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Recycling-Experte. B. Idilbi macht aus Abfall Kunststoff-Materialien.

© Pleul/dpa

Brandenburg: Zuwandern und Jobs schaffen

Nach Deutschland ziehen und eine Firma gründen: Viele Menschen mit ausländischen Wurzeln arbeiten als Selbstständige und schaffen so Arbeitsplätze. Luft nach oben gibt es aber trotzdem noch

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Guben - Bashar Idilbi sitzt auf einem Haufen Müll. Also eigentlich sitzt er auf einer Bank, aber die ist aus geschredderten Getränkekartons gefertigt. Der Syrer gründete vor Jahren in Deutschland eine Firma, die aus solchen Abfällen Gartenmöbel und Bodenbeläge für den Außenbereich herstellt. Das kleine Unternehmen im südbrandenburgischen Guben an der Grenze zu Polen will expandieren und weitere Arbeitsplätze schaffen, wie der 59-jährige ankündigt. Die Zahl von zugewanderten Menschen aus dem Ausland, die als Selbstständige hier in Deutschland arbeiten, sei im Verlauf der vergangenen Jahre gestiegen.

Idilbi geht in die Produktionshalle seiner Firma Technamation Technical Europe GmbH in einem Industrie- und Gewerbegebiet. Dort sind große Haufen mit geschredderten Verpackungen aufgetürmt – Schnipsel über Schnipsel. Vier Mitarbeiter beschäftigt er hier. Die Maschinen laufen derzeit aber nicht, denn das Unternehmen will neue Räume beziehen – der Umzug steht an. Der 59-jährige spricht Deutsch, manchmal wechselt er ins Englische.

In Deutschland hat man offensichtlich das Potenzial von Migranten mit Gründungsvorhaben erkannt. In Brandenburg zum Beispiel gibt es ein Projekt der Landes-Wirtschaftsfördergesellschaft Zukunftsagentur Brandenburg, das sich speziell an akademische Migranten richtet. „Das Interesse steigt“, sagt Kuang Dai als Projektkoordinator. Er führt das darauf zurück, dass immer mehr ausländische Studenten an brandenburgische Hochschulen kommen und sich viele von ihnen vorstellen könnten, langfristig in Deutschland zu bleiben.

Was die Gründung innovativer Firmen von Zugewanderten aus Drittländern – also außerhalb der EU – angeht, liegen den Angaben zufolge derzeit in Brandenburg der Iran und asiatische Länder weit vorne. „Sehr viele Wissenschaftler wollen hier bleiben“, sagt Dai. Die Firmengründer entwickeln zum Beispiel Smartphone-Apps oder Software. Auch auf die Herstellung neuer Geräte und die Entwicklung neuer Dienstleistungen im Gesundheitsbereich seien viele spezialisiert.

Seine Firma gründete Idilbi 2002 in Nordrhein-Westfalen, nach Jahren zog er dann mit seiner Ehefrau nach Brandenburg. Nach Deutschland kam der Syrer nicht als Kriegsflüchtling, sondern weil seine Frau Deutsche ist und er schon zu früheren Zeiten zeitweise hier arbeitete, wie Idilbi erzählt. So habe es Anknüpfungspunkte gegeben.

Anfangs habe er nach der Firmengründung noch einen Produktionsstandort in Syrien gehabt. Doch die Maschinen seien später im Krieg zerstört oder gestohlen worden. Deshalb baue die Firma Stück für Stück die Herstellung hier in Brandenburg auf, erklärt der Unternehmer.

In Deutschland waren im Jahre 2015 laut den Mikrozensus-Erhebungen des Statistischen Bundesamtes unter allen rund 4,16 Millionen Selbstständigen 658 000 Menschen, die zuvor aus anderen Ländern zugewandert waren. Auf Europa bezogen stammen viele von ihnen aus Polen (94 000) und der Türkei (64 000). Zum Vergleich: 2011 lag die Zahl der Zugewanderten, die selbstständig waren, noch bei 589 000.

Der Wissenschaftler René Leicht vom Institut für Mittelstandsforschung an der Universität Mannheim untersucht das Gründungsverhalten von Menschen mit ausländischen Wurzeln und erstellte vor einiger Zeit mit anderen Autoren eine Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums. Leicht sieht ein „großes Gründungspotenzial“ bei Zugewanderten. Die meisten der in jüngerer Zeit zugewanderten Migranten seien hoch qualifiziert und ein Teil habe sogar hierzulande studiert, sagt Leicht. Viele könnten als Selbstständige von guten Verbindungen in ihr Herkunftsland profitieren und zum Beispiel ausländische Produkte hier auf den Markt bringen.

Die Organisatoren von Förderprogrammen sollten nach Leichts Ansicht noch gezielter und direkt nach der Zuwanderung auf die Menschen zugehen, bevor sie möglicherweise ein Beschäftigungsverhältnis eingehen und dann nicht mehr den Willen aufbringen, zu gründen.

Die Motivation, als Zugewanderter in Deutschland eine Firma zu gründen, habe sich im Laufe der Zeit verändert, betont der Wissenschaftler. „Es gründen immer weniger Migranten aus der Not heraus, etwa weil sie auf dem Arbeitsmarkt keine andere Chance hätten.“ Stattdessen stünden heute vor allem Selbstverwirklichung, die Umsetzung eigener Ideen und Innovationen im Vordergrund.

Zurück in Guben. Bashar Idilbi berichtet, dass er mit offenen Armen in Deutschland empfangen worden sei. Die Fördermöglichkeiten seien gut und es gebe viel Unterstützung von der Politik, sagt er. Bewerbungen habe er sehr viele vorliegen. Dass er aus dem Ausland kommt, habe nie zu Problemen geführt. „Ich brauche ein, zwei Minuten, und dann bin ich mit jedem Freund“, sagt Idilbi.

Anna Ringle

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