Brandenburg: Wildschwein griff Menschen an
Jäger erschoss waidwunden Keiler im Grunewald
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Berlin - Der Keiler war außer Rand und Band und biss innerhalb weniger Stunden drei Spaziergänger im Berliner Grunewald, bevor er zur Strecke gebracht wurde: Das ist die Bilanz einer ungewöhnlichen Wildschweinattacke am Sonntag. Weshalb sich das Tier derart aggressiv verhielt, stellte sich nach seinem Abschuss heraus. Es hatte bereits eine frische Schussverletzungen am Hinterteil, die vermutlich von der Kugel eines Jägers herrührte. „Normalerweise greifen Wildschweine kaum Menschen an“, sagt der Wildtierbeauftragte des Senats, Derk Ehlert. In Berlin leben laut Ehlert zur Zeit etwa 3000 bis 5000 Wildschweine, in Brandenburg wird ihre Zahl auf mehr als 50 000 geschätzt. Experten gehen davon aus, dass sich die Tiere in Zukunft vor allem in Berlin noch stärker vermehren werden und besonders Klagen über zerwühlte Gärten entsprechend zunehmen.
Weil der wildgewordene Keiler an der Havelchaussee offenbar durch eine schwere Jagdwunde in Panik geraten war, fahndet die Forstverwaltung nun nach dem Schuldigen. Möglicherweise habe sich in diesem Falle ein Jäger „eklatant falsch verhalten“, sagte am Montag Behördensprecher Marc Franusch. Gelingt einem angeschossenen Wildtier die Flucht, muss es mit Hunden verfolgt und aufgegriffen werden. Wildschweine können andernfalls zu lebensbedrohlichen Angreifern werden. Wie groß diese Gefahr ist, zeigt ein tödlicher Unfall vom Oktober 2008 bei Potsdam: Dort stürzte ein angeschossener Keiler auf einen Jäger zu und zerfetzte dessen Schlagader.
Im Normalfall nehmen Wildschweine aber nach Auskunft des Forstsprechers Reißaus, wenn ihnen Menschen begegnen. „Man darf sie allerdings nicht in die Enge drängen.“ Die meisten Klagen über marodierende Schwarzwild-Rotten kommen deshalb eher von Hausbesitzern, in deren Gärten die Tiere die Sau rauslassen. Beete werden zerwühlt, Zäune zerstört. Hinzu kommt, dass die intelligenten und flexiblen Tiere immer weiter in die Stadt vordringen. „Sogar am Alexanderplatz wurde schon ein Schwarzkittel gesichtet“, sagt Forstsprecher Franusch. In Westend habe es 2008 eine regelrechte Wildschweinplage gegeben.
Um der wachsenden Schar Einhalt zu gebieten, wurden in den vergangenen Jahren immer mehr Wildschweine abgeschossen. Allein in Brandenburg erlegten Jäger 2008 rund 80 000 Tiere. Dadurch hielten sie den durchschnittlichen Gesamtbestand bei etwa 50 000. „Andernfalls hätten wir hier schon weit über 100 000 Wildschweine“, heißt es im Landwirtschaftsministerium. In Berlin wurden 2008 und 2009 4500 Tiere geschossen.
Doch während die Jagd in der Mark laut Ministerium „noch das beste Mittel ist, um den Bestand einzudämmen“, kommt man in Berlin mit der Flinte längst nicht so weit. Denn die Tiere schlagen den Jägern ein Schnippchen. Sie halten sich immer häufiger in Wohngebieten auf, wo das Waidwerk nur sehr eingeschränkt erlaubt ist, die Lebens- und Vermehrungsbedingungen aber für sie ideal sind. Im Grunewald gibt es extrem viele Eicheln, am Stadtrand üppige Gemüsegärten. So steht die Forstverwaltung dem Problem teils hilflos gegenüber. Zusätzlich anfüttern dürfe man Schwarzwild auf keinen Fall, appelliert sie an die Bevölkerung.
Christoph Stollowsky
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