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Brandenburg: Wohin zieht’s die Brandenburger? Berlin macht sich breit – in der Mark.

Der Speckgürtel wächst, eine Stadt besonders

Stand:

Potsdam - Durch die hohe Zahl der Flüchtlinge könnte in der Mark der drohende Bevölkerungsrückgang halbiert werden. Das geht aus einer neuen amtlichen Bevölkerungsprognose für Brandenburg bis zum Jahr 2040 hervor, die am Mittwoch in Potsdam vorgestellt wurde. Für die haben die Experten des Amtes für Statistik jetzt erstmals auch analysiert, wie sich die Neu-Brandenburger aus Syrien, Afghanistan und anderen Kriegs- und Krisenregionen – das Land nimmt 2015 und 2016 rund 70 000 Menschen auf – längerfristig auswirken könnten.

Nach dieser „Modellrechnung mit höherer Auslandszuwanderung“ könnte Brandenburg, wo derzeit 2,4 Millionen Menschen leben, 2040 immerhin noch 2,3 Millionen Einwohner haben – lediglich sechs Prozent weniger als jetzt. Wenn die Zuwanderer nicht kämen oder falls sie nicht bleiben sollten, würde Brandenburg dagegen um 11,4 Prozent auf 2,16 Millionen Bewohner schrumpfen. Es sei eine Prognose „in aller Vorsicht“, betonte Jürgen Paffhausen, Experte für Bevölkerungsstatistik im Landesamt. Es gebe viele Unwägbarkeiten. So habe man die Annahme zugrunde gelegt, dass 45 000 Flüchtlinge dauerhaft bleiben. Genau wissen könne das niemand.

Im Gegensatz zur wachsenden Metropole  Berlin werden in Brandenburg, egal bei welchem Szenario, die Einwohnerzahlen bis 2040 sinken. Verschont davon bleibt dabei auch nach der neuen Prognose das Berliner Umland. Danach wird der Speckgürtel weiter wachsen, und zwar vor allem aufgrund von zuziehenden Berlinern. Von den 2,16 Millionen Brandenburgern werden 2040 bereits 980 000 im Umland leben – das wäre fast jeder zweite. Jetzt sind es 916 000 von 2,4 Millionen Einwohnern, also nicht einmal jeder dritte.

Die Entvölkerung der berlinfernen Regionen, die bis 2040 jeden fünften Einwohner verlieren, wird sich dagegen fortsetzen. Und zwar am dramatischsten in Spree-Neiße (–28,8 Prozent), in der Prignitz (–26,3 Prozent), Elbe-Elster (–26,2 Prozent) und der Uckermark (–24,4 Prozent). Frankfurt an der Oder, wo heute noch 58 000 Einwohner leben, wird auf 47 000 Einwohner schrumpfen. Für Cottbus (Ist: 99 600) wird eine Einwohnerzahl von 86 000 vorhergesagt, der Stadt Brandenburg (Ist: 71 000) dann 59 000.

Einziger Gewinner mit anhaltend rasantem Wachstum wird die Landeshauptstadt Potsdam sein, die im Jahr 2000 noch 130 000 Einwohner hatte, auf jetzt 16 1 000 kletterte und nun 190 000 Einwohner erwarten kann. Von den Landkreisen hat Dahme-Spreewald – knapp vor Potsdam-Mittelmark – die besten Aussichten, mit minimalen Einwohnerverlusten von nur einem Prozent bis zum Jahr 2040. Als Grund nennen die Statistiker den Hauptstadtflughafen in Schönefeld, und zwar so: „Dynamische Zuwanderung durch BER–Öffnung angenommen.“

Brandenburgs Politik reagiert kontrovers auf die Prognose, die wegen der geplanten Kreisgebietsreform – begründet mit der Demografie und dem erwarteten Bevölkerungsrückgang – mit besonderer Spannung erwartet wurde. Die von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) geführte rot-rote Koalition sieht sich für ihre Pläne bestätigt.

Regierungssprecher Andreas Beese sagte, Woidke habe die Minister angewiesen, bis Frühjahr 2016 ihre Fachpolitiken anzupassen. Die Grünen-Landtagsabgeordnete Ursula Nonnemacher erklärte, Forderungen, die Reform auszusetzen, seien nun widerlegt. Es werde auch deutlich, „dass die Flüchtlinge den Bevölkerungsrückgang selbst bei dauerhafter Zuwanderung nicht aufhalten werden“. Dagegen erklärte der CDU-Abgeordnete Henryk Wichmann: „Auf keinen Fall rechtfertigen die Zahlen eine am Reißbrett entworfene Kreisgebietsreform in Brandenburg.“ Neben Zuzug und aktiver Bevölkerungspolitik müsse sich die Landespolitik vor allem mit der Frage beschäftigen, wie dem starken Auseinanderdriften des Landes zwischen berlinnahen und -fernen Regionen begegnet werden könne.

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