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Von Johann Legner: Wie die Anfangseuphorie endete

In Potsdam blickten am Montag Mitarbeiter der ersten Stunde zurück auf die Versuche einer gemeinsamen Landesplanung für Brandenburg und Berlin

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Sie unterschied sich wohltuend von den derzeitigen Jubelfeiern zu 20 Jahren deutscher Einheit – die Veranstaltung der gemeinsamen Landesplanungsabteilung der Länder Brandenburg und Berlin am Montag zu den Anfängen des Versuchs, aus der zerrissenen Region wieder eine gemeinsame werden zu lassen. Das Fazit der Aktivisten der ersten Stunde war übereinstimmend nüchtern. Hätte die Politik die guten Ansätze der Praktiker von 1990 aufgegriffen, so wäre uns so manche Fehlentscheidung erspart geblieben.

Wolf Beyer, der zu DDR-Zeiten ein Nischendasein im Büro für Territorialplanung des Bezirks Potsdam genoss, hatte 1990 endlich all die Möglichkeiten, von denen er bis dahin nur hatte träumen können. Und so machte er sich in der neuen Brandenburgischen Landesregierung unter anderem auch an sein Steckenpferd: die Bevölkerungsprognose. Die Zahlen, die er 1992 ablieferte, widersprachen allerdings ganz erheblich den damaligen euphorischen Betrachtungen. Auf 2,506 Millionen hatte er für 2009 die Einwohnerzahl vorhergesagt, gerade mal 0,2 Prozent weniger, als tatsächlich – ein Volltreffer, den er nicht dem Zufall, sondern seiner Methodik zuschreibt. „Hätte man das damals ernst genommen, so wäre uns die eine oder andere Kläranlage erspart geblieben“, sagt Beyer. Der frühere Referatsleiter im Umweltministerium ist mit seinem kritischen Rückblick nicht allein unter denen, die sich im Frühjahr 1990 anschickten, mitten im Chaos so etwas wie Ansätze einer gemeinsamen Planung zwischen den beiden noch geteilten Hälften Berlins und den drei noch existierenden DDR-Bezirken rund um die Metropole zu entwickeln. In den Rückblick mischt sich bei der Fachveranstaltung am Montag in Potsdam ein ganzes Stück Wehmut ob der verpassten Chancen.

Wie Beyer war auch Edith Lotzmann, damals in Cottbus als Planerin tätig, völlig unverhofft plötzlich mit Aufgaben konfrontiert, die ihr als parteiloser, kirchlich Engagierter in der DDR nie anvertraut worden wären. Und obwohl ihr Bezirk zunächst eher ein Stiefkind der Planung der Metropolenregion war, engagierte sie sich voll und ganz, arbeitete zeitweise auch in der Potsdamer Staatskanzlei, in der ein fachlich völlig unerfahrener Abteilungsleiter mit Namen Rainer Speer die Dinge zu regeln versuchte. Das was die engagierte Wahllausitzerin zusammen mit anderen erarbeitet hatte, „landete dann aber im Papierkorb“. Sie habe bis heute nicht begriffen, warum das so gekommen war.

Lotzmann und Beyer, die trotz allem stolz sind auf die Arbeit, die dann ab 1995 allmählich zu einer belastbaren Regionalplanung für Berlin und Brandenburg führte, sehen in den Turbulenzen der Anfangszeit den wesentlichen Grund für so manche Verzögerung in der Abstimmung zwischen den beiden Bundesländern. Die fand nach einem fulminanten Start über Jahre hinweg kaum noch statt. Die Kooperation mit den West-Berliner Planern, die innerhalb weniger Wochen zu Vorlagen führte, auf die heute noch zurückgegriffen werden kann, wurde abgelöst durch die von Beamten aus Nordrhein-Westfalen betriebene Eigenständigkeit der Planung in Potsdam. Das war, wohl „die späte Rache dafür, dass die Preußen einst bis zum Rhein vorgerückt waren“, sagt Beyer dazu spöttisch.

Inzwischen ist die Abstimmung von Infrastrukturvorhaben in vielen Punkten zur Routine geworden und die von beiden Ländern betriebene Verwaltungseinheit, die Gemeinsame Landesplanung (GL), ist auch das einzige Beispiel für eine Fusion auf der Ebene der Ministerien. Aber bei dem Rückblick werden die Versäumnisse klar, die heute nur schwer wieder aufzuholen sind. In der Energiepolitik beispielsweise, aber auch in Fragen der Verkehrspolitik gehen Berlin und Brandenburg selten gemeinsame Wege. Das hat insbesondere für die Randregionen Konsequenzen. Zwar gelang es gerade noch, die ehemaligen Cottbuser einzubeziehen, aber die Prignitz und die Uckermark, einst in anderen DDR-Bezirken, blieben viel zu lange außen vor. Und nach dem guten Start wurde Berlin auch nicht weiter in die Pflicht genommen. Die Planungen für den Lausitzring oder das Seenland beispielsweise, das alles waren Brandenburger Alleingänge genauso wie die Eisenbahninvestitionen weitgehend ein Berliner Geschäft blieben. Immerhin – dass darüber heute in Potsdam so offen geredet wird, lässt für die weitere Zukunft hoffen.

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