
© dapd
Brandenburg: „Wir brauchen jetzt mehr Lehrer“
Fraktionschef und Linke-Spitzenkandidat Christian Görke über seine Ziele zur Landtagswahl 2014, die Gemeinschaftsschule, den Ausstieg aus der Braunkohle und über das Sparen
Stand:
Herr Görke, Sie sind Spitzenkandidat der Linken zur Landtagswahl in Brandenburg 2014, der einzig verbliebenen Linken-Landespartei mit Regierungsbeteiligung. Ein mächtiger Posten. Was sind Ihre Ziele für die Wahl?
Gewählt wird im Januar. Und ja, es ist eine große Herausforderung, aus der Regierungsverantwortung heraus den Wahlkampf zu führen. Es wird ein Wahlmarathon, die Bundestagswahl, die Kommunal- und Europawahl bis zur Landtagswahl. In Ostdeutschland wird dann nicht nur in Brandenburg, sondern auch in Sachsen und Thüringen ein neuer Landtag gewählt. Dass wir Brandenburg sozial vorangebracht haben, ist ein Referenzprojekt für andere Länder. Es wäre gut für Brandenburg und den Osten, wenn nicht nur eine rot-rote Regierung für gute Arbeit in der Privatwirtschaft und Verwaltung steht, um die hohe Anzahl prekärer bzw. ungesicherter Arbeitsplätze weiter zurückzudrängen.
Abgesehen davon, dass sich die SPD in Sachsen und Thüringen schwerer mit der Linken tut, was wollen Sie in Brandenburg erreichen?
Lassen Sie mich zunächst sagen: Wir haben die Schuldenaufnahme im Haushalt beendet – und das mit sozialem Augenmaß. Das ist für die Zukunft und alle weiteren Weichenstellungen wichtig. Gleichzeitig haben wir die Ausgaben für Bildung und Wissenschaft erhöht. Bis 2014 werden wir mindestens 2000 neue Lehrer einstellen. Aber das genügt nicht, das wissen wir. Führen wir ein längeres gemeinsames Lernen ein, so sind mehr Lehrer nötig. Erhöhen wir die Zahl der kleinen Grundschulen, so fordert das ebenfalls Personal. Und unser Ziel bleibt die inklusive Gemeinschaftsschule, in der Kinder von der ersten bis zwölften Klassen lange gemeinsam lernen können. Gemeinschaftsschulen sind Ganztagsschulen. Sie sind leistungsfähig, weil sie die Besten nicht frühzeitig auslesen, sondern die Verschiedenheit von Kindern und Jugendlichen nutzen, um durch Zusammenarbeit Lernfortschritte bei allen zu erzielen und Spitzenleistungen hervorzubringen.
Sie hatten bei der Bildung schon in dieser Legislaturperiode Auseinandersetzungen mit der SPD, haben draufgepackt, mehr Lehrerstellen geschaffen als vereinbart. Jetzt noch mehr Stellen. Wie soll das gehen?
Kinder sind unsere Zukunft. Deshalb müssen wir hier am besten investieren. Das Durchschnittsalter unserer Lehrer ist über 51 Jahre. Wir brauchen mehr jüngere gut ausgebildete Lehrkräfte. Da müssen wir ran und mit den Gewerkschaften Lösungen für altersgerechtes Arbeiten finden. Wir wollen im Sinne der Kinder weitere Perspektiven für Bildung, Wissenschaft und Personalentwicklung im öffentlichen Dienst.
Und die Finanzierung?
Fest steht: Wir brauchen jetzt Lehrerinnen und Lehrer. Dafür tun wir viel in Brandenburg. Wir stellen ein und bilden aus mit Blick auf die nächsten Jahre. Ab 2014 brauchen wir allein für die inklusive Schule 800 neue Lehrer, und die müssen wir finanzieren. Wer wirklich diese gemeinsame Schule will, dem muss klar sein, dass sie nicht zum Nulltarif zu haben ist.
Beim Personal wollen Sie mehr Geld ausgeben. Von den Plänen, von 50 000 auf 40 000 Bedienstete zu kommen, ist keine Rede mehr. Wo wollen Sie also sparen?
Wollen ist nicht die Frage, wir müssen sparen. Unsere Einnahmen werden in den nächsten Jahren deutlich sinken. Grundsätzlich: Als Land sind wir abhängig von der finanziellen Entwicklung des Bundes. Wir brauchen dringend eine höhere Besteuerung von Reichtum, eine Vermögenssteuer, und das ist auch möglich. Außerdem müssen wir angesichts der demografischen Herausforderungen nach neuen, nach intelligenten Lösungen suchen. Nicht umsonst beschäftigt sich eine Enquetekommission im Landtag derzeit mit möglichen neuen Strukturen. Da muss man Dopplungen, Hindernisse, Blockaden überwinden, Prozesse verschlanken und beschleunigen. Wir wollen auch künftig Daseinsvorsorge in allen Regionen sichern und diese auch finanzieren. Viele Landesbedienstete werden altersbedingt ausscheiden, wir müssen geschickt nachbesetzen. Wichtig ist, dass wieder ausgebildet wird bei Polizisten, in der Justiz, bei Finanzämtern. Eine Zielzahl von 43 000 Landesbediensteten ist eine realistische Größe, die der Haushalt verkraften kann. Sorgen machen mir die Pensionszahlungen, da die Vorgängerregierungen keine Vorsorge getroffen haben, aber wir sparen jetzt an. Wir nehmen diese Herausforderung mit sozialem Augenmaß an.
