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Brandenburg: Zwei Wochen in Lebensgefahr

Entführter 20-jähriger Russe nach Zahlung eines hohen Lösegelds freigelassen. Polizei: Das waren Profis

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Berlin - Der spektakulärste Entführungsfall in Berlin und Brandenburg der letzten Jahre hat ein glückliches Ende genommen. Unbekannte ließen in der Nacht zu Donnerstag den 20 Jahre alten Vadim Freinkman nach zehn Tagen unversehrt frei. Wenige Stunden nach dem Verschwinden am 8.August hatten sich die Täter bei Mutter Nelly Freinkman gemeldet – und mit den Tod des Jungen gedroht, sollte kein Geld fließen. Nach offiziellen Angaben wurde von der Familie ein „sechsstelliges“ Lösegeld bezahlt; auch die Summe von einer Million war zu hören.

Das Lösergeld war am Dienstagabend im brandenburgischen Pausin in der Nähe von Nauen übergeben worden – wie, dazu schweigt die Polizei. „Einer der komplexesten Fälle“, sagte gestern der Leiter des Landeskriminalamtes Berlin, Peter-Michael Haeberer.

Nachdem die Mutter des Entführten die Polizei am Tag nach dem Verschwinden informiert hatte, trat sofort der „Führungsstab Schwerstkriminalität“ zusammen, der sich dann „Soko St. Petersburg“ nannte, da die Mutter des Entführten dort arbeitet. Bis zu 200 Beamte waren in den vergangenen zehn Tagen im Einsatz.

Um das Leben des jungen Mannes, der die israelische und russische Staatsangehörigkeit hat, nicht zu gefährden, wurden die Bedingungen der Entführer erfüllt – und nicht wie sonst mit Hinhaltetaktik gearbeitet.

Da die Freilassung 24 Stunden nach Geldübergabe erfolgte, hatten die Täter ausreichend Zeit, um das Geld zu prüfen und zu zählen. Die Einschätzung der Ermittler: Es waren Profis am Werk. Direkt gesprochen mit den Entführern hat die Polizei nicht, wie der „Kontakt“ aussah, blieb offen. Nach Aussagen des Entführten sei er von den drei russischsprachigen Entführern gut behandelt worden.

Am Abend des 17. August war Freinkman mit einem Freund am Potsdamer Platz im Kino, sie sahen „Superman“. Nach der Vorführung trennten sie sich, Freinkman stieg in seinen dunkelgrünen VW Passat mit Kennzeichen B-CD 6543 und fuhr nach Neukölln. Dort, vor seinem Wohnhaus in der Hermannstraße 128, erwarteten ihn gegen halb drei Uhr früh bereits zwei Unbekannte. Sie drängten ihn in sein Auto zurück und rasten mit ihm davon. Der Wagen wurde zwei Stunden nach der Freilassung in der Kreuzberger Boppstraße gefunden.

Vermutlich wurde der frischgebackene Abiturient in Berlin in einer Wohnung gefangen gehalten. Er wirkte erschöpft, sei jedoch körperlich unversehrt, sagte LKA-Chef Haberer gestern. Er durfte sich waschen und bekam ausreichend zu essen. Keine Angaben machte die Polizei, wie der 20-Jährige bedroht oder gefesselt wurde.

Offen blieb, ob Nelly Freinkman das Lösegeld selbst zusammengebracht hat. Bei der Familie soll es sich nicht um Millionäre handeln. Die Mutter lebt seit vielen Jahren in der Hermannstraße, arbeitet als Psychologin in einer Charlottenburger Praxis und als Wissenschaftlerin. Schlagzeilen machte die Mutter vor Jahren, als sie verdächtigt wurde, wertlose Abschlusszeugnisse der Universität St. Petersburg verkauft zu haben. Sie war später von ehemaligen Studenten auf Rückzahlung der Ausbildungskosten verklagt worden. In Zeitungsberichten war damals die Rede von 450 000 Mark Einnahmen, die sie kassiert haben soll.

Keine Anhaltspunkte gibt es nach Angaben von Staatsanwalt Ralph Knispel, dass die Entführung vorgetäuscht sei. Der junge Mann, der im Wintersemester in Berlin einen Studienplatz für Maschinenbau hat, ist der Polizei nach eigenen Angaben bislang nie aufgefallen.

Folgende Fragen hat die Polizei: Wer hat am Freitag früh, 18. August, zwischen 2 Uhr und 3 Uhr nachts in der Hermannstraße 128 etwas beobachtet? Wer hat gesehen, wie Freinkman am Mittwochabend gegen 22 Uhr auf der Stubenrauchbrücke in Neukölln freigelassen wurde?

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