Brandenburg: Zu arm, um sexy zu sein
Vor allem kleine Kommunen im Land können sich oft den Eigenanteil für die Förderung nicht leisten
- Matthias Matern
- Claus-Dieter Steyer
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Potsdam – Viel ist in den vergangenen 20 Jahren erreicht worden, doch um so stärker fallen die Gegensätze in Brandenburgs Innenstädten ins Auge: Neben frisch renovierten Fachwerkhäusern klaffen Lücken mit verwilderten Grundstücken oder stehen verfallene Häuser. Angaben des Landesinfrastrukturministeriums sind seit 1991 rund 640 Millionen Euro Fördermittel in die Sanierung der historischen Innenstädte geflossen, im Schnitt also jährlich rund 32 Millionen Euro. Doch weil Bundesbauminister Peter Ramsauer (CDU) die Mittel für die Städtebauförderung zusammengestrichen hat, wird künftig deutlich weniger Geld fließen. In diesem Jahr werden es nur noch 21 Millionen Euro sein. „Wir sind froh, dass wir die geplanten Kürzungen etwas abmildern konnten und so der Status quo vom Vorjahr weitgehend erhalten bleibt“ , sagt Brandenburgs Infrastrukturminister Jörg Vogelsänger (SPD).
Den sinkenden Zuschüssen jedoch steht ein gleichbleibender Bedarf gegenüber. Das zumindest findet Michael Knape, FDP-Bürgermeister von Treuenbrietzen (Potsdam-Mittelmark) und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft „Städte mit historischen Stadtkernen“, die 1992 gegründet wurde und insgesamt 31 Kommunen umfasst. „Wir werden nie fertig, kommen aber jedes Jahr ein Stückchen voran“, sagt Knape. Nach wie vor gebe es große Unterschiede bei der Entwicklung in den einzelnen Städten. Zudem gelte es jetzt, die erreichten Sanierungserfolge zu sichern, weiterhin müssten nicht genutzte und perspektivisch vom Verfall berdohte Denkmale gerettet werden. „Die schon durchgesetzten Kürzungen der Städtebaumittel vom Bund haben schon einen bitteren Beigeschmack“, findet der AG-Vorsitzende deshalb.
Während die Landeshauptstadt Potsdam, Wittstock, Templin oder Neuruppin mit ihren historischen Zentren schon weitgehend sanierte Bereiche vorweisen können, sieht es beispielsweise in Brandenburg/Havel noch anders aus. „70 Prozent der Gebäude im Stadtkern sind bislang erneuert worden“, sagte Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann (CDU). Insgesamt 360 Millionen Euro Fördermittel aus verschiedenen Programmen seien seit der Wende in die Stadtentwicklung geflossen. Weitere 115 Millionen Euro seien in den Öffentlichen Nahverkehr investiert worden. Das habe sich ausgezahlt, findet die Rathauschefin. „In der Innenstadt haben wir einen Bevölkerungszuwachs von 17 Prozent und so gut wie keinen Leerstand.“ Entscheidend sei es, Gebäude trotz Denkmalschutz so herzurichten, dass dort jemand leben oder arbeiten wolle. „Den zweiten oder dritten Hinterhof braucht heute keiner mehr“, glaubt Tiemann. Gelohnt hat sich die Sanierung der Städte nach Vogelsängers Ansicht auch wirtschaftlich. „Durch die vergebenen Baufträge sind Arbeitsplätze entstanden. Derzeit ist die Arbeitslosigkeit so gering wie sei 20 Jahren nicht mehr“.
Die Frage, ob Fördermittel sinnvoll genutzt werden, stellt sich jedoch in manchen Kommunen gar nicht erst. Einige können sich schlichtweg den 20 prozentigen Eigenanteil nicht leisten. „Es ist schon vorgekommen, dass wegen leerer Kassen Mittel zurückgegeben werden mussten“, berichtet etwa Bodo Broszinski (SPD), Bürgermeister von Doberlug-Kirchhain (Elbe-Elster). Probleme hätten vor allem Kleinstädte im ländlichen Raum, meint Karl-Ludwig Böttcher, Geschäftsführer des brandenburgischen Städte- und Gemeindebundes. „Der springende Punkt ist, dass diese Kommunen nur geringe Einnahmen haben, weil es kaum Gewerbe gibt. Außerdem erhalten sie wegen der niedrigen Einwohnerzahl nur wenig Schlüsselzuweisungen.“ Verschärft werde die Situation aber dadurch, dass die Kommunen immer mehr Aufgaben übernehmen müssten, ohne das ein finanzieller Ausgleich stattfinde, so Böttcher. „Das muss vom Land über den kommunalen Finanzausgleich abgefedert werden.“
Auch Bürgermeisterin Tiemann sieht die Verantwortung bei der Landesregierung. Zusammen mit den drei kreisfreien Städten, Cottbus, Potsdam und Frankfurt (Oder), hat die Havelstadt deshalb vor dem Landesverfassungsgericht Beschwerde gegen das Finanzausgleichsgesetz des Landes eingelegt. „Bei der Kofinanzierung muss etwas passieren. Das muss anders laufen als in den vergangenen Jahren“, fordert die Rathauschefin, will aber auch nicht undankbar wirken: „Bei allen Klagen dürfen wir auch nicht vergessen, wie es noch 1989 und 1990 in unseren Städten ausgesehen hat.“
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