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Staatlich anerkannt. Vor zehn Tagen hat Erzbischof Heiner Koch im Roten Rathaus im Beisein des Regierenden Bürgermeisters seinen staatlichen Treueeid abgelegt. Er versprach, die verfassungsmäßig gebildete Regierung zu achten – so sieht es das 1933 geschlossene Konkordat zwischen dem Vatikan und dem Staat Preußen vor, das noch heute gültig ist.

© KNA

Brandenburg: „Wir richten Willkommensklassen ein“

Erzbischof Heiner Koch will in Gemeinden mehr Unterkünfte für Asylbewerber schaffen. Und die Ehe hält er nicht für das höchste Gut christlichen Lebens

Stand:

Papst Franziskus fordert, jede Pfarrei in Europa soll mindestens eine Flüchtlingsfamilie aufnehmen. Das wären im Erzbistum gut 100 Familien. Geht noch mehr?

In vielen Pfarreien wird bereits viel unternommen zur Unterstützung der Flüchtlinge. Das Erzbistum Berlin hat außerdem einen Flüchtlingsfonds aufgelegt mit einer viertel Million Euro in diesem und im nächsten Jahr. Der steht dann auch zur Verfügung, um Wohnraum so vorzubereiten, dass er den Anforderungen als Flüchtlingsunterkunft genügt. Das ist gar nicht so einfach.

Gibt es überzählige Kirchen, die man für Flüchtlinge öffnen könnte?

Solche Kirchen sind mir nicht bekannt, und wenn, wäre der Aufwand immens. Wir müssten sanitäre Anlagen einbauen, dem Brandschutz genügen und Intimsphäre ermöglichen. Wir müssen aber dringend über weitere Möglichkeiten der Unterbringung nachdenken.

Ist das Engagement der Ehrenamtlichen über lange Zeit durchzuhalten?

Die Caritas berichtet mir, dass sich ihre Mitarbeiter schon jetzt in einem andauernden Ausnahmezustand befinden. Ich sehe das mit großer Sorge und bin froh, dass die Caritas eine Beratungsstelle eingerichtet hat, die nicht nur Flüchtlinge berät, sondern auch Ehrenamtliche selbst.

Wie werden die Flüchtlinge Deutschland verändern?

Es kommt darauf an, dass wir keine Ghettobildung zulassen, dass wir schnell die Menschen integrieren, von denen wir schon wissen, dass sie bleiben werden. Da kann die Politik viel tun, aber noch wichtiger sind die zwischenmenschlichen Beziehungen. Die eigentliche Leistung, die wir jetzt bringen müssen, ist das Menschliche.

Viele Flüchtlinge sind religiös. Werden sie einen religiösen Schub im Land bewirken?

Auf jeden Fall. Sie werden uns verändern und auch unsere Frage nach Gott. Sie bringen aber auch neue Konflikte mit. In den Flüchtlingsheimen in Dresden haben wir Sunniten und Schiiten getrennt, nachdem es zu Reibereien gekommen ist.

Wäre es besser, die Behörden würden die Flüchtlinge getrennt nach Religion und Konfession unterbringen?

Das kann nur eine Notlösung sein. Integration gilt nicht nur für unterschiedliche Kulturen, Sprachen und Nationalitäten, sie muss auch für Religionen und Konfessionen gelten.

Auch Moscheegemeinden nehmen Flüchtlinge auf. Sollen sie mehr gefördert werden? Etwa indem sie mit den Kirchen rechtlich gleichgestellt werden?

Das wäre das prinzipielle Ziel. Muslime sind eine religiöse Gemeinschaft und müssen anerkannt und gefördert werden. Voraussetzung ist, dass es verlässliche religiöse Autoritäten gibt, die für die Gemeinschaft sprechen können.

Für die Integration von Neuankömmlingen ist auch die Schulbildung wichtig. Sie haben auch Erziehungswissenschaften studiert. Was würden Sie Lehrern raten?

Sie sollen Kindern und Jugendlichen helfen, ihre Persönlichkeit zu entfalten. Dafür sind Fächer wie Kunst, Musik, auch Religion hilfreich. Willkommensklassen können dazu beitragen, denn sie bedeuten ganz konkrete Integration. Wir werden sie auch an katholischen Schulen einrichten. Der Fokus der Bildung liegt zu sehr auf der wirtschaftlichen Verwertbarkeit von Wissen.

Was ist falsch daran, möglichst viele Jugendliche in Arbeit zu bringen?

Ich beobachte, dass zu sehr das Abitur und das Studium zum Maß aller Dinge werden. Andere Ausbildungswege gelten als minderwertig. Das Ziel eines möglichst gerechten Bildungssystems muss aber sein, dass es für unterschiedliche Menschen unterschiedliche Wege gibt.

Sie sind in der Bischofskonferenz für das Thema Familie zuständig. Viele katholische Positionen zu Familie, Ehe und Sexualität sind selbst Katholiken nicht mehr vermittelbar. Muss sich die Kirche anpassen?

Wir sehen Sexualität als integrierte Größe: Zwei Menschen lieben sich, ihre Liebe wächst emotional, körperlich und in unserem Verständnis auch geistlich-religiös. Die Alternative wäre, Sexualität von Bindung zu trennen. Das finde ich nicht richtig.

Sie sprechen vom Ideal. Was ist, wenn es nicht funktioniert?

Das ist eine dramatische Frage. Wir müssen als Kirche sicherlich noch viel dazulernen, was den Umgang mit Brüchen, Unvollkommenheit und Schuld angeht.

Warum schließt die Kirche Homosexuelle per se von ihrer ganzheitlichen Sicht aus?

Zu unserem Verständnis von gelungener Sexualität gehört die Weitergabe von Leben. Bei homosexuellen Menschen ist das ausgeschlossen. Damit ist die Sexualität aus unserer Sicht beschränkt. Das schränkt aber die Wertschätzung für diese Menschen in keiner Weise ein.

Die evangelische Landeskirche will die Segnung homosexueller Paare mit Trauungen gleichstellen. Was halten Sie davon?

Das ist nicht hilfreich. Es zementiert die Debatte.

In der katholischen Kirche bekommen Schwule und Lesben nicht mal einen Segen. Was spricht dagegen?

Wir haben Sorge, dass das mit Trauung verwechselt wird. Homosexuelle sagen: Unsre Beziehung ist anders als die von Paaren mit Kindern. Die Frage ist: Wie können wir differenzierte Wirklichkeiten ansprechen, ohne zu diskriminieren?

Solange die Kirche die Ehe so hoch hängt, fühlen sich die Ausgeschlossenen automatisch abgewertet.

Na ja, das Höchste ist die Ehe in der katholischen Kirche auch nicht.

Wie jetzt?

Jesus hat die Menschen aufgefordert, Ehe und Familie zurückzulassen und sich in die neue, größere Glaubensfamilie einzufügen. Auch wir zölibatär lebenden Priester fallen aus der Ehe raus. Ich würde das nicht in diese Wertigkeit reinbringen. Aber so lange sich jemand abgewertet fühlt, haben wir ein Problem.

Das Gespräch führte Claudia Keller.

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