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Gefordert. Brandenburgs Innenminister Schröter vor der bei einem Brandanschlag zerstörten Sporthalle in Nauen.

© Julian Stähle/dpa

Brandenburg: Zu wenige Beamte gegen rechte Gewalt

Gewerkschaften schlagen wegen rapider Zunahme rechter Gewaltstraftaten Alarm und fordern deutliche Reaktion der Landesregierung: Mehr Beamte bei der Polizei

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Potsdam - Angesichts des neuen Höchststandes bei rechten Gewaltstraftaten in Brandenburg fordern die Gewerkschaften eine deutliche Aufstockung des Staatsschutzes. Andreas Schuster, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), und Riccardo Nemitz, Landeschef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), bezeichneten den rapiden Anstieg politisch motivierter Kriminalität und insbesondere die Rekordwerte bei rechter Gewalt als Alarmsignal. „Da muss der Staat reagieren“, sagte Schuster den PNN. Jetzt räche sich, dass die Zahl der Beamten im polizeilichen Staatsschutz mit der Polizeireform von 2011 reduziert wurde.

Aktuell gibt es noch 139 Stellen für den Staatsschutz, zum Start der Polizeireform waren es noch 235. Bereits im Evaluierungsbericht zur Polizeireform war 2015 festgestellt worden, dass der Staatsschutz den wachsenden Aufgaben und Herausforderungen – Rechtsterrorismus und islamistischem Terrorismus – personell nicht mehr gewachsen sei. Mit der aktuellen Stellenzahl ist bereits die ursprüngliche Reform-Zielmarke für das Jahr 2020 erreicht. Das schlägt sich wie berichtet auch auf die Schlagkraft der Polizei nieder. Die Aufklärungsquote bei rechten Gewalttaten sank 2015 im Vergleich zum Vorjahr von 93,2 auf 74,4 Prozent. Zugleich hat die Zahl rechter Gewaltstraftaten – wie die PNN berichteten – in Brandenburg nach jahrelangem Rückgang 2015 den höchsten Stand seit 2001 erreicht. Die Zahl rechter Gewalttaten stieg um 76,7 Prozent – von 73 im Jahr 2014 auf 129 Fälle im vergangenen Jahr. Der überwiegende Teil (96) der rechten Gewalttaten war 2015 fremdenfeindlich motiviert.

„Wir haben ein großes Problem“, sagte Schuster. „Das vorhandene Personal ist für dieses Phänomen nicht ausreichend. Wir brauchen dringend 60 Staatsschützer mehr, um dieses Problem und den Anstieg von rechter Gewalt effektiv bearbeiten zu können.“ Es sei auch davon auszugehen, dass „die Flüchtlingsproblematik bestehen bleibt“. Auch wenn die Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge derzeit sinke, bleibe die Aufgabe, die hier lebenden Asylbewerber in die Gesellschaft zu integrieren. „Es wird daher dabei bleiben, dass die Straftaten am rechten Rand weiter zunehmen.“

Schuster forderte Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) und die Landesregierung daher auf, die Polizei deutlich aufzustocken. Vorerst sei der Personalabbau nur gestoppt. Wie berichtet hat der Landtag im Nachtragshaushalt die Kürzungsvermerke für 100 Stellen gestrichen. Nun gibt es 8100 Stellen, die Zahl der Beamten ist allerdings bereits unter die 8000er-Marke gesunken. Schuster erinnerte an das Ergebnis der Evaluierung der Polizeireform, bei deren Start es in Brandenburg 8900 Beamte gab. Der Mitte 2015 vorgelegte Evaluationsbericht hielt die von Rot-Rot vereinbarte Zahl von 7850 Stellen für nicht machbar. und empfahl eine Mindestzahl von 8300 Beamten, damit die Polizei ihre Aufgaben erledigen kann. Schuster erklärte nun, darin seien noch gar nicht die zusätzlichen Aufgaben durch die steigenden Flüchtlingszahlen berücksichtigt worden. Weil allein 400 Beamte gebunden seien, etwa für den Schutz von Flüchtlingsunterkünften, brauche Brandenburg eigentlich 8700 Polizisten. „Die Landesregierung kann die Ergebnisse bei der politisch motivierten Kriminalität nicht ignorieren, ansonsten wird sie unglaubwürdig“, sagte Schuster. Das einst entwickelte Brandenburger System mit einer klaren Repressionsstrategie gegen rechte Straftäter, das deutschlandweit Beachtung fand, funktioniere nicht mehr. Es seien verschiedene Einheiten wie Mega und Tomeg gegründet worden, um die rechte Gewalt der 1990er-Jahre in den Griff zu bekommen, die Devise damals: Neben jedem Rechtsextremen muss ein Polizist stehen. Doch das funktioniere durch den Personalabbau nicht mehr.

BDK-Landeschef Nemitz nannte die Zunahme rechter Gewaltstraftaten extrem besorgniserregend. Allerdings müsse man auch die wachsende Zahl linker Gewaltstraftaten betrachten. Zudem gebe es durch den Islamismus einen Aufgabenzuwachs für den Staatsschutz, das habe die Landesregierung bei der Polizeireform nicht im Blick gehabt. Nötig sei ein Personalbestand wie zum Reformstart – „wenn nicht sogar mehr“, sagte Nemitz. Schließlich sei auch die Zahl von Demonstrationen und der dabei begangenen Straftaten gestiegen. Nötig sei jetzt ein klares Signal der Landesregierung. „Sie muss ein Zeichen setzen, dass mehr Personal kommt.“

Allerdings machen sich weder GdP noch BDK Hoffnung, dass Personal schnell zu besorgen ist. Kurzfristig könnten Beamte aus anderen Bereichen der Kripo abgezogen werden, doch auch an anderen Stelle wie bei Wohnungseinbrüchen gebe es große Probleme. Als langfristige Lösung wird die Zahl der Plätze für Polizeianwärter an der Fachhochschule der Polizei nun auf 350 aufgestockt. Doch bis die neuen Beamten dann in den Dienst gehen, dauert es ein paar Jahre – zumal die Neuzugänge zunächst auch die Pensionierungswelle abfangen müssen. Auch die von Innenminister Schröter gestartete Anwerbung von Feldjägern, die nach ihrem Dienst als Zeitsoldaten bei der Bundeswehr zur Polizei wechseln können, stockt. Inzwischen ahmen andere Bundesländer Brandenburg nach – das aber beim Sold am unteren Ende der Länderliste steht, vor Berlin.

Die Gewerkschaften setzen vorerst weiter auf Schröter, der innerhalb der Polizei einen guten Stand hat. Die Nagelprobe dürfte der neue Doppelhaushalt für die Jahre 2017/18 sein, wenn die künftige Stellenzahl bei der Polizei festgelegt wird.

nbsp;Alexander Fröhlich

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