Ich frage erneut: Wo sparen, im Straßenbau?
Ja, unter anderem. Wir wollen in Köpfe investieren, weniger in Beton. Wir haben einen Paradigmenwechsel vollzogen. In den letzten Jahren wurde auch in Brandenburg eine moderne Infrastruktur aufgebaut. Jetzt müssen wir zusehen, dass wir diese erhalten und mit nachhaltigen Lösungen verbinden, wie wir Normen und Standards modifizieren, damit sie auch in berlinfernen Regionen tragfähig sind.
Zur Wahl 2009 hat die Linke sich gegen neue Braunkohletagebaue ausgesprochen, jetzt müssen Sie über einen neuen Tagebau entscheiden. Wie steht es mit Ihrer Glaubwürdigkeit?
Um die ist mir nicht bange. Als Linke fordern wir seit Langem einen Strukturwandel in der Lausitz. Wir sind auf dem Weg zum Ausstieg aus der Braunkohle-Verstromung. Der Klimawandel und das Nein zur Atomenergie stellen uns alle vor neue Herausforderungen. Wir stehen zu erneuerbaren Energien, wir sehen aber auch den Widerstand dagegen. Aber wir machen den Leuten auch nichts vor. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir den Ausstieg aus der Braunkohle hinbekommen, wenn es uns gelingt, Strom aus erneuerbaren Energien speicherfähig zu machen und rund um die Uhr die bezahlbare Stromversorgung hinzubekommen, die die Menschen benötigen, aber auch die Industrie braucht. Wir sind keine Traumtänzer. Wir sind uns in der Koalition einig, dass die Braunkohle nur noch eine Brückenfunktion im Rahmen der Energiewende hat – letztlich hängt von der Forschung und praktischer Politik ab, wie lang oder hoffentlich kurz die Brücke sein wird.
Über den Tagebau Welzow Süd II könnte das Kabinett bereits 2014 vor der Wahl entscheiden. Läuft das für Sie nicht auf eine Konfrontation mit der SPD hinaus, die am liebsten bis 2060 Braunkohle verstromen will?
Ja, über die Zeitschiene gibt es in der Koalition Dissens. Die Linke und ich selbst gehen davon aus, dass sich das Zeitfenster für die Braunkohle-Verstromung 2040 schließt. Welzow Süd ist kein Neuaufschluss, sondern eine Weiterführung eines bestehenden Tagebaugebietes.
Was andere Genossen anders sehen, auch weil Sie 2009 in den Wahlkampf gingen mit der Aussage „Keine neuen Tagebaue“
Das Planverfahren ist von der Vorgängerregierung gestartet worden. Wegen erheblicher Einsprüche und Unsicherheiten musste es überarbeitet werden und wurde jetzt neu ins Beteiligungsverfahren gegeben. Sonst wäre die Entscheidung darüber schon längst durch. Da ich Mitglied der Verhandlungskommission für den Koalitionsvertrag war, weiß ich, was damals verhandelt und besprochen worden ist. Wichtig ist, dass das Verfahren ergebnisoffen geführt wird. Ich gehe davon aus, dass vor dem Hintergrund des Atomausstiegs die Notwendigkeit einer Erweiterung dieses Tagebaus nötig sein kann. Sollte es im Verfahren dazu kommen, wird die Option eines weiteren Tagebaus, nämlich in Jänschwalde-Nord, deutlich geringer. Davon bin ich überzeugt.
Mit Welzow Süd werden Sie aber Ihre Klimaziele nicht erreichen können.
Das muss jetzt abgewogen werden, ob die Volllaststundenzahl für die Kraftwerke damit in Übereinstimmung zu bringen ist. Wir haben da Festlegungen im Koalitionsvertrag und die sind einzuhalten.
Aktuell liegen ihre Umfragewerte bei 21 Prozent, 2009 waren sie zweitstärkste Kraft, jetzt nur noch dritte hinter CDU und SPD. Ihre Zielmarke für die Landtagswahl 2014?
Ich nehmen diese Momentaufnahme sehr ernst und als Ansporn dafür, unsere Politik und das, was wir erreicht haben und erreichen wollen, deutlicher zu artikulieren. Ich möchte ein kräftiges Rot im Landtag sehen. Meine Zielmarke sind 25 plus x, um mit einer starken Fraktion im Rücken dann auf Augenhöhe verhandeln zu können. Das ist mein Ziel.
Das Gespräch führte Alexander Fröhlich
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: