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Brandenburg: Wie ausgewechselt

Dem Senat kommt innerhalb eines Jahres schon der zweite Ressortleiter abhanden – die Neubesetzung gestaltet sich schwierig

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Berlin - Die Suche nach einem neuen Wirtschaftssenator für Berlin ist offenbar schwierig. Viele Kandidaten werden genannt, etwa der wirtschaftspolitische Sprecher und parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Heiko Melzer. Der Politiker aber winkt ab: „Ich fühle mich in meiner Funktion sehr wohl und möchte gern in der Fraktion weiterarbeiten.“ Ein ernst zu nehmender Kandidat für die Nachfolge von Sybille von Obernitz wäre das langjährige Daimlervorstandsmitglied Manfred Gentz. Er lebt nach seinem Ausscheiden bei den Stuttgartern in Berlin. Er ist weltweit verdrahtet. Aber ob er sich das mit 70 Jahren noch antun will, ist eine andere Frage. Auch der einstige CDU-Hoffnungsträger Friedrich Merz wird immer wieder gerne genannt. Der Anwalt ist Partner einer in Düsseldorf ansässigen, internationalen Kanzlei und Steuer- und Wirtschaftsfachmann. Dass er sein hohes Einkommen gegen einen politischen Stressjob eintauscht, bei dem wenig Blumen zu gewinnen sind, ist kaum vorstellbar. Ein Berliner Hausgewächs wäre Walter Müller, Chef der weltweit größten Daimlerniederlassung. Nach 15 Jahren im Amt ist er kein bisschen müde. Müller kennt Berlins Wirtschaft aus dem ff.

Der Abgang der Wirtschaftssenatorin hat dem Ansehen des CDU-Chefs in der Partei nicht geschadet. Intern ist von Henkels „Entscheidungsstärke“ zu hören. „Die Koalition ist absolut stabil und nicht beschädigt. Die Entscheidung von Frau von Obernitz war richtig und konsequent“, sagt CDU-Fraktionschef Florian Graf. CDU-Parteichef und Innensenator Henkel selbst ließ sich am Montag nicht in seinem Tagesprogramm stören. Von einer Senatskrise sprach in Regierungskreisen niemand. Auf die Frage, ob er gute Laune habe, antwortete Henkel strahlend „Ja“.

„Qualität geht vor Schnelligkeit“, sagte CDU-Generalsekretär Kai Wegner zur Suche nach einem Wirtschaftssenator. „Zeitnah“ solle ein Nachfolger für Obernitz gefunden werden. „Wir wünschen uns eine Frau, aber das ist kein Dogma. Das Qualitätsargument zählt.“ Das Wirtschaftsressort, das Henkel kommissarisch übernimmt, soll einer „geeigneten Persönlichkeit“ übertragen werden, die politische Erfahrung hat und wirtschaftsaffin ist. Nach der glücklosen Erfahrung mit der parteilosen Sybille von Obernitz sollte es ein Parteimitglied sein. CDU-intern gibt es den Wunsch, dass ein Nachfolger vor den Herbstferien in der Abgeordnetenhaussitzung am 27. September vereidigt wird.

Nachdem Obernitz wohl nicht bereit war, trotz mehrfacher Aufforderung Henkel eine Lösung für den Eklat mit der Messe zu präsentieren, teilte er ihr mit, dass er keine Basis mehr für eine Zusammenarbeit sehe. Diese Entscheidung traf Henkel nach einem Gespräch mit hochrangigen CDU-Parteifreunden und einem Telefonat mit dem Regierenden Bürgermeister, Klaus Wowereit (SPD). Als Kurzzeitsenator Michael Braun (CDU) vergangenen Dezember seinen Rücktritt erklärte, lief das ähnlich ab.

In der SPD schiebt man den zweiten personellen Wechsel im noch jungen rot- schwarzen Senat allein der CDU zu. Das sei ein Problem für die Christdemokraten, heißt es. Die hätten Frau Obernitz ausgewählt und müssten jetzt auch einen Nachfolger finden. Eine Krise des gesamten Senats sehen sie trotz der Baustellen Flughafen BER, Streit um die neue Integrationsbeauftragte, die Niederlage von Stadtentwicklungssenator Michael Müller im Rennen um den SPD-Landesvorsitz sowie nun den Abgang von Obernitz nicht. In der Opposition hatten sich viele über den Stil der Senatorin gewundert, sie galt zuweilen als stur und überzogen eigenwillig. „Sie hat Fehler gemacht, daraus aber nun Konsequenzen gezogen, während Herr Wowereit in Sachen BER Milliarden versenkt und das einfach aussitzen will“, sagte Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop. Für einen Senat, der sich eine stärkere Wirtschaft auf die Fahnen geschrieben habe, sei es peinlich, nicht mal ein Jahr nach der Wahl ohne Wirtschaftssenatorin dazustehen. G. Appenzeller, S. Beikler,

J. Hasselmann, H. Heine, C. Tretbar

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