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Immer häufiger lassen sich die Brandenburger wegen psychischer Leiden krankschreiben.

© dpa

Gesundheitsreport der DAK: Zu depressiv zum Arbeiten

Brandenburg ist bei Krankschreibungen weiterhin bundesweit Spitze. Dass die Zahl der psychischen Erkrankungen tatsächlich zunimmt, bezweifeln Experten: Burnout etwa sei oft Fehldiagnose.

Von Matthias Matern

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Potsdam - Die Anzahl der Fehltage wegen psychischer Leiden sind im Land Brandenburg in den vergangenen Jahren dramatisch gestiegen. Gingen im Jahr 2000 noch 88 Tage je 100 gesetzlich Versicherte auf das Konto psychischer Erkrankungen, waren es im vergangen Jahr 220 Tage – ein Anstieg von 151 Prozent. Damit liegt Brandenburg deutlich über dem Bundesschnitt von 204 Fehltagen durch psychische Leiden und im Vergleich der Bundesländer auf dem achten Platz. Das geht aus dem aktuellen Gesundheitsreport der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) für das Land Brandenburg hervor, der am Donnerstag in Potsdam voregstellt wurde.

Dass psychische Erkrankungen in Brandenburg und bundesweit tatsächlich deutlich zugenommen haben, bezweifeln die DAK-Gesundheitsexperten. Vielmehr würden heute viele Arbeitnehmer wegen eines solchen Leidens krankgeschrieben, während sie früher stattdessen aufgrund von chronischen Rückenschmerzen oder Magenschmerzen als arbeitsunfähig erklärt worden wären, heißt es im Report. Diese Schlussfolgerung leitet die Krankenkasse unter anderem von der Tatsache ab, dass die Anzahl der Fehltage insgesamt seit 2000 vergleichsweise nur leicht um elf Prozent gestiegen ist. Ferner sei der Anteil von Fehltagen anderer Krankheiten wie die des Herz-Kreislaufsystems oder des Verdauungssystems im selben Zeitraum um 26 Prozent beziehungsweise um fünf Prozent zurückgegangenen.

In der Summe aller Krankschreibungen ist Brandenburg immer noch bundesweit Spitze – wenn auch die Zahl leicht zurückgegangen ist. Waren 2011 noch von 1000 Arbeitnehmern im Schnitt 50 krankgeschrieben, fehlten im vergangenen Jahr nur noch 49. In knapp einem Viertel der Fälle waren Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems die Ursache. In gut 15 Prozent waren es Erkrankungen des Atemsystems und in gut 13 Prozent Verletzungen wie Brüche oder Prellungen. Psychische Leiden stehen mit 12,3 Prozent an vierter Stelle, laut DAK eine Zunahme um mehr als sieben Prozent.

Der sogenannte Burnout-Syndrom als Ausdruck psychischer Überlastung am Arbeitsplatz spielt dem Report zufolge dabei nur eine geringe Rolle. In nur knapp elf Prozent aller Fälle geht die DAK tatsächlich von einem Burnout aus. Bei den allermeisten Fällen aber handele es sich um Depressionen. Im vergangenen Jahr haben die Ärzte in Brandenburg nur bei jedem 500. Mann und jeder 200. Frau ein Burnout auf der Krankschreibung vermerkt. „Es gibt offensichtlich kein Massenphänomen Burnout“, sagte Ralf Seifert, Chef des DAK-Regionalzentrums in Potsdam. Vielmehr würden Arbeitnehmer mit Depressionen gegenüber ihren Hausärzten häufig über ein Burnout klagen, weil dieser Begriff weit positiver besetzt sei als der der Depression. Verbunden werde mit einem Burnout, dass sich der Betroffene meist übermäßig in seinem Beruf engagiert habe, dadurch ausgebrannt sei.

Kai Treichel, Geschäftsführer des Ärztehauses Friedrichshain in Berlin und Gutachter für die Bundesagentur für Arbeit, glaubt sogar, dass zudem auch noch viele Burnout-Diagnosen falsch sind. Ohnehin sei das Burnout-Syndrom keine anerkannte Krankheit, sondern gelte als Problem der Lebensbewältigung. Insgesamt vermeintliche 40 Burnout-Fälle hat Treichel eigenen Angaben zufolge noch mal durchleuchtet. Nur bei sechs Patienten habe er die Diagnose bestätigen können, berichtete der Mediziner. In zwölf Fällen blieben wiederkehrende Depressionen unerkannt – und damit unbehandelt. „Es gibt eine hohe Korrelation zwischen, der Patient sagt, ich habe ein Burnout, und, der Arzt schreibt es auf“, so Treichel.

Wenn auch die Folgen offenbar weitaus weniger gravierend sind als der Anstieg der Krankschreibungen wegen psychischer Leiden auf den ersten Blick vermuten lässt, so sind sich die Experten doch einig, dass sie wachsenden Anfordrungen im Berufsleben psychische Krankenheiten hervorrufen oder aber zumindest verstärken. So spiele zwar laut Umfrage unter den Versicherten die oft zitierte, ständige berufliche Erreichbarkeit bei rund 80 Prozent gar keine Rolle. Doch bei einem Viertel derer, die unter Depressionen leiden, gehöre die ständige Erreichbarkeit nach eigenen Angaben zum Beruf.

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