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In Bedrängnis. CDU-Landesparteichef und Landtagswahl-Spitzenkandidat Michael Schierack. Die Parteibasis zeigt sich enttäuscht über Schieracks fehlende Entschlossenheit, im Kabinett Regierungsverantwortung zu übernehmen.

© dpa

Brandenburg: „Wozu haben wir euch gewählt?“

In der Union gibt es erste Rücktrittsforderungen gegen Partei- und Fraktionschef Michael Schierack. Er gerät nach dem Scheitern einer möglichen großen Koalition immer mehr in Erklärungsnöte

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Potsdam - In Brandenburgs CDU wächst nach dem Scheitern einer möglichen großen Koalition die Wut über Landes- und Fraktionschef Michael Schierack. Er muss um sein politisches Überleben kämpfen. Nach PNN-Recherchen halten inzwischen Kreischefs, Landtagsabgeordnete und Mitglieder des Parteivorstandes seinen Rückzug für unvermeidlich, da Schieracks Agieren das Scheitern des aussichtsreichen SPD-CDU-Bündnisses und damit eine Mitverantwortung für eine Neuauflage von Rot-Rot angelastet wird. Auch in der Wählerklientel der Union und der CDU-nahen Wirtschaft im Lande ist die Empörung groß.

„Die CDU muss klären, wer die politische Verantwortung für das selbstverschuldete Scheitern der Sondierungen mit der SPD trägt“, sagte Wolfgang Krüger, früher CDU-Wirtschaftsstaatssekretär in Brandenburg und heute Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Cottbus, den PNN. Die Hintergründe müssten „schonungslos aufgearbeitet werden“, betonte er. In der Wirtschaft habe es große Hoffnungen auf einen Regierungswechsel in Brandenburg gegeben, Unternehmer hätten den CDU-Wahlkampf finanziell unterstützt. Es gebe kein Verständnis, dass diese für das Land so wichtige Chance verspielt wurde. Aufklärung, „was da passiert ist“, verlangt auch Rathenows CDU-Bürgermeister Ronald Seeger. „Eine überzeugende Erklärung hat es bislang nicht gegeben.“

Im Potsdamer CDU-Kreisverband kursiert bereits mit breitem Verteiler – auch an CDU-Landespolitiker – eine E-Mail, in der von einem Mitglied der Rücktritt Schieracks gefordert wird. „Was Herrn Schierack, der durchaus seine Verdienste für die CDU hat, disqualifiziert, ist großes politisches Ungeschick in Kombination – und das wiegt besonders schwer – mit rein persönlichen Interessen“, heißt es darin. „Bitte versuche nun niemand aus unserer Partei uns etwas anderes zu verkaufen. Herr Schierack hat es auch aus privaten Gründen ,versemmelt’.“ Nun bleibe konsequenterweise „nur ein Wechsel in der Führung der Landespartei“. Denn ein Teil der Parteimitglieder sei „nicht mehr bereit die Schierack-CDU zu unterstützen und wird auch bei den nächsten Wahlen (z.B. Bundestag 2017 – und sage niemand, das ist noch weit weg) nicht als Fußvolk Wahlkampf für Ultracleverness und Privatinteressen machen“, so die E-Mail.

Gewarnt wird darin auch, dass „andere aufstrebende Parteien noch mehr Zulauf haben“ werden. „Herr Schierack kann künftig durchaus ordentliche Abgeordnetenarbeit leisten, aber nicht die CDU führen.“ Selbst auf der Facebook-Seite des Landesverbandes bricht sich der Unmut Bahn. „Wozu haben wir euch gewählt?“, schreibt dort ein Mann. „Es ist traurig und erbärmlich, wie unser Vertrauen missbraucht wird.“

SPD-Regierungschef Dietmar Woidke hatte die Entscheidung für Rot-Rot II mit der Weigerung Schieracks begründet, ins Kabinett zu gehen. Am Donnerstag hieß es aus der CDU-Parteispitze, dass Schierack tatsächlich keine Zusage für einen Platz im Kabinett geben wollte, für den er seine Arztpraxis hätte aufgeben müssen. Im CDU-Landesvorstand am Dienstagabend hatte Schierack noch erklärt, dass nichts dran sei. Für das RBB-Interview schickte er Generalsekretärin Anja Heinrich vor die Tür.

In einem Brief an die CDU-Mitglieder, in dem er die Wogen zu glätten versucht, bestätigt Schierack seine Nicht-Zusage und sein Zaudern gegenüber Woidke indirekt. Er habe deutlich gemacht, dass er zur Verfügung stehe, aber erst Aufgaben, Zuschnitte und Kompetenzen der Ministerien in den Koalitionsverhandlungen zu klären seien, heißt es darin. Der Brief enthält kein selbstkritisches Wort. Und im Widerspruch zu der Version stehen die Namen der vier CDU-Politiker, die Minister in einem rot-schwarzen Kabinett werden sollten und die Schierack vor der Schlusssondierung Woidke nannte. Es sollten, wie aus der SPD und jetzt auch aus der CDU bestätigt wird, die Vize-Parteichefs Ingo Senftleben – den 40-Jährigen schlug er als Bildungsminister und Vize-Ministerpräsident des Landes Brandenburg vor – und Barbara Richstein sowie Vize-Fraktionschef Dieter Dombrowski und Brandenburgs Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann sein, Schieracks Name war nicht dabei.

Diese Liste sorgt in der Unions-Spitze zusätzlich für Empörung, weil nicht einmal der geschäftsführende CDU-Landesvorstand eingeweiht war und sie teilweise innerparteilich nicht einmal durchsetzbar gewesen wäre, wie es heißt. Tiemann etwa, obwohl erfolgreiche Oberbürgermeisterin, hat in der CDU-Spitze kaum Unterstützer. Und nicht nur das: Nach PNN-Informationen wusste mindestens einer der vier CDU-Politiker nichts davon, dass er von Schierack der SPD als potenzielles Regierungsmitglied präsentiert wurde.

Nächste Woche trifft sich die CDU-Landtagsfraktion zur Klausur. Es werden intern heftige Debatten erwartet. „Das Problem ist, dass wir Schierack jetzt nicht fallenlassen können“, sagt ein Abgeordneter. „Auf der anderen Seite können wir nicht Oppositionsarbeit machen, wenn die Konkurrenz nur höhnt: Ihr wollt doch gar keine Regierungsverantwortung.“

nbsp;Thorsten Metzner

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