaut werden. Entsprechende Berichte der dortigen Bürgerinitiative „Gumtow gegen Tierfabrik“ hat das Landesumweltamt am Donnerstag bestätigt. Die Gründe für die Ablehnung seien, dass die geplante Mastanlage kein landwirtschaftlicher Betrieb sei und das Vorhaben damit gegen die Ziele der Raumordnung verstoße, die gewerbliche Ansiedlungen außerhalb von Siedlungsgebieten ausschlössen. Außerdem sei die Erschließung, also die Erreichbarkeit, der Anlage nicht gesichert und die Gemeinde habe sich gegen die Pläne ausgesprochen, heißt es in einer Stellungnahme der Genehmigungsbehörde. „Die Bescheide sind allerdings noch nicht rechtskräftig, da die Widerspruchsfrist noch läuft“, fügte Behördensprecher Thomas Frey hinzu.

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