
© Lutz Hannemann
Von Alexander Fröhlich und Thorsten Metzner: Wie ein Parlament getäuscht wurde
Beim Krampnitz-Skandal zeigt sich symptomatisch, wie die Affären-Abteilung 4 des Finanzministeriums mit Landtag und Landesvermögen umgeht
Stand:
Potsdam - Es war wieder einmal die Abteilung 4, im brandenburgischen Finanzministerium unter anderem zuständig für Liegenschaften und schon in der Vergangenheit im Fokus fast aller Affären-Untersuchungsausschüsse des Landtags. Der Bodenreform-Ausschuss hatte ihr 2009 attestiert, ein Eigenleben entwickelt zu haben. Auch der Sonderbericht des Rechnungshofes zur Immobilienaffäre um die Krampnitz-Kasernen im Potsdamer Norden bescheinigte dem Beamtenapparat nun Versagen, weshalb selbst der Landtag getäuscht oder gar nicht informiert wurde. Selbst Anfang September noch, als das Nachrichtenmagazin „Stern“ und die PNN die Krampnitz-Affäre bereits aufgedeckt hatten und als von dem sich morgen konstituierenden Untersuchungsausschuss noch keine Rede war, versuchte die Abteilung brisante Details zu dem umstrittenen Geschäft zu deckeln. Ganz bewusst ist der Landtag über neueste Entwicklungen nicht unterrichtet worden. Das geht aus Akten des Finanzministeriums zum dem Verkauf des 112-Hektar-Areals hervor.
Bereits im Juli, also noch bevor die Affäre aufflog, hatten Mitarbeiter der Abteilung 4 angeregt, den Haushaltsausschuss über den Stand der Dinge zu informieren – denn sie hatten dieses Vorgehen als durchaus legitim erachtet. Es ging um die von der Brandenburgischen Boden Gesellschaft (BBG) nachverhandelten Verträge für die TG Potsdam, einem Firmengeflecht um den Hannoveraner Anwalt Ingolf Böx. Der hatte ohnehin nur ein Drittel der Kaufsumme von 4,1 Millionen Euro entrichtet, im Frühjahr wegen seiner Finanznöte vom Land davon 739 000 Euro überwiesen bekommen. Im Gegenzug für zwei unattraktive Teilflächen, die er dem Land zurückgab, sicherte er sich deren Reservierung
In einem Entwurf für ein Schreiben an den Vorsitzende des Haushaltsausschusses vom Juli 2010 heißt es, die nachgebesserten Verträge seien zweckmäßig und wirtschaftlich und würden dem Interesse der Stadt Potsdam und des Landes entsprechen. Zugleich ermöglichte dieses Vorgehen, die Entwicklung des Standorts fortzusetzen und diene der Umsetzung des Gesamtprojektes, was auch erklärte Absicht des Käufers sei. Diese Darstellung darf zwar nach dem aktuellen Sonderbericht der obersten Rechnungsprüfer bezweifelt werden, weil das Finanzministerium lückenhafte und widersprüchliche Angaben der BBG kaum nachprüfte. Doch der Landtag hätte zumindest davon erfahren. Auffällig ist aber, dass Rolf Haferkamp, Projektleiter und alleiniger Vertreter der TG Potsdam, zeitgleich mit dem Ansinnen der Ministeriumsmitarbeiter Anfang Juli überraschend verkündete: „Noch in diesem Jahr werden die ersten Bagger auf das Gelände fahren – die Zeit des Wartens endet.“
Am 1. September dann wurde der Vorstoß der Beamten, das Parlament zu informieren, von oberster Stelle wieder eingefangen. Zu einem Zeitpunkt, als die dubiosen Geschäfte des Anwaltes Böx und des Freundes von Ex-Minister Rainer Speer (SPD), Frank Marczinek, der 2006 mit Hilfe des damaligen Finanzministers den Landesflächenvermarkter BBG unter Wert erwarb, längst bekannt waren. „Nach Rücksprache“ mit dem Leiter der Abteilung 4 ist die Beteiligung des Haushaltsausschusses als „nicht erforderlich“ eingestuft worden, weil dies angeblich nach der Landeshaushaltsordnung nicht vorgeschrieben sei.
„Politisch und fachlich ist das unglaublich“, sagte der Abgeordnete Dierk Homeyer, der ab heute für die CDU im Untersuchungsausschuss sitzt. „Allein was bisher bekannt war, ist eigentliche nicht mehr zu überbieten. Dass eine Abteilung, die der politischen Führung gegenüber verantwortlich ist, zu solch einer Fehleinschätzung kommt, zu einer Zeit, als der Skandal schon in der Welt war, ist ungeheuerlich.“
Pikant ist zudem, dass das Ministerium von den Hintergründen für die eigenmächtig von der BBG geänderten Verträge nicht einmal etwas wusste. Denn bereits acht Monate bevor einzelne Mitarbeiter des Apparates im Sommer die Initiative ergriffen haben, um den Landtag zu informieren, hatte die Bank des Käufers den Rücktritt vom Krampnitz-Geschäft erklärt. Das aber hatte die BBG dem Finanzministerium nach Aktenlage verschwiegen, die Verträge im Februar 2010 sogar nachgebessert und damit gegen den Beschluss des Haushaltsausschusses verstoßen, weil das Ziel einer Gesamtvermarktung mit den neuen Verträgen aufgegeben wurde – so der Rechnungshof.
Das Vorgehen der Abteilung 4 noch Anfang September ist symptomatisch - für das Agieren des Finanzministerium seit den ersten Verhandlungen zu Krampnitz im Jahr 2007, ebenso dafür, wie der Landtag getäuscht wurde. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sah bislang trotzdem keinen Schaden für das Land. Dabei verkaufte die BBG, die frühere Militärflächen der Sowjets für das Land vermarktet, das Gelände nach Schätzungen des Rechnungshofs 10 Millionen Euro unter Wert.
Die TG Potsdam gab es bei Vertragsschluss nicht einmal. Die BBG wies selbst darauf hin, dass der Krampnitz-Vertrag in zwölf Punkten von den üblichen Musterverträgen abwich. In der Beschlussvorlage für den Haushaltsausschuss schrieb das Ministeriums, damals unter Rainer Speer, die Verträge entsprächen den Musterkontrakten. Das Finanzministerium stellte die TG Potsdam als komplett haftenden Käufer und als Unternehmen der dänischen Thylander-Group dar. Alles falsch.
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