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Brandenburg: Zossener Neonazi will den Kampf nach dem Knast
UPDATE.Daniel T. hat den Brandanschlag auf das „Haus der Demokratie“ angezettelt und muss dafür hinter Gitter, dagegen will er Berufung einlegen.
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Zossen - Seinen Abschiedsbrief hatte Daniel T. schon am Montag ins Internet gestellt. Denn er wusste, dass er nach Jahren des „Kampfes für ein besseres Deutschland“ ins Gefängnis muss. Das Amtsgericht Zossen verhängte gegen den 25-Jährigen am gestrigen Mittwoch ein Haftstrafe von drei Jahren und acht Monaten wegen Anstiftung zum Brandanschlag auf das Zossener „Haus der Demokratie“, wegen Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in mehr als 20 Fällen. Daniel T. will gegen das Urteil Berufung einlegen. Der Potsdamer Rechtsanwalt Matthias Schöneburg, Verteidiger des 25-Jährigen, bestätigte am Donnerstag die Absicht seines Mandaten, am Landgericht Potsdam Berufung einzulegen. „Rechtlich ist an dem Urteil nicht zu rütteln“, sagte Schöneburg. Aber die Höhe der Strafe sei strittig.
Aus dem Prozess gelernt hat Daniel T. offenbar nichts. Stattdessen stellte er als sein „persönliches Manifest für die nationale Bewegung“ eine neue Schüler-CD mit rechter Propaganda und Hass-Musik zum Herunterladen ins Internet. T. versteht dies als „Denkanstoß für den Kampf um die Herzen und Köpfe unserer Volksgenossen“. Zugleich wettert er gegen „raumfremde Mächte und multikulturelle Bereicherer“ und kündigt an, nach seiner Haftentlassung „frisch und fröhlich ans Werk zu gehen“. Dann will er ein neues Deutschland, eine neue Volksgemeinschaft aufbauen. Besonders der Jugend müsse eine neue Perspektive geboten werden.
So war das wohl auch vor knapp zwei Jahren am 23. Januar 2010, als T. einen damals 16-Jährigen anstiftete, das „Haus der Demokratie“ in Brand zu stecken. Das Gebäude war bei dem Feuer völlig zerstört worden. Betroffen davon waren auch eine Ausstellung zum jüdischen Leben in dem Haus sowie Exponate für eine Ausstellung über Flüchtlinge. Bis heute sucht die Bürgerinitiative „Zossen zeigt Gesicht“ nach einem Ersatz für das zerstörte Haus.
Daniel T. hatte im Prozess erklärt, dass ihm die im „Haus der Demokratie“ gezeigte Ausstellung über jüdisches Leben missfiel. Er habe den um Anerkennung buhlenden 16-Jährigen in dem Vorhaben bestärkt. Das Verfahren gegen den heute 18-jährigen Brandstifter war wegen fehlender sittlicher Reife eingestellt worden, er kam ins Heim und hat Daniel T. vor Gericht beschuldigt, ihn zur Tat angestiftet zu haben. Ein Weggefährte aus der rechten Szene hatte den Verurteilten als jemanden, der gut reden könne, beschrieben. „Ich denke, T. hat einen Dummen gesucht, der für ihn das Haus anzündet.“
T. hatte seine Taten teils gestanden. Strafmildernd wirkte sich dies kaum aus. Das Gericht sah darin nur Taktik, denn die Beweislast sei schon durch Zeugenaussagen erdrückend gewesen. T. hatte sich während des Prozesses wiederholt zu seiner politischen Gesinnung bekannt. In seinem Schlusswort erklärte er, „überzeugter Nationalsozialist“ zu sein.
Gestanden hatte Daniel T. auch, im Frühjahr 2010 in 24 Fällen Hakenkreuze auf Fassaden und sogenannte Stolpersteine, die an jüdische NS-Opfer erinnern, geschmiert zu haben. Reue zeigte er nicht, sondern erkannte die Taten lediglich als Sachbeschädigungen an. Bis zum Schluss leugnete der Neonazi, eine Holocaust-Gedenkveranstaltung, bei der die Namen Zossener NS-Verfolgter vorgelesen wurden, mit Rufen wie „Lüge“ und „Lügner“ gestört zu haben. Er räumte zwar ein, die Störaktion mit etwa 20 weiteren Rechtsextremen dirigiert zu haben, doch seien die Zwischenrufe in einem anderen Kontext zu sehen. Diese Behauptung sah das Gericht durch mehrere Zeugenaussagen widerlegt. Die rechten Parolen seien auf Anweisung des Angeklagten gerufen worden, wenn der Name eines NS-Opfers vorgetragen worden sei.
Der 25-Jährige ist einschlägig vorbestraft und verurteilt worden, erst im Februar 2011 wegen „Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole“, 2005 wegen gefährlicher Körperverletzung. Er war Kopf der im April vom Innenministerium verbotenen Kameradschaft „Freie Kräfte Teltow-Fläming“ (FKTF), eine der gewaltbereitesten rechtsextremistischen Gruppen in Brandenburg. Ermittler nannten ihn einen „selbsternannten Führer“.
In Zossen und Umgebung war die 50 Mitglieder umfassende, 2006 formierte Gruppierung zunehmend selbstbewusst aufgetreten. Im Internet hatten sich die Neonazis klar zum Dritten Reich und zur NS-Ideologie bekannt, verteilten Propagandamaterial und eine Schüler-CD. Damit rekrutierten sie gezielt Jugendliche und konnten – wie bei der Brandstiftung – sogar 12- bis 15-Jährige für sich gewinnen. Judith Porath vom Verein Opferperspektive sagt: „Jugendliche waren überaus anfällig, Sozialarbeiter überfordert und von der Stadt im Stich gelassen.“ Die Neonazis hinterließen auch Morddrohungen an Hauswänden gegen Mitstreiter der Bürgerinitiative „Zossen zeigt Gesicht“, Initiativen-Mitglieder waren mehrfach attackiert worden, Fensterscheiben gingen zu Bruch, ein Brandanschlag auf das Auto eines Initiativen-Mitglieds schlug fehl. Diese Taten wurden am Mittwoch nicht bestraft. (mit dapd)
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