Brandenburg: „Zack, lag ich am Boden“
In Berlin schritt ein Eisbären-Fan ein, als Männer am Ostkreuz ihre Frauen schlugen. Dabei wurde er selbst zum Opfer. Unzählige Menschen schauten zu
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Berlin - Es ging schnell wie ein Blitzschlag. „Erst stand ich, und im nächsten Moment lag ich am Boden“: Peter B. kam am Sonntagabend im Eisbären-Trikot vom Spiel seiner Mannschaft auf den Bahnsteig der Ringbahn am Berliner Ostbahnhof. Was sah er? Eine Prügelei in vollem Gang. „Der Bahnsteig war brechend voll, aber alle Leute standen nur da und gafften“, berichtete der 49-Jährige am Mittwoch. „Ich ging hin, aber mit gehörigem Abstand, und habe laut geschrien, dass sie den Scheiß lassen sollen – und zack, lag ich am Boden.“ Jemand trat ihn gegen den Kopf.
Auf der Facebook-Seite seines Fan-Blocks ist B. abgebildet, die rechte Gesichtshälfte ist blau und geschwollen, er sieht lädiert aus. Viele gratulieren ihm in den Kommentaren zu der Zivilcourage, die er gezeigt habe. Er selbst sieht das nüchterner. Alle Hinweise der Polizei zur Zivilcourage seien reine Theorie, sagt B.
Besonders ärgere ihn, wie viele Leute nichts getan hätten. „Wenn hinter mir zehn weitere nachrücken, greift uns keiner an“, sagt B., es war aber keiner da, und: Ihm habe nicht einmal jemand aufgeholfen, als er am Boden lag – obwohl Hunderte herumgestanden hätten.
„Das muss kein gefühlskaltes Danebenstehen sein. Es kann auch Ausdruck von überwältigender Angst und Entsetzen sein, die einen so sehr lähmen, dass man in diesem Moment handlungsunfähig ist“, sagt Francesca Regen, Oberärztin an der psychiatrischen Klinik der Charité. „Desinteresse oder bösartiges Unterlassen von Hilfe sollte man diesen Menschen besser nicht einfach unterstellen.“
Auf dem Ringbahnsteig des Bahnhofes Ostkreuz waren am Sonntagabend gegen 18.45 Uhr drei Männer und ihre zwei weiblichen Begleiterinnen in einen Streit geraten, in dessen Verlauf die Männer die beiden Frauen schlugen. B. schritt ein, was zuvor auch schon ein 20-Jähriger aus Wildau getan hatte. Ihn griffen die Täter an, schlugen und traten zu. Den 49-jährigen B. rissen sie zu Boden, dann traten sie ihm gegen den Kopf. Anschließend entkamen die drei Männer mitsamt den Frauen mit der nächsten Ringbahn der Linie S42.
Alarmierte Bundespolizisten trafen vor Ort nur die beiden verletzten Männer und weitere Zeugen an. Eine Fahndung nach den Tätern blieb bislang erfolglos. Der 20-Jährige sagte, er sei nicht verletzt, und lehnte ärztliche Versorgung ab. B. musste in ein Krankenhaus gebracht werden. „Der Rettungsdienst war erstmal sehr unfreundlich“, beklagt B. „Bis eine Bundespolizistin zu den Sanitätern sagte: „Jetzt seid mal nett, das ist das Opfer.“ Er sei es ja gewohnt, in seinem Eisbären-Trikot erstmal selbst für einen Krawallmacher gehalten zu werden, womöglich noch für einen Betrunkenen.
Die Polizei hatte am Montag gesagt, die Täter seien „vermutlich arabischstämmig“ gewesen. Am Dienstag erklärte ein Sprecher, man gehe derzeit davon aus, dass es sich bei den Tätern um „deutsche Staatsangehörige mit südländischem Phänotypus“ handelt. Mehrere Zeugen hätten ausgesagt, dass sich die Täter während des Übergriffs auf deutsch verständigt hätten. Außerdem seien die Angreifer offensichtlich alkoholisiert gewesen.
Am Mittwochvormittag teilte die Bundespolizei mit, dass die Auswertung der Kameraaufnahmen abgeschlossen sei. „Die handelnden Personen sind auf den Aufnahmen zu erkennen. Allerdings können die Bilder aufgrund mangelnder Qualität nicht für eine gezielte Fahndung nach den Tätern genutzt werden“, sagte Polizeisprecher Jens Schobranski. Eine Öffentlichkeitsfahndung sei mit den Bildern nicht möglich. An der Technik liege das nicht, sagte ein Bahn-Sprecher auf Nachfrage. Der Bahnhof Ostkreuz ist ganz neu, die Kameras entsprächen dem Stand der Technik.
Schobranski nannte das Handeln der beiden helfenden Männer „grundsätzlich richtig“. Allerdings, sagte er, brauche es am besten eine mindestens gleich große Gruppe, die einschreitet. Bei drei Tätern, von denen Gewalt ausgehe, müsse man damit rechnen, dass sie auch gegen eingreifende Menschen brutal werden.Timo Kather / Fatina Keilani
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