Brandenburg: Zweifel, Widersprüche, Ungereimtheiten
Der Trennungsgeldfall des Frankfurter Gerichtspräsidenten bleibt fragwürdig – trotz der Entschuldigung von Regierungschef Platzeck
Stand:
Der Trennungsgeldfall des Frankfurter Gerichtspräsidenten bleibt fragwürdig – trotz der Entschuldigung von Regierungschef Platzeck Von Thorsten Metzner Potsdam – Der Bund der Steuerzahler hat der Landesregierung mangelnde Konsequenz bei der Aufklärung der Trennungsgeld-Affäre vorgeworfen. Die Vorsitzende Angela Mai kritisierte am Freitag gegenüber den PNN den jüngsten Vergleich, den Justizministerin Beate Blechinger (CDU) mit dem Präsidenten des Oberverwaltungsgerichtes Frankfurt (Oder) Dieter Liebert – sein Fall galt als besonders krass – abgeschlossen hat. „Das hat den Anschein von Ablasshandel“, sagte Mai. „Es geht um Steuergeld.“ Ein solches Vorgehen trage „nicht dazu bei, Vertrauen in die Justiz wiederherzustellen“. Nach dem Vergleich zahlt der höchste Verwaltungsjurist des Landes, der rund 70 000 Euro Trennungsgeld zu Unrecht bezogen haben soll, rund 20 000 Euro an die Landeskasse zurück. Zuvor war das Disziplinarverfahren gegen Liebert eingestellt worden. Das Justizministerium wirft ihm nicht mehr vor, in den Trennungsgeld-Anträgen falsche Angaben gemacht zu haben. Regierungschef Matthias Platzeck (SPD), der diesen Vorwurf im Januar 2004 im Landtag ebenfalls erhob, hat sich bei Liebert jetzt dafür entschuldigt. Allerdings werden Zweifel laut, ob diese plötzliche Entlastung von Liebert und der Rückzug der Landesregierung überhaupt gerechtfertigt sind: Nicht nur die PDS-Opposition sieht „Ungereimtheiten und offene Fragen“ in dem Fall. Sie drängt auf Akteneinsicht – neuerdings auch die SPD – und bereitet einen Untersuchungsausschuss zur Trennungsgeld-Affäre vor. Auch der Landesrechnungshof wird bei der demnächst beginnenden Überprüfung des Justizministeriums den Fall Liebert noch einmal unter die Lupe nehmen. Unter den Mitgliedern der externen Kommission unter Vorsitz des renommierten, pensionierten Bundesverwaltungsrichters Paul Schwarz, die die Trennungsgeld-Praxis im Justizministerium untersucht hatte, löste dem Vernehmen nach die Entschuldigung Platzecks Unverständnis, Enttäuschung und Empörung aus. Die Kommission war Anfang 2004 bei Liebert zu dem Ergebnis gekommen, dass dem Gerichtspräsidenten „kein Trennungsgeld zustand“, wie es in dem den PNN vorliegenden Prüf-Vermerk heißt. Liebert hatte sich 1993 aus Münster nach Brandenburg versetzen lassen und bis 1996 Trennungsgeld erhalten. Es wird Staatsdienern nach der Versetzung an einen anderen Ort für einen Zeitraum zur Wohnungssuche zusätzlich zum Gehalt gezahlt – allerdings in der Regel meist nur maximal ein Jahr. Jeder Antragsteller muss dafür unterschreiben, dass er uneingeschränkt bereit ist, an den neuen Dienstort umzuziehen. Auch Liebert unterschrieb dies. Die Schwarz-Kommission kam dagegen zu dem Ergebnis, dass Liebert in Wirklichkeit gar nicht umziehen wollte. Der Fall schien anders als andere sogar ziemlich eindeutig: Ehe er 1993 nach Brandenburg ging, hatte sich der Spitzenjurist vorsorglich eine Rückkehroption in den Justizdienst Nordrhein-Westfalen gesichert, die erst ab 1995 wirkte und tatsächlich bis 1999 galt. „Dies indiziert, dass er vor Auslaufen der Option nicht mit seiner Familie nach Frankfurt (Oder) umziehen wollte und ein endgültiges Verbleiben als Präsident des Oberverwaltungsgerichts offen halten wollte“, heißt es in dem damaligen Vermerk. Zum anderen war nach Ansicht der Schwarz-Kommission auch die zweite Voraussetzung für die ohnehin ungewöhnlich lange Zahlung von Trennungsgeld nicht erfüllt, nämlich der von Liebert in den Anträgen angeführte Wohnungsmangel am neuen Dienstort: Vielmehr seien Bemühungen von Liebert, sich um eine geeignete Wohnung zu bemühen, „nicht nachgewiesen.“ Und in der Oderstadt habe seit 1993 kein Wohnungsmangel mehr geherrscht. Für den früheren Bundesverwaltungsrichter Schwarz stellte die „zumindest auf grober Fahrlässigkeit beruhende Behauptung“ von Liebert, in Frankfurt (Oder) habe während des Bewilligungszeitraums Wohnungsmangel geherrscht, „ein Dienstvergehen“ dar. Die Gründe, was sich an diesen Fakten inzwischen geändert hat, warum das Justizministerium das heute anders sieht und keine Falschangaben Lieberts mehr erkennen kann, sind bislang völlig unklar. Weder Liebert, noch das Ministerium sind bereit, zu Details des Falls Stellung zu nehmen. Womöglich erweist sich die Entschuldigung für Platzeck – selbst Koalitionspolitiker sprechen von einem „typischen Schnellschuss“ des Regierungschefs – nicht nur als verfrüht, sondern sogar als Bumerang: Liebert lässt bislang offen, ob er trotz der Platzeck-Abbitte den Ministerpräsidenten auf Wiedergutmachung, auf Schmerzensgeld verklagt, wofür er erst durch den Vergleich mit Justizministerin Beate Blechinger den Rücken frei hat. Es gibt Juristen, die meinen, dass der Gerichtspräsident erst durch die Entschuldigung Platzecks gute Karten in solch einem Gerichtsverfahren hätte. In der damaligen Landtagssitzung im Januar 2004 hatte Brandenburgs Regierungschef noch deutliche Worte gefunden – und ein „Anspruchsverhalten“ bei hochrangigen Juristen dieses Landes beklagt, „wo einem die Spucke wegblieb und wo ich mich schon gefragt habe: Was ist eigentlich los.“ Dabei sei es den Menschen im Lande egal, ob falsche Angaben auf den Bögen gemacht wurden oder ob am Ende falsch gearbeitet wurde, so Platzeck damals. „Am Ende ist es zu Zahlungen gekommen, die nie hätten geleistet werden dürfen und stellenweise in Höhen, die atemberaubend sind.“ Damals hat der Regierungschef versprochen, dass die Trennungsgeld-Affäre aufgeklärt wird.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: