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Abschiebequote des Brandenburger Innenministers Schröter: Zoff bei Rot-Rot um Abschiebungen
Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter fordert mehr Abschiebungen. Damit verärgert er den Koalitionspartner, weil er gegen rot-rote Absprachen verstoße. Zustimmung gibt es hingegen von der AfD-Fraktion.
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Potsdam - Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) hat mit seiner harten Linie in der Abschiebepolitik einen Krach in der rot-roten Koalition ausgelöst. „Das hat nichts mit dem zu tun, was die Koalition bisher immer vertreten und vereinbart hat. Es steht dem diametral entgegen“, sagte die asylpolitische Sprecherin der Linke-Landtagsfraktion, Andrea Johlige am Montag den PNN. „Die Koalition hat sich immer zu einer humanen Flüchtlingspolitik bekannt.“ Schröters Ministerium halte sich nicht an entsprechende Beschlüsse der Koalition und des Landtags. Auch die Abgeordnete Inka Gossmann-Reetz (SPD) verlangte Aufklärung.
Zustimmung bekam Schröter hingegen von der AfD. Deren innenpolitischer Sprecher, Thomas Jung, sagte, es sei erfreulich, dass der Innenminister inzwischen die Forderung der AfD nach konsequenter Abschiebung „von nicht asylberechtigten Einwanderern“ vertrete. Schröter sollte Abschiebungen zur Chefsache machen. Die Grüne-Innenexpertin Ursula Nonnemacher nannte es dagegen skandalös, dass eine rot-rote Landesregierung feste Abschiebequoten verlangt. Der Landesregierung gehe es „auf dem Gebiet des Ausländerrechts weniger um die Anwendung geltenden Rechts als vorrangig um politisches Kalkül“, sagte Nonnemacher.
Innenminister Schröter fordert Gemeinden auf, abgelehnte Asylbewerber abzuschieben
Wie berichtet hatte das Innenministerium in einem Schreiben vom 17. März an die Landräte und Oberbürgermeister gefordert, dass die Ausländerbehörden in den Landkreisen und kreisfreien Städten mehr abgelehnte Asylbewerber abschieben sollen. Das Ministerium beruft sich auf eine Abmachung aus dem Jahr 1997, wonach das Land den 18 Ausländerbehörden die Zuständigkeit für Abschiebungen übertragen und jeweils die Mehrkosten für jede einzelne Behörde – etwa für jeweils eine halbe Stelle – übernommen hatte. Im vergangenen Jahr waren es insgesamt 818 000 Euro. Nach der Prognose von damals sollten Landkreise und kreisfreien Städte pro Monat mindestens 150, pro Jahr 1800 ausreisepflichtige Asylbewerber abschieben.
Das Ministerium beklagte nun in dem Schreiben: „Die Entwicklung der Abschiebezahlen im Land Brandenburg in den letzten Jahren entspricht jedoch in keinster Weise dem seinerzeit zugrunde gelegten Berechnungsmodell.“ Daher sollen die Ausländerbehörden nun „die Anstrengungen zur zwangsweisen Rückführung vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer“ verstärken, um die damals „errechnete Quote zu erreichen“. Im vergangenen Jahr schoben die Kreise und kreisfreien Städte 563 abgelehnte Asylbewerber ab, mitsamt der Zahlen der Ausländerbehörde des Landes waren es 795 Abschiebungen. Zugleich gab es 998 freiwillige, teils finanziell geförderte Ausreisen. In Brandenburg lebten Ende Februar 6521 ausreisepflichtige Personen, davon 5138 Geduldete, wie ein Ministeriumssprecher sagte.
Johlige: Innenministerium ignoriert die Beschlüsse des Landtags zur Asylpolitik
Johlige warf Schröter nun vor, mit einer „20 Jahre alte Abschiebequote die Kommunen unter Druck“ setzen zu wollen. „Das sei ein Unding“, sagte sie. Zudem ignoriere das Ministerium die im Landtag mit Mehrheit der rot-roten Koalition gefassten Beschlüsse in der Asylpolitik. „Wenn das Innenministerium in einer anderen Art und Weise handelt, als in der Koalition verabredet, muss das dringend geklärt werden“, sagte Johlige. Die Koalition habe stets die Position vertreten, dass wie nach Gesetz jeder Einzelfall sorgfältig zu prüfen sei und freiwillige Ausreisen Vorrang hätten. „Wenn nicht sauber geprüft wird, kann es bedeuten, dass wir jemanden in den Tod schicken“, sagte Johlige. Sie erwarte, dass das Innenministerium die Kommunen nicht weiter unter Druck setze. Zudem müsse der Minister klarstellen, wie es zu dem Brief Mitte März kommen konnte.
Die Grünen-Innenexpertin Nonnemacher sagte, die Erfüllung von Abschiebequoten verbiete sich in einem Rechtsstaat. „Bei korrekter Rechtsanwendung und Gleichheit vor dem Gesetz entscheidet das geltende Asyl- und Flüchtlingsrecht, ob ein Mensch als Flüchtling anerkannt, geduldet oder aber abgeschoben wird“, sagte Nonnemacher. „Die Erfüllung von Quoten läuft dem zutiefst zuwider. Sie ist eines Rechtsstaats unwürdig.“
Abschiebungen nach Afghanistan: Ermessenspielräume im Aufenthaltsrecht sollen genutzt werden
Verfasst wurde das Schreiben zwei Wochen nach einem Landtagsbeschluss zu Abschiebungen von Afghanen. Demnach sollte das Innenministerium „darauf hinwirken“, dass die Ausländerbehörden in sorgfältiger Einzelfallprüfung alle Ermessensspielräume des Aufenthaltsrechts nutzen, um Abschiebungen zu vermeiden. Umgesetzt hat das Innenministern den Beschluss des Landtags bislang nicht. Vor einer Woche war in Brandenburg/Havel ein Afghane vom Arbeitsplatz abgeführt und mit einem Sammeltransport der Bundespolizei abgeschoben worden. Kritik daran kam – gerade mit Blick auf den Landtagsbeschluss – von der Landes-Integrationsbeauftragten, Doris Lemmermeier, dem Flüchtlingsrat sowie Linken und Grünen im Landtag.
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Mahmood Amiri floh mit seiner Familie aus Afghanistan. Jetzt sollen sie abgeschoben werden - der Fall aus Potsdam steht exemplarisch für eine heftige Debatte.
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