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Brandenburg: Wo sich Rotbauchunke und Rohrdommel nicht mehr Gute Nacht sagen können

Einst wurden in der Schorfheide die Moore trocken gelegt. Nun sollen sie wieder renaturiert werden Deshalb werden verschiedene Projekte durchgeführt, um die Feuchtgebiete zurück zu gewinnen – und um die Wasserqualität in Brandenburg z

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Templin / Potsdam - Niedlich im herkömmlichen Sinne ist die Rotbauchunke nicht. Das Tier ist etwa fünf Zentimeter groß, gehört zu den mitteleuropäischen Froschlurchen und ist von flacher, gedrungener Gestalt. Die Hautoberfläche der Kröte ist glitschig und mit flachen Warzen besetzt, die Unterseite zieren rötlich orange Flecken. Gern hält sich die Rotbauchunke in und an fischfreien Kleingewässern oder Mooren auf. Nur: In Brandenburg gibt es davon immer weniger. Durch die Trockenlegung von Mooren und Begradigung von Flussbetten schrumpft der Lebensraum der Rotbauchunke zunehmend.

Das soll sich nun ändern. Zum Beispiel in der Schorfheide, einem der größten zusammenhängenden Waldgebiete Europas. Im Rahmen des vor zwei Jahren vom Land Brandenburg ins Leben gerufenen Programms „Moorschutz im brandenburgischen Wald“ ist auch dort vom Amt für Forstwirtschaft Templin ein Projekt gestartet worden, mit dem ausgetrocknete und stillgelegte Moore renaturiert, also in ihren ursprünglichen Zustand zurückgeführt werden sollen. Wiedervernässung nennt der Fachmann diesen Vorgang. Dafür haben im Naturschutzgebiet „Reiersdorfer Winkel“ Forstleute und Naturschützer Entwässerungsleitungen entfernt und eine Reihe von Gräben verschlossen, um das Abfließen des Wasser zu stoppen. Ihre Arbeit ist eine Fortführung dessen, was Anfang der 90er Jahre von einer Schülergruppe des Templiner Gymnasium begonnen wurde. Mit Feldsteinen fingen sie an, die Abflussgräben zu verschließen.

„Durch die Renaturierungsmaßnahmen verbessert sich das Waldbinnenklima, und das hat einen elementaren Einfluss auf die Gesunderhaltung der Wälder“, sagt Heidrun Koch, Leiterin des im Amts für Forstwirtschaft in Templin. Dass diese Maßnahmen überhaupt notwendig sind, liegt nicht nur an den weit verbreiteten Trockenlegungen im 18. Jahrhundert unter Friedrich II., sondern auch an den rücksichtslosen Entwässerungen der Moore zu DDR-Zeiten. Durch so genannte Melioratiosmaßnahmen sollten Flächen für die Landwirtschaft, Holzanbau oder Wildäsung geschaffen werden. Letzteres vor allem für den Chef des Ministeriums für Staatssicherheit Erich Mielke und auch Erich Honecker, beide leidenschaftlichen Hobbyjäger.

Die ökologischen Folgen dieser Entwässerungen erweisen sich heutzutage als katastrophal: Der natürliche Wasserhaushalt der Schorfheide ist erheblich aus dem Gleichgewicht geraten. Durch die aktive Entwässerung sowie den massiven Anbau von Monokulturen – insbesondere Kiefer – ist der Grundwasserspiegel in dem Waldgebiet nördlich von Berlin drastisch gesunken. Doch nicht nur in der Schorfheide macht sich der Eingriff des Menschen in die Natur bemerkbar. Laut Landesumweltamt sind 80 Prozent aller Moore Brandenburgs „erheblich gestört“, 69 Prozent davon sogar „tief entwässert“. Noch zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts betrug die Gesamtmoorfläche des Landes 300 000 Hektar. Ein Drittel dieser Fläche ist mittlerweile zerstört worden.

„Die Rolle der Moore ist lange Zeit verkannt worden, insbesondere zur Zeit der Industrialisierung“, sagt Lukas Landgraf vom Landesumweltamt Brandenburg. Moore entziehen der überdüngten Landschaft Nährstoffe und verbessern damit die Wasserqualität von Seen und Flüssen. Zudem wirken sie als Kaltluftgebiete einer Austrocknung und Aufheizung der Landschaft entgegen. Diese Austrocknung wird laut Klimareport 2004 nicht zuletzt auch durch eine negative Niederschlagsbilanz gefördert: Weniger Niederschlag im Sommer, wärmere Winter. Das habe zu einer regelrechten „Versteppung“ geführt, sagt Jens-Uwe Schade, Pressesprecher des Umweltministeriums. „Es besteht somit die Gefahr, dass kontinentale Pflanzen und Tiere nach Brandenburg einwandern“, sagt Schade. Als Folge dessen sind durch den schwindenden Lebensraum etliche heimische Tier- und Pflanzenarten in ihrer Existenz bedroht. So schrumpfen die Bestände von Rotbauchunke, Rohrdommel und Europäischer Sumpfschildkröte, aber auch die von Sonnentau und Wollgras. Zudem setzen die still gelegten Moore durch die fortschreitende Mineralisierung vermehrt Kohlendioxid frei. Das verstärkt den Treibhauseffekt.

