Prüfbehörde entlarvt Landesregierung in HBS-Förderskandal: Wer ist der Betrogene?
Erstmals äußerte sich im Landtag eine Mitarbeiterin der Prüfbehörde im Finanzministerium zum HBS-Förderskandal. Und sie erschüttert die bisherige Darstellung von Wirtschaftsministerium und Förderbank ILB.
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Potsdam - Sie ist der lange Arm der EU-Kommission und prüft, ob in Brandenburg bei der Vergabe von Fördergeld aus Brüssel alles rechtens läuft. Vera Fiebelkorn ist Referatsleiterin im Finanzministerium in Potsdam, ihr unterliegt die Finanzkontrolle der EU-Fonds und sie darf an den Hierarchien vorbei direkt der Spitze des Ministeriums berichten.
Was sie am Dienstagabend im Haushaltskontrollausschuss des Landtags zum Förderskandal um die Firma Human Biosciences (HBS) vortrug, bringt den Linksfraktionschef und früheren Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke), seinen Amtsnachfolger Albrecht Gerber (SPD) und den Vorstandschef der Landesförderbank ILB, Tillmann Stenger, in Bedrängnis. CDU-Wirtschaftsexperte Dierk Homeyer sieht sich sogar von ihnen getäuscht – und das seit nunmehr drei Jahren, seit Anfang 2014 die Affäre um laxe Kontrollen, um politischen Druck von Christoffers, um einen Fördermittelbetrug und eine Bauruine in Luckenwalde erstmals publik wurde.
Verdacht, dass im Fall HBS etwas schief gelaufen ist, bestätigt
Vera Fiebelkorn, eine versierte Juristin, wählte ihr Worte mit Bedacht, war gut vorbereitet und wusste genau, was sie da aussprach. Ihre Aussagen trafen die Vertreter der rot-roten Koalition im Ausschuss. Im Kern bestätigte sie den stets von CDU und Grünen gehegten und auch durch die Medien, konkret RBB und PNN, erhärteten Verdacht, dass im Fall HBS etwas schief gelaufen ist.
Immerhin geht es um einen der schwersten Fälle von Subventionsbetrug im Land. In Luckenwalde wollte HBS 42 Millionen Euro in eine Fabrik für Wundpflaster investieren. Das Land förderte das bis 2012 mit sechseinhalb Millionen Euro, hinzu kommen 4,6 Millionen Euro Investitionszulagen vom Finanzamt – also mehr als elf Millionen Euro insgesamt. Angeblich kaufte HBS 36 Industriekühltrockner – doch nur zwei kamen an. Wenig später ging die Firma pleite. Das Fördergeld haben die später wegen Betrugs zu Haft verurteilten Firmenchefs ins Ausland geschafft, in Luckenwalde steht eine Bauruine.
Förderbank ILB war schlichtweg überfordert
Das hätte verhindert werden können, es gab Hinweise auf Betrug und fehlende Bonität. Die Gelder wurden laut ILB nur auf „der Basis von durch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer bestätigte Rechnungen“ gezahlt. Doch die Rechnungen waren gefälscht. Originalrechnungen und Kontobelege legte HBS nicht vor, das Land fand sich damit ab. Später befand das Landgericht Potsdam bei der Verurteilung der HBS-Manager: Die Förderbank ILB war schlichtweg überfordert.
Christoffers, Gerber und Stenger stellen sich als Opfer besonders gewiefter Betrüger dar. Und bei HBS sei der Förderantrag ohnehin schon über das übliche Maß hinaus geprüft worden. Trotz Verdachtspunkten habe nichts Gerichtsfestes gegen HBS vorgelegen; deren Anwälte saßen der ILB im Nacken und hätten mit Schadenersatzforderungen gedroht.
Vera Fiebelkorn kommt zu einem ganz anderen Ergebnis. Bei der EU-Förderung müssen die Empfänger ihre Investitionen vorstrecken, dann bekommen sie Geld vom Land, das sich die Mittel dann von der EU holt. 2010 hatte HBS die Zahlung von 3,3 Millionen Euro beantragt, im April 2011 floss das Geld, das Wirtschaftsministerium stellte im Oktober 2011 einen Zahlantrag bei der EU. Anfang 2011 nahm sich die Prüfbehörde von Vera Fiebelkorn des Falls an, die Prüfer waren auch vor in Luckenwalde bei HBS, wo sie brüsk abgewiesen und die Herausgabe von Unterlagen verweigert wurde.
Zertifikate und Finanzierungskonzept nicht belegt
Was Fiebelkorn und ihre Mitarbeiter feststellten? Es fehlt der Nachweis einer deutschen Hausbank, es fehlten Eigenmittel, Zertifikate waren nicht belegt, das Finanzierungskonzept war nicht belegt. HBS legte zwar Rechnungen für Investitionen vor. Doch ob die Firma diese Investitionen vorgenommen und an Auftragnehmer gezahlt hat, konnte nicht belegt werden. ILB und Wirtschaftsministerium haben sich nicht einmal an die von ihnen selbst im Förderbescheid erteilten Auflagen an HBS gehalten, nämlich originale Kontoauszüge zu verlangen, und akzeptierten Zahlungsbestätigungen vom Steuerberater. Sie haben also gegen EU-Recht verstoßen. Die Regeln seien nicht „auslegungsbedürftig“, sagte Fiebelkorn. „Wenn Auflagen nicht erfüllbar waren, dann hätte dies eines Änderungsbescheids bedurft.“ So sieht es das Verwaltungsverfahrensgesetz der Bundesrepublik vor. Und auch die Landeshaushaltsordnung fordert Zahlungsbeweise.
Das alles hat die Prüfbehörde auch dem Wirtschaftsministerium und der ILB „frühzeitig“ mitgeteilt, bevor sie Ende Oktober ihren Prüfbericht vorlegt hat – noch bevor die ILB die zweite Fördertranche von 3,2 Millionen Euro an HBS zahlte. Fiebelkorn erteilte sogar Auflagen, dass alle förderfähigen Ausgaben durch quittierte Rechnungen und Zahlungsbelege nachzuweisen seien. ILB und Ministerium hätten also schon früher misstrauisch werden müssen. Denn ein Lieferant von HBS aus Übersee bestätigte zwar schon 2010 Zahlungen durch 40 Barschecks. Doch die Prüfer stellten fest, dass nur drei eingelöst worden waren.
Bezahlt wird das alles - von Brandenburgs Steuerzahlern
Die ILB wies die Vorwürfe am Abend gegenüber den PNN zurück und erklärte, die Prüfbehörde sei im November 2012 zu dem Ergebnis gekommen, dass die „ursprünglich festgestellten Mängel fast vollständig von dem Zuwendungsempfänger geheilt werden konnten“. Insbesondere die relevanten Zahlungsnachweise seien durch den Zuwendungsempfänger EU konform eingereicht worden.
Inzwischen ist der Fall allerdings abgeschlossen. Das brandenburgische Wirtschaftsministerium entschied im Dezember, dass sich das Land die HBS-Fördergelder nicht von der EU holt. Im Dezember verschwieg Minister Gerber dies im Wirtschaftsausschuss noch. Bezahlt wird alles: von den Brandenburger Steuerzahlern.
Alexander Fröhlch
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