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Zweisprachiger Unterricht: Weniger Lehrer für die Sorben
Vorgaben für Klassengrößen wurden nie eingehalten, jetzt will das Bildungsministerium die Standards durchsetzen und löst Empörung aus
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Potsdam - Brandenburgs Bildungsministerium sorgt mit Einschnitten beim zweisprachigen Unterricht für Sorben an Lausitzer Schulen für Ärger innerhalb der rot-roten Regierungskoalition. Die Linksfraktion im Landtag reagierte empört auf „wahllose Kürzungen“ durch das von Martina Münch (SPD) geführte Ressort und wittert einen Umschwung in der Minderheitenpolitik.
Der Linke-Abgeordnete Jürgen Maresch sieht gar einen Verstoß gegen den Koalitionsvertrag, in dem sich Rot-Rot zur Förderung der Mehrsprachigkeit in Brandenburg verpflichtet hat. Auch die Sorben schlagen Alarm. Am Donnerstag kommt der Rat für sorbische Angelegenheiten in einer eilig einberufenen Sondersitzung im Landtag zusammen, einziges Thema ist die „Zukunft des bilingualen Unterrichtes“ im kommenden Schuljahr. Der Vorsitzende des Rates, Harald Konzak, kündigte Widerstand an und sagte der Zeitung „Serbske Nowiny“: „Solch ein Vorgehen lassen wir uns nicht gefallen.“ Das von Martina Münch (SPD) geführte Bildungsministerium dagegen wurde von der massiven Kritik und den heftigen Reaktionen völlig überrascht und versucht nun, den Konflikt zu entschärfen. Ministeriumssprecher Stephan Breiding dementierte sogar Sparpläne und sprach von einer unglücklichen Diskussion. „Wir wollen das Angebot weder abschaffen noch ausbluten lassen.“
Konkret geht es um das Witaj-Projekt zur „Revitalisierung des Gebrauchs der niedersorbischen Sprache“, über das die zweisprachige Betreuung und Ausbildung an Kindergärten und Schulen in der Lausitz organisiert wird. Das seit 1998 laufende Projekt gilt als Erfolgsmodell. In 24 Lausitzer Schulen auf Brandenburger Seite wird Sorbisch als Fremdsprache angeboten, 900 Schüler machen davon Gebrauch. Dabei soll es bleiben, Einschnitte wird es aber anderer Stelle geben: An sechs dieser zumeist Grundschulen reden die Lehrer auch in anderen Fächern wie Mathematik oder Kunst Sorbisch mit den Schülern. Die Zahl dieser Unterrichtsstunden solle um fast die Hälfte gekürzt werden, berichtete jetzt die sorbische Abendzeitung „Serbske Nowiny“. Der Leiter der Cottbuser Außenstelle des sorbischen Witaj-Sprachzentrums, Meto Nowak, der auch im Rat für sorbische Angelegenheiten ist, sagte: „Im 1. und 2. Schuljahr soll das Witaj-Modell abgeschafft werden.“ Erst ab dem 3. Schuljahr sehe das Ministerium für Sorbisch-Schüler wieder zweisprachigen Unterricht vor. Würden die Ministeriumspläne umgesetzt, könne an vier dieser sechs Standorte nicht mehr nach der geltenden Witaj-Konzeption gearbeitet werden.
Zusätzliche Brisanz erhält der Konflikt, weil Sachsen gerade einen Maßnahmeplan zur Förderung der sorbischen Sprache, die nur ein Viertel der 40 000 Sorben in Sachsen und 20 000 in Brandenburg im Alltag spricht, vorgelegt hat. Der Plan wurde eng mit der Domowina, also dem Dachverband der Sorben, abgestimmt und sieht auch den Erhalt des Witaj-Projektes vor.
Maresch, minderheitenpolitischer Sprecher der Linksfraktion in Brandenburg, warf dem Bildungsministerium in Potsdam vor, es gefährde mit den Kürzungsplänen den Fortbestand des Projekts ernsthaft. Münch müsse die „Planspiele in ihrem Haus unverzüglich“ beenden. „Mit Nachhaltigkeit und Verlässlichkeit von Politik hat das nichts zu tun“, sagte er. Kritik übt Maresch auch am Stil des Ministeriums. Weder die Domowina noch deren Rat im Landtag und die Witaj-Schulen seien „in die Diskussion einbezogen“ worden.
Ministeriumssprecher Breiding dagegen sagte, es gehe um einen normalen Verwaltungsvorgang. „Wir werden nichts wegnehmen und setzen keine neuen Standards, über die jemand informiert werden müsste. Wir erinnern die betroffenen Schulen lediglich an Vorgaben, die mehr als bisher eingehalten werden müssen“, erklärte er. Demnach wird für den zweisprachigen Unterricht Personal bereitgestellt, wenn in den Lerngruppen der Klassenstufen mindestens zwölf Schüler sitzen. Davon hätte die Schulen bislang wegen des Lehrerüberhangs der vergangenen Jahre im Schulamtsbezirk Cottbus abweichen können, teils hätten Lehrer in Lerngruppen von nur zwei Schülern unterrichtet. Bei den Personalplanungen für das nächste Schuljahr und den Zuweisungen an die Schulämter habe das Ministerium nur an die Mindestgröße erinnert. „Es gibt Vorgaben zur Einhaltung. Früher wurde da ein Auge zugedrückt. Man kann immer von den Standards abweichen, wenn man den Puffer dafür hat. Den gibt es nicht mehr“, sagte Breiding. „Jetzt müssen wir uns mehr denn je daran halten. Das ist eine Reaktion auf die Realität der Ausstattung.“ Deshalb werde es keine pauschale Zuweisung für jedes Angebot mehr geben, wenn nur ein Schüler da sei. „Dafür haben wir die Ressourcen nicht mehr, das ist nicht mehr vertretbar.“ Jetzt sei den Schulen Personal auf Grundlage der Mindestgröße zugewiesen worden und damit weniger Lehrer. „Es wird aber nicht weniger Unterricht angeboten als bisher“, sagte der Sprecher. Jeder Schüler werde weiterhin zweisprachigen Unterricht bekommen. Wenn sich weniger als zwölf Schüler pro Jahrgangs-Lerngruppe anmelden, käme auch jahrgangsübergreifender Unterricht in Frage. „Sollten alle organisatorischen und strukturellen Möglichkeiten nicht reichen, wird es im Einzelfall auch Ausnahmen geben“, so Breiding. Es gebe die Maßgabe, „dass jeder teilnehmen kann, der will“.
Parallel zur Personalverschiebung läuft im Ministerium eine Evaluation des Witaj-Projekt. Geprüft werde, ob das Angebot das richtige Instrument ist. „Wir wollen es stärken und weiterentwickeln, müssen aber schauen, wie es finanzierbar ist und sinnvoll organisiert werden kann“, sagte der Sprecher. Zumindest musste er einräumen, dass zwischenzeitlich auf Arbeitsebene im Ministerium erwogen wurde, den zweisprachigen Unterricht in der 1. und 2. Klasse abzuschaffen – was bei den Sorben gerade Empörung auslöste. Derlei Überlegungen sind laut Breiding vorerst vom Tisch, andere würden am Ende überdies „vielleicht nie spruchreif“.
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