„Viele Schäden an den Mooren sind zum Teil nicht mehr zurück zu führen“, sagt Oberforsträtin Heidrun Koch. In Zusammenarbeit mit Förstern, Naturschutz- und Wasserbehörden hat sie für die Moorsanierungsprojekte des Amtes „Reiersdorfer Winkel“ eine Prioritätenliste zur Durchführung von Einzelmaßnahmen erstellt. So wurde seit 2004 in dem von der EU geförderten Projekt das Areal zunächst kartiert und die einzelnen Arten und Bestände erfasst. Im Anschluss an die Wasserrückhaltemaßnahmen wurde auf die Baumartenzusammensetzung im Wassereinzugsgebiet der Moore Einfluss genommen. Denn Nadelbäume, wie Fichte und auch Kiefer, verdunsten deutlich mehr Wasser als Buchen- oder Eichenwälder. Zur langfristigen Überwachung der Wasserstände wurden nun auch die Pegel gesetzt. „Wir haben die Hoffnung, dass in fünf Jahren eine deutliche Verbesserung zu verzeichnen ist“, so Koch. Ein erster Erfolg ist immerhin schon zu erkennen: Der Grundwasserspiegel sinkt nicht weiter ab.

Doch nicht immer sind so wichtige Projekte für den Landschaftswasserhaushalt möglich. Bei der Durchführung der Moorsanierungsmaßnahmen gibt es durchaus Schwierigkeiten. Stehen etwa die Interessen der Eigentümer dem entgegen, so sind umfangreiche Plangenehmigungsverfahren durch die oberste Wasserbehörde erforderlich. Denn mitunter befindet sich der Grund, der nach der Wende dem Land Brandenburg übertragen worden war, in Privateigentum. „Mit jeder Maßnahme ist Recht geschaffen worden, auf das die neuen Eigentümer nun bauen“, so Koch.

Und so ist die Renaturierung der Moore nicht in jedermanns Interesse. Staurechte haben Bestandsschutz. Sind Landwirte beispielsweise hinsichtlich der Bewirtschaftung ihrer Äcker oder Wiesen auf die Entwässerungsgräben angewiesen, so bedeutet für sie die Moorsanierung eine Gefahr der mangelnden oder eingeschränkten Bewirtschaftung der Fläche. Ihnen müsse eine Möglichkeit zur Ausgleichsleistung angeboten werden, um sie als Partner zu gewinnen, sagt Heidrun Koch.

Seit dem vergangene Jahr hat das Land Brandenburg 350 000 Euro für Moorsanierungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt – 51 000 Euro davon für das Projekt „Reiersdorfer Winkel“ in der Schorfheide. Derzeit wird im Landesumweltministerium ein neues Programm für das Jahr 2007 ausgearbeitet. „Das, was bislang gemacht wurde, sind alles Einzelmaßnahmen ohne innere Verbindung“, sagt Lukas Landgraf vom Landesumweltamt. Künftig sollen die verschiedenen Projekte stärker aufeinander abgestimmt werden, damit eine bessere Effizienz gewährleistet werden kann. Zudem sollen die künftigen Vorhaben nicht mehr nur aus Landes- sondern auch aus EU- und Naturschutzfondsmitteln finanziert werden.Wenn dieses Programm auf den Weg gebracht worden ist, bedarf es zu dessen Umsetzung der tatkräftigen Unterstützung aller Forstleute und Naturschützer.

Gerade bei einigen Förstern sei noch ein Umdenken bezüglich der Wichtigkeit der Moore notwendig, so Heidrun Koch vom Forstamt Templin. Nur durch viele kleine Schritte, eingebettet in überregionale Maßnahmen, sei die Verbesserung des Landschaftswasserhaushalts auf Dauer möglich. „Von den Wasserrückhaltemaßnahmen in der Landschaft profitieren alle Bereiche dieses Lebensraumes“, so Koch. Und damit wäre nicht zu letzt auch Tieren wie der Rotbauchunke, der Europäischen Sumpfschildkröte oder der Rohrdommel geholfen.

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