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Brandenburg: „Wir wollen unseren Erfolg mit Deutschland teilen“

In Potsdam haben deutsche und polnische Unternehmer einen Business Club gegründet

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Potsdam/Warschau - Die Realität sieht längst anders aus, doch im deutsch-polnischen Verhältnis halten sich manche Vorurteile hartnäckig. „Die Deutschen glauben noch immer, dass alles was mit Automotiv zu tun hat, aus Deutschland kommt. Doch viele Teile kommen heute zum Beispiel von Zulieferern aus Polen“, sagt Mario Quast, Leiter des Deutsch-Polnischen Kooperationsbüros der Sparkassen in Frankfurt (Oder) und Geschäftsführer des gerade erst gegründeten Business Clubs Deutschland Polen. Ziel des Zusammenschlusses von rund 50 Unternehmern beider Seiten ist es, sich den Zugang zum jeweiligen Heimatmarkt zu erleichtern und Wege für mögliche Kooperationen zu ebenen.

Gegründet wurde der Club Anfang Dezember in Potsdam. Wenigstens zweimal im Jahr wollen die Mitglieder zusammenkommen. „Das nächste Treffen findet im Frühjahr in Breslau statt“, berichtet Quast. Zu den rund 30 polnischen Mitgliedern gehören unter anderem der Tankstellenbetreiber Orlen mit rund 600 Tankstellen auch in Deutschland, die Personalleasingfirma Work Service und der Fahrzeugsitzehersteller Sitech aus Polkowice in Niederschlesien, eine hundertprozentige VW-Tochter. Auf deutscher Seite zählt etwa der Spielgeräteproduzent Sik-Holz aus Langenlipsdorf (Teltow-Fläming) dazu. Das Unternehmen hat bereits eine Vertriebsniederlassung in Posen. „Dazu kommen noch mehrere Firmen aus der IT-Branche und der Metallverabeitung. Auch der unbekannte Mittelständler ist dabei“, sagt Quast.

Eine wirtschaftliche Zusammenarbeit ist für beide Länder interessant. Durch Kooperationen mit deutschen Firmen und Investitionen in Deutschland kann Polen seine Position am westeuropäischen Markt festigen, deutschen Unternehmen bieten sich Perspektiven auf mittel- und osteuropäischen Absatzmärkten. Offiziellen Angaben zufolge sind derzeit etwa 6000 deutsche Unternehmen in Polen ansässig. Gezählt würden jedoch nur Investments ab eine Million Euro, schränkt Mario Quast ein. „Es werden deshalb wohl weit mehr sein.“ In Deutschland dagegen seien derzeit etwa 10 000 polnische Firmen ansässig, mit Schwerpunkt im Berliner Raum. Längst ist der östliche Nachbar zu einem selbstbewussten Partner auf Augenhöhe geworden. Als einziges Land in der EU ist Polen auch in der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise ökonomisch gewachsen. Zwar wurde die Prognose für 2012 jüngst von 4,7 Prozent auf nur noch 2,5 Prozent herunterkorrigiert, doch im vergangenen Jahr schloss das Land noch mit einem Plus von vier Prozent.

Nicht überall in Deutschland wird dem Erfolg so recht getraut. „Noch immer gibt es Vorbehalte“, bestätigt Michaela Zielinska, die das Warschauer Büro des Business-Netzes Brandenburg-Polen leitet und im polnischen Wirtschaftsministerium gut vernetzt ist. Das Netzwerk wird unter anderem vom brandenburgischen Wirtschaftsministerium unterstützt und hat die Gründung des Business Clubs mit angeregt. Zielinska stammt aus Köln, lebt aber schon seit Jahren in Polen. „Es gibt auf deutscher Seite noch eine mentale Hemmschwelle. Verbreitet ist eine diffuse Angst vor wirtschaftlichen Unwägbarkeiten in Polen.“ Teile der deutschen Wirtschaft hätten zudem lange Jahre mit „westeuropäischer Arroganz“ auf die Entwicklung Polens herabgeblickt und so wertvolle Zeit verschlafen, meint Zielinska.

Wie schwierig das Verhältnis ist, hat die jüngste Debatte zur Grenzkriminalität gezeigt. Vielleicht sei es in Deutschland zu einfach, Autos zu klauen, hatte Polens Botschafter, Marek Prawda, angesichts gestiegener Diebstähle durch polnisch-ukrainischer Banden im brandenburgischen Grenzgebiete gesagt und damit auf deutscher Seite für Empörung gesorgt. Prawda sei einer der besten Vertreter im diplomatischen Korps Polens, der „an einem schwierigen Platz mit höchsten Anforderungen an die Außenpolitik“ gute Arbeit leiste, soll Regierungschef Donald Tusk seinen Botschafter später im polnischen Nachrichtensender TVN 24 verteidigt haben. Auf einem Krisengipfel wurden jetzt wie berichtet die Wogen geglättet.

Auch Robert Bachorski weiß um die Befindlichkeiten. „Ja, es gibt Mentalitätsgrenzen. Aber die Vorurteile werden geringer; auf polnischer Seite nicht zuletzt durch Investitionen deutscher Konzerne“, glaubt der 34-jährige Sprecher des Business Clubs und Leiter der Rechtsabteilung beim Automobilzulieferer Sitech. Das polnische Unternehmen beschäftigt weltweit etwa 5000 Mitarbeiter und hat auch drei Standorte in Deutschland. Überheblichkeiten angesichts des Erreichten könne sich Polen aber nicht leisten. „Wir sind fast ausschließlich vom Export abhängig“, erläutert Bachorski, kann sich dann aber eine Geste der Genugtuung doch nicht verkneifen: „Der Trend geht Richtung Westen. Wir wollen unseren Erfolg mit Deutschland teilen.“

Lernen könnten beide Seiten, findet Michaela Zielinska. „Die Deutschen vom Arbeitseinsatz der Polen. Allein der Wille, die Sprachbarriere zu überwinden, ist dort viel größer“, meint sie. „Auch Improvisation liegt den Deutschen nicht so.“ Bachorski sagt dazu „polnische Kreativität“. Er selbst schätzt an seinen Nachbarn was? „Disziplin und Organisation“.

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