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Von Jana Haase: Wenn der Praktikant zum Spion wird

71 mal ermittelte die Staatsanwaltschaft seit 2001 wegen Wirtschaftsspionage / Verfassungsschutz warnt vor Auslandsgeheimdiensten

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Potsdam/Neuruppin - Für die betroffenen Firmen steht im schlimmsten Fall die Existenz auf dem Spiel: 71 Fälle von Wirtschaftsspionage hat die dafür zuständige Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Neuruppin seit 2001 bearbeitet. In etwa der Hälfte der Verfahren sei es zur Anklage und Verurteilung gekommen, sagte Oberstaatsanwalt Gerd Schnittcher auf PNN-Anfrage. Die Fälle reichten von der einfachen Weitergabe von Kundendaten bis zum systematischen Ausspionieren von Hochtechnologie.

Die Schäden für die Firmen gingen teilweise „in die Millionen“, in anderen Fällen lägen sie jedoch deutlich darunter, so Schnittcher. Besonders teuer wird es immer dann, wenn forschungsintensive Hochtechnologie geklaut wird - passiert sei das in Brandenburg zum Beispiel bei einer Methode zur Abfallvergasung und bei speziellen Granulatkörnern für die Chemiewaffen-Abwehr. Eine Schätzung über den finanziellen Gesamtschaden der bisher bekannt gewordenen Spionage-Fälle sei schwierig, so Schnittcher.

Bei Überführung erwartet die Täter eine Geldstrafe und Gefängnisstrafen von drei, in besonders schweren Fällen bis zu fünf Jahren. Beim letzten spektakulären Fall war das Eisenbahn-Hersteller Bombardier mit Sitz in Henningsdorf Opfer von Technologie-Klau geworden. Der Prozess gegen die beschuldigten Spione von einer Konkurrenzfirma in Nordrhein-Westfalen endete 2006 mit zwei Jahren Haft und einer Geldstraße von 500 000 Euro. Um die Aufklärung solcher Fälle kümmert sich eine gemeinsame Ermittlungsgruppe von Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt.

Besonders schwierig wird deren Arbeit, wenn die Drahtzieher im Ausland sitzen. Das sei in jedem dritten Verfahren der Fall, so Schnittcher. Die Verdächtigten kamen etwa aus Rumänien oder China: „Dann sind wir auf Rechtshilfe aus dem Ausland angewiesen und das ist bei einigen Ländern noch schwerfällig.“

Firmen, die einen Spionage-Verdacht haben, können sich zunächst auch informell bei der Korruptionsabteilung der Neuruppiner Staatsanwaltschaft beraten lassen, betont er. Dieses Angebot bestehe unabhängig von einer späteren Anzeige.

Auch der Verfassungsschutz des Landes Brandenburg warnte am Donnerstag auf einer gemeinsamen Tagung mit der Industrie- und Handelskammer Potsdam (IHK) erneut vor Wirtschaftsspionen im Land. Dabei ging es allerdings weniger um Ausspähung durch Konkurrenzfirmen, als um Spionage durch ausländische Geheimdienste. Im Fokus stehen laut Verfassungsschutz insbesondere China und die Russische Förderation, deren Geheimdienst einen gesetzlichen Auftrag zur Wirtschaftsspionage hätten.

„Wir haben die Sorge, dass brandenburgische Unternehmen bereits Opfer geworden sind, ohne es bemerkt zu haben“, sagte Winfriede Schreiber, die Chefin des Brandenburgischen Verfassungsschutzes, am Rande der Tagung: „Die Unternehmer sind sich der Professionalität der Ausspähung gar nicht bewusst.“ Allein der chinesische Geheimdienst beschäftigt laut Bundesverfassungsschutz rund 800 000 Mitarbeiter, in Russland seien es rund 375 000. Bei Kontakt mit Gästen aus diesen Ländern, etwa Praktikanten oder Studenten, sei daher Vorsicht geboten.

Bisher sei in Brandenburg allerdings noch kein solcher Fall aufgedeckt worden, räumte Schreiber ein. Sie geht von einer hohen Dunkelziffer aus. Betroffene würden eine Anzeige aus Angst vor drohendem Imageverlust scheuen. Verdachtsfälle würden jedoch vertraulich behandelt, sicherte sie zu. Der Verfassungsschutz bietet außerdem Informationsgespräche zur Prävention an.

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