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Von Claus-Dieter Steyer: Wettlauf auf der Oder

Eisbrecher bei Tauwetter wieder im Einsatz / Streusalzlager können erneut aufgefüllt werden

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Hohenwutzen – Das Tauwetter bedeutet im Hochwassergebiet entlang der Oder nordöstlich Berlins sowohl Segen als auch Fluch. Schließlich kann mit den steigenden Temperaturen die deutsch-polnische Eisbrecherflotte endlich von Stettin aus die geschlossene Eisdecke zerkleinern, damit das Wasser wieder ungehindert in das Oderhaff und die Ostsee gelangt.

Bei Frost macht ihr Einsatz nur wenig Sinn, weil die gebrochenen Eisstücke dann immer wieder zusammenfrieren und neue Barrieren bilden. Allerdings liegt vor den schweren Schiffen ein rund 27 Kilometer langer Weg durch bis zu zwei Meter starkes Eis. Erst bei Hohensaaten am nördlichen Rand des Oderbruchs ist der Fluss wieder frei. „In zwei Tagen müssten sie es geschafft haben“, sagt der Chef des Brandenburger Landesumweltamtes Matthias Freude. „Genauso lange brauchen aber auch die Eisschollen aus der Warthe, die von einem 70 Kilometer langen Eispanzer bedeckt ist.“ Das sei die problematische Seite des Tauwetters. Wenn sich das Eis auf der Warthe, die bei Küstrin in die Oder mündet, erst einmal losreiße, müssten die Wasser- und Eismassen möglichst ungehindert in Richtung Ostsee abfließen.

Freude spricht von einem „dramatischen Wettlauf“ zwischen Eisbrechern aus dem Norden und dem Warthe-Eis aus dem Süden. Entschieden wird es im Laufe des heutigen Sonnabends oder des morgigen Sonntags. Im schlechten Fall würde das Wasser die Deiche überspülen und weite Landstriche zwischen Hohensaaten, dem Oderbruch und Küstrin überschwemmen. Betroffen wären rund 15 000 Menschen und mehrere Zehntausend Tiere.

Mit 25 000 Sandsäcken wollen die Einsatzkräfte im Notfall versuchen, das Wasser im Flussbett zu halten. „Die Lage ist angespannt, aber noch stabil“, hieß es im Hochwassermeldezentrum in Frankfurt. Die Oder weise in Hohenwutzen derzeit einen Pegelstand von 7,51 Metern auf, normal sind hier 3,34 Meter. Beim großen Sommerhochwasser 1997 wurden 7,46 Meter als Höchststand gemessen. Inzwischen sind die meisten Zufahrtsstraßen an den Deichen sowie quer durch das Oderbruch von Eis befreit. Einwohner und Landwirte mit ihren Tieren könnten somit rasch in höher gelegene Gebiete ausweichen.

Durch das Tauwetter entschärft sich auch die Situation auf den Autobahnen. Denn in ganz Brandenburg gibt es zu wenig Streusalz. „Wir haben mit unserem Händler in Bernburg in Sachsen-Anhalt eine tägliche Liefermenge von 4500 Tonnen vereinbart, erhalten aber nur 1000 Tonnen“, sagte der Vorstandsvorsitzende des Brandenburger Landesbetriebes Straßenwesen, Hans-Reinhard Reuter. „Die Kapazitäten des Lieferanten reichen für diesen ungewöhnlichen Winter einfach nicht aus.“ Jeder Tag ohne Glatteis sei eine große Erleichterung. Für den nächsten Winter will Reuter weitere Streusalzlager anlegen. Im Dezember und Januar seien auf Brandenburger Autobahnen sowie Bundes- und Landesstraßen schon 55 000 Tonnen Auftausalz gestreut worden. Im gesamten Winter 2009/2010 waren es insgesamt 87 000 Tonnen. 2006/2007 lag die Menge noch bei 19 000 Tonnen.

Im Vergleich zu anderen Bundesländern halten sich die Frostschäden auf den Brandenburger Straßen noch in Grenzen. „50 Prozent der Autobahnen sind tadellos, auf der anderen Hälfte müssen wir Löcher flicken“, sagt der Vorstandschef. „32 Prozent der Bundesstraßen sind beschädigt.“ Das Hauptproblem stellen aber die Ortsdurchfahrten dar, von denen sich nur ein Drittel noch in einem guten Zustand befindet. Claus-Dieter Steyer

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