DATEN: Zwiespältige Bilanz beim Artenschutz
Umweltministerin Anita Tack (Linke) stellte Umweltdatenbericht 2008/2009 vor / Deiche an Oder und Elbe weitgehend saniert
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Potsdam - Die Cottbuser sind die Müllmeister des Landes Brandenburg. Sie produzieren je Einwohner im landesweiten Vergleich die meisten Siedlungsabfälle (220 Kilogramm) und Hausmüll (290 Kilogramm). Allerdings folgt auf Platz Zwei die Landeshauptstadt Potsdam, wo 2008 je Einwohner 208 Kilogramm Siedlungsmüll und weitere 189 Kilogramm Hausmüll produziert wurden. Das alles geht aus dem Umweltdatenbericht Brandenburg 2008/2009 hervor, den Linke-Fachministerin Anita Tack am Montag gemeinsam mit dem Umweltamtspräsidenten Matthias Freude vorstellte.
Den wenigsten Siedlungsmüll produzieren danach die Einwohner von Ostprignitz-Ruppin mit 127 Kilogramm pro Person, vorbildlich ist auch Potsdam-Mittelmark mit 139 Kilogramm. Beim Hausmüll ist Potsdam-Mittelmark mit nur 100 Kilogramm je Einwohner der umweltfreundlichste Kreis.
Doch das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem umfangreichen 125–Seiten-Datenwerk zur Umweltsituation in Brandenburg, in dem keine beschönigende, aber eine bessere Bilanz gezogen wird, als im vorigen Sommer im „Schwarzbuch Umweltpolitik“ , in dem alle namhaften Umweltverbände der Regierungspolitik unter dem früheren Umweltminister und Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) schwere Versäumnisse angekreidet hatten. Nicht zu Unrecht, wie Tack und Freude am Montag bestätigten: Beides stimme, es habe Fehlentwicklungen gegeben. Freude bestätigte erstmals, dass man etwa beim Turbo-Ausbau der Deiche auf förmliche Verfahren nicht genügend Wert gelegt hatte. Inzwischen seien aber 210 Kilometer Deiche saniert, so dass man an der Oder zu 80 Prozent, an der Elbe zu 90 Prozent fertig sei. Und dieser Tage würden in der Prignitz erstmals 470 Hektar neue Polderflächen geflutet.
Beim Artenschutz ist die Bilanz zwiespältig. Auch in Brandenburg sterben Arten weiter aus, eine Folge von Flächenzerschneidungen, aber auch von sinkenden Grundwasserspiegeln, die zum Austrocknen von Mooren und Seen führen. Wie Freude sagte, sind in den letzten Jahren 20 Seen im Land ausgetrocknet. Vor diesem Hintergrund schreiben es sich die amtlichen Naturschützer als Erfolg auf ihre Fahnen, dass es etwa den seltenen Schreiadler oder die berühmte Großtrappe – es sind die letzten Exemplare in Deutschland – überhaupt noch gibt. Rund einhundert Großtrappen nämlich. Und bei den Schreiadlern habe man 13 als Geschwisterkind sonst totgeweihte Jungvögel gerettet, mit Menschenhand aufgezogen und anschließend wieder ins Nest gesetzt worden. Freude: „Die Großtrappe etwa wäre ohne uns in Deutschland ausgestorben.“ Inzwischen, so Freude, würden auch wieder 22 bis 26 Wölfe in Brandenburg dauerhaft herumspringen.
Zum Klimaschutz und Energie verweist der Bericht unter anderem darauf, dass mittlerweile rund 2800 Windkraftanlagen mit einer Leistung von 4170 Megawatt sowie 190 Biogasanlagen mit etwa 120 Megawatt Leistung in Betrieb sind. Allein im vergangenen Jahr seien 52 neue Windparks mit 210 Windrädern und 40 neue Biogasanlagen im Gesamtwert von 1,8 Milliarden Euro genehmigt worden, so Tack. Brandenburg sei da Vorreiter.
Zurzeit könnte man in Brandenburg mit erneuerbaren Energien, bei denen sich das Land als Vorreiter sieht, bereits 60 Prozent des Stromverbrauchs decken, so der Umweltbericht. Am Gesamtenergieverbrauch liegt der Anteil bei rund 14 Prozent, Regierungsziel sind 20 Prozent bis 2020. Die Differenz erklärt sich damit, dass Brandenburg 60 Prozent des vor allem aus Kohle erzeugten Stroms exportiert. „Hauptabnehmer“ sind laut Umweltamt Polen und Tschechien
Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) kritisierte die brandenburgische Hochwasserschutz-Politik, die immer noch zu sehr auf Deichbau ausgerichtet sei. Der umweltpolitische Sprecher der Grünen, Michael Jungclaus, formulierte seine Kritik so: „Schreiadler hui, Klimaschutz pfui!“ Thorsten Metzner
www.lua.brandenburg.de
In Brandenburg stehen eine Million Hektar unter Natur- oder Landschaftsschutz, das sind 24 Prozent der Landesfläche. Trotzdem sind 10 Prozent aller Arten auch hierzulande vom Aussterben bedroht, darunter etwa der Rotmilan, der Wiedehopf, einige Molche und viele Moorpflanzen. Ausnahmen sind Adler, Kraniche und die Großtrappe, die wieder zulegen. Und „Zuzügler“ wie Waschbär und Marderhund „verdrängen sogar zunehmend heimische Arten“.
Trotz Gewässerreichtum mit 3000 Seen und 33 000 Kilometer Fließgewässern wird Grundwasser knapper, Brandenburg ist eins der niederschlagsärmsten Gebiete Deutschlands.
Trinkwasser-Problemgebiete sind die Lausitz in Folge der Kohle, das Oderbruch wegen der Landwirtschaft und Potsdam wegen Salzschichten im Untergrund.
Die Luftgüte ist überall besser geworden. Auch bei Ozonwerten gibt es nur noch selten Warnungen. Allerdings ist in ausgewählten Städten die Feinstaubbelastung zu groß, vor allem in der Cottbuser Bahnhofsstraße. Problematisch ist auch die Potsdamer Zeppelinstraße. thm
Thorsten MetznerD